Die Schenkung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist unter bestimmten Voraussetzungen schenkungsteuerlich „begünstigt“. Entsprechendes gilt im Fall einer Übertragung von Todes wegen. Eine Begünstigung in Form einer vollständigen Vermeidung von Schenkungsteuer ist nicht ausgeschlossen. Voraussetzungen für eine begünstigte Schenkung sind u. a. eine unmittelbare Beteiligung des Schenkers in Höhe von mehr als 25% am Nennkapital der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung (Mindestbeteiligung, § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG) und ein „Behalten“ der schenkweise erworbenen Anteile durch den Beschenkten für fünf oder sieben Jahre (Behaltensfrist, § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 ErbStG). Wird die Behaltensfrist verletzt, kommt es (nachträglich) zu einem (anteiligen) Wegfall der Begünstigung (Nachversteuerung).
Eine steuerschädliche Verletzung der Behaltensfrist liegt nicht vor, wenn die Beteiligungsquote des Beschenkten in Folge einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft – in deren Rahmen der Beschenkte z. B. mangels Liquidität keine neuen Anteile erwirbt – auf 25 v.H. oder weniger sinkt (z. B. schenkweise erworbene Beteiligung des Beschenkten vor Kapitalerhöhung 26%, nach Kapitalerhöhung 22%).
Liegt eine Mindestbeteiligung des Schenkers am Nennkapital der Kapitalgesellschaft nicht vor (z. B. Beteiligung des Schenkers 16%), ist eine begünstigte Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen nach dem neuen ErbStG dennoch möglich. Der Schenker kann eine Poolvereinbarung mit weiteren Gesellschaftern der Gesellschaft abschließen, durch die insgesamt Anteile in Höhe der Mindestbeteiligung „gepoolt“ werden. Eine Anwendung des neuen erbschaftsteuerlichen Instruments Poolvereinbarung wirft zwar komplexe gesellschafts- und steuerrechtliche Fragen auf. Erfahrungsgemäß ist die Poolvereinbarung jedoch zur Erreichung des Ziels des Gesetzgebers geeignet, eine Übernahme von Familiengesellschaften zu erleichtern (BT-Drucks. 16/7918, S. 23 und PM der Bundesregierung vom 27. 11. 2008, „Erbschaftsteuer: Übernahme von Familienbetrieben erleichtern“).
Durch die Poolvereinbarung werden – vereinfacht dargestellt – die Möglichkeiten des Gesellschafters über seine Anteile zu verfügen (Verfügungsbeschränkung) und sein Stimmrecht frei auszuüben (Stimmrechtsbindung) erheblich eingeschränkt. Der Beschenkte bleibt – wie der Schenker – durch die Poolvereinbarung gebunden. Eine „Aufhebung“ der Poolvereinbarung durch den Beschenkten nach einer begünstigten Schenkung innerhalb der Behaltensfrist ist steuerschädlich und führt zum nachträglichen (anteiligen) Wegfall der Begünstigung (§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG).
In den vorliegenden Erlassen und Verfügungen zum neuen ErbStG zählt die Finanzverwaltung Sachverhalte auf, die eine schädliche Aufhebung darstellen (AEErbSt vom 25. 6. 2009, BStBl. I 2009 S. 713, Abschn. 14). Z. B. soll das Absinken der gepoolten Beteiligung auf 25% oder weniger in Folge des Austritts eines Gesellschafters aus der Poolvereinbarung schädlich sein (Bayerisches Landesamt für Steuern, Vfg. vom 11. 8. 2010 – S 3812b.1.1 1 St 34, DB0391240). Der Sachverhalt einer Kapitalerhöhung ist – soweit ersichtlich – nicht erwähnt.
Nach dem vorliegenden Entwurf der (neuen) ErbStR 2011 (Stand: 1. 8. 2011) soll nunmehr eine schädliche Aufhebung des Poolvertrags u. a. vorliegen, wenn die gepoolte Beteiligung in Folge einer Kapitalerhöhung auf 25% oder weniger sinkt (Entwurf der ErbStR 2011, R E 13a.10 Abs. 2 a. E.). Danach könnte es – im Grundsatz ohne Zutun der gepoolten Gesellschafter – zu einem nachträglichen Wegfall einer Begünstigung kommen. Die gepoolten Gesellschafter können die Durchführung der Kapitalerhöhung möglicherweise nicht einmal verhindern (z. B. Kapitalmaßnahme mit einfacher Mehrheit). Die gepoolten Anteile unterlägen nach der Kapitalerhöhung trotz Wegfalls der Begünstigung unverändert den strengen Bestimmungen der Poolvereinbarung, die Vereinbarung würde nach der Kapitalerhöhung – anders als bei einem Austritt eines Poolgesellschafters – dieselben gebundenen Anteile, dieselbe Anteilszahl und dieselben Poolmitglieder umfassen. Soweit möglich, wären gepoolte Gesellschafter aus schenkung- bzw. erbschaftsteuerlicher Sicht gezwungen, betriebswirtschaftlich und unternehmenspolitisch „richtige“ Kapitalmaßnahmen zu verhindern (zu Recht kritisch die BStBK, Stellungnahme vom 2. 9. 2011 zum Entwurf der ErbStR 2011, S. 10).
Im Fall eines (missbräuchlichen) Umgehungsfalles mag es gerechtfertigt sein, eine Kapitalerhöhung als tatbestandsmäßig zu behandeln (z. B. Wertung einer Kapitalerhöhung als Veräußerung für Zwecke des § 15 UmwStG, BMF-Schreiben vom 25. 3. 1998, BStBl. I 1998 S. 268, Tz. 15.25). Ein tatbestandsmäßiger Regelfall des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG ist ein Absinken der gepoolten Beteiligungsquote in Folge einer Kapitalerhöhung jedenfalls nicht. Sollte der Richtliniengeber an seiner Auffassung festhalten, müssten sich Steuerpflichtige im Einzelfall aus einer Anwendung des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG „herausstrukturieren“ (z. B. Einbringung der Anteile in Familien-Holding und Poolung auf Holding-Ebene). Dies kann nicht gewollt sein. Es bleibt zu hoffen, dass der Richtliniengeber seine Auffassung zum Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG in den zu veröffentlichenden ErbStR 2011 „relativiert“.