Reinvestitionsklausel versus Lohnsummenprüfung

RA/FAStR Dr. Andreas Richter LL.M., Partner bei Pöllath+Partners, Berlin

Wird unternehmerisches Vermögen (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, inländisches Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 25%) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder von Todes wegen auf die nächste Generation oder einen Dritten übertragen, können weitgehende steuerliche Begünstigungen in Anspruch genommen werden. Im Grundsatz bleiben 85% des unternehmerischen Vermögens von der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer verschont (Regelverschonung), auf Antrag kann unter bestimmten Voraussetzungen alternativ eine vollständige Verschonung erreicht werden (Optionsverschonung).

Nach der Konzeption des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Verschonungsregeln jedoch an strenge Behaltens- bzw. Fortführungsvoraussetzungen geknüpft. Der Bestand des Verschonungsabschlags ist einerseits davon abhängig, dass der Erwerber das erworbene unternehmerische Vermögen fünf Jahre (Regelverschonung) bzw. sieben Jahre (Optionsverschonung) lang fortführt („Behaltensfrist“). Andererseits muss nach Ablauf der jeweiligen Behaltensfrist für Betriebe, die zum Besteuerungszeitpunkt mehr als zwanzig Arbeitnehmer aufweisen, gewährleistet werden, eine bestimmte Mindestlohnsumme nicht zu unterschreiten („Lohnsummenprüfung“).

Im Rahmen des Grundmodells bedeutet dies, dass die Lohnsumme des Betriebes innerhalb von fünf Jahren nach der Übertragung 400% der Ausgangslohnsumme aufweisen muss, während im Optionsmodell innerhalb von sieben Jahren 700% der Ausgangslohnsumme erreicht werden müssen. Im Ergebnis werden dem Steuerpflichtigen die Steuerbegünstigungen damit nur vorläufig unter der Bedingung der Einhaltung der Behaltensfrist und einer erfolgreichen Lohnsummenprüfung gewährt.

Ein Verstoß gegen die Behaltensfrist und/oder Lohnsummenprüfung führt grundsätzlich zur rückwirkenden Nachversteuerung. Während jedoch ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme nach Ablauf der jeweiligen Behaltensfrist ausnahmslos eine finale bzw. endgültige Verminderung des Verschonungsabschlags in dem gleichen prozentualen Umfang zur Folge hat, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird, eröffnet das Gesetz bei einem Verstoß gegen die Behaltensfrist unter bestimmten Voraussetzungen nachträgliche Heilungsmöglichkeiten.

Nach der gesetzlichen Ausgangslage kann eine Nachversteuerung wegen Verstoßes gegen die Behaltensfrist vermieden werden, wenn der für begünstigungsfähiges Vermögen (vgl. § 13b Abs. 1 ErbStG) erzielte Erlös innerhalb einer Frist von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen reinvestiert wird, das nicht zum Verwaltungsvermögen gehört (vgl. § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG). Der Gesetzgeber wollte mit dieser sog. Reinvestitionsklausel dem Erfordernis einer größeren betriebswirtschaftlichen Flexibilität für Unternehmen Rechnung tragen. Unternehmen sollen hiernach auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können und dementsprechend neue Investitionsentscheidungen tätigen dürfen, ohne dabei das Risiko einer Belastung durch Erbschaft- oder Schenkungsteuer tragen zu müssen.

Auch wenn die Reinvestitionsklausel als solche zu begrüßen ist, führt ihre Anwendung in der Praxis häufig zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Zwar vermag die Reinvestitionsklausel eine Nachversteuerung wegen Verletzung der Behaltensfrist zu vermeiden. Weder das Gesetz noch die hierzu bislang ergangenen Anweisungen der Finanzverwaltung beantworten aber eindeutig die Frage, wie sich eine erfolgreiche Reinvestition auf die Lohnsummenprüfung auswirkt.

Würde die Reinvestition ausschließlich den Verstoß gegen die Behaltensfrist „kurieren“, so würde die Reinvestitionsklausel in Fällen, in denen auch die Lohnsummenprüfung zu erfolgen hat, in der Regel leerlaufen. Denn da die Finanzverwaltung Verstöße gegen die Behaltensfrist und die Lohnsummenklausel grundsätzlich unabhängig voneinander betrachten will, könnte trotz erfolgreicher Reininvestition eine Nachsteuer wegen Unterschreitens der Mindestlohnsumme entstehen. Dieses Ergebnis wäre vor dem Hintergrund des Zwecks der Verschonungsregeln, die insbesondere auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen abzielen, kaum überzeugend.

Kann der Steuerpflichtige die für ihn geltende Behaltensfrist auch dadurch wahren, dass er den erworbenen Betrieb gegen einen anderen „eintauscht“, so sollte entsprechendes auch im Hinblick auf die vom Steuerpflichtigen zu gewährleistenden Arbeitsplätze gelten. Die Lohnsummen des Betriebes, in den mit Blick auf die Behaltensfrist erfolgreich reinvestiert wird, sollten daher in die am Ende der Behaltensfrist anzustellende Lohnsummenprüfung eingehen. Andernfalls würde der mit der Reinvestitionsklausel verfolgte Zweck, trotz der gebotenen Kontinuität hinreichende Flexibilität für Unternehmen bei Investitionsentscheidungen zu gewährleisten, konterkariert.

Wegen der erheblichen Bedeutung dieser Regelungen wäre eine gesetzgeberische Klarstellung in dieser Hinsicht dringend geboten, jedenfalls aber eine Klarstellung durch die Finanzverwaltung im Rahmen der derzeit erarbeiteten Erbschaftsteuerrichtlinien 2011.

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