Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz hat der Bundesrat vorgeschlagen, § 7 ErbStG durch einen neuen Absatz 8 zu ergänzen, der sich mit disquotalen Einlagen und verdeckter Gewinnausschüttungen befasst. Satz 1 des geplanten § 7 Abs. 8 ErbStG soll disquotale Einlagen als Schenkung i. S. des ErbStG erfassen und zielt auf Umgehungsgestaltungen, bei denen Zuwendungen nicht direkt an den Bedachten, sondern an dessen Kapitalgesellschaft geleistet werden.
Diese Gestaltung ist gelegentlich bei Familiengesellschaften anzutreffen: Der Vater leistet eine disquotale Einlage – z. B. ein Grundstück – in die mit seinem Sohn gemeinsam gehaltene GmbH, um dem Sohn über die Werterhöhung seines Geschäftsanteils indirekt Vermögen zuzuwenden. Nach der BFH-Rechtsprechung ist dies schenkungsteuerfrei, da es an einer Vermögensverschiebung zwischen Schenker und Beschenktem fehlt (Urteil vom 9. 12. 2009 – II R 28/08, BStBl. II 2010 S. 566 = DB 2010 S. 990). Dass dies dem Fiskus ein Dorn im Auge ist, erscheint verständlich.
Mit dem Vorschlag des Bundesrats würde aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Der Wortlaut sieht eine viel zu weitgehende Fiktion vor. Als Schenkung „gilt“ danach eine Werterhöhung von Anteilen infolge der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft. Auf den subjektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung soll es danach nicht ankommen. Damit würden auch disquotale Einlagen erfasst, wenn zwischen den Gesellschaftern überhaupt kein Näheverhältnis besteht. Ein Gesellschafter kann zudem mit einer disquotalen Einlage durchaus andere Ziele verfolgen, als seine Mitgesellschafter zu begünstigen. Z. B. könnte es ihm darum gehen, seine kriselnde Gesellschaft durch Erlass einer Darlehensschuld zu retten. Dass auch der Mitgesellschafter davon profitiert, ist ein bloßer nicht beabsichtigter Nebeneffekt.
Noch fragwürdiger ist der vorgesehene Satz 2 des § 7 Abs. 8 ErbStG, der sich mit Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften befasst. Dass der Bundesratsvorschlag auch den Fall in den Fokus nimmt, dass das zugewendete Vermögen von einer Kapitalgesellschaft stammt, ist erst einmal nachvollziehbar. Würde der Vater die Einlage nicht aus seinem Vermögen leisten, sondern eine sich in seinem Alleinbesitz befindende GmbH dazu veranlassen, Vermögen unentgeltlich zu übertragen, kann auch dies eine Umgehungsgestaltung darstellen.
Kritikwürdig ist aber die gesetzgeberische Umsetzung. Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften sollen gem. Satz 2 schädlich sein, „soweit sie nicht betrieblich veranlasst sind und soweit an den Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind“.
Merkwürdig erscheint die Bezugnahme auf eine betriebliche Veranlassung. Da Kapitalgesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des BFH keine außerbetriebliche Sphäre haben, wären Vermögensverschiebungen immer betrieblich veranlasst, jedenfalls im ertragsteuerlichen Sinne. Satz 2 liefe danach leer. Offenbar schwebt dem Bundesrat eine spezifisch schenkungsteuerliche Auslegung des Begriffs „nicht betrieblich“ vor. In seiner Begründung geht er davon aus, dass ein Angehörigenverhältnis auf Gesellschafterebene zur Nichtbetrieblichkeit führt. Es soll demnach um Vermögensminderungen der Kapitalgesellschaft gehen, die nicht mit dem Gesellschaftszweck, sondern nur mit dem Gesellschafterinteresse erklärt werden können.
Offen ist aber, ob es darauf ankommen soll, dass der Gesellschafter mit Zuwendungswillen handelt, oder ob schon eine gesellschaftliche Veranlassung im ertragsteuerlichen Sinne genügt. Letzteres ginge viel zu weit. Es wären konzerninterne verdeckter Gewinnausschüttungen betroffen, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung besteht. Erlässt eine Kapitalgesellschaft einer Schwestergesellschaft eine Darlehensschuld, um deren Eigenkapitalquote zu verbessern, dürfte dies zwar in der Regel gesellschaftlich veranlasst und infolgedessen als verdeckter Gewinnausschüttungen anzusehen sein. Eine verdeckte Schenkung auf Gesellschafterebene ist dies dagegen nicht.
Immerhin dürfte das Kriterium der Beteiligungsidentität bei leistender und empfangender Kapitalgesellschaft in vielen Fällen konzerninterne Vermögensverschiebungen von der Schenkungsteuer abschirmen, insbesondere wenn die beteiligten Kapitalgesellschaften unter einer Konzernspitze hängen. Sobald aber konzernfremde Minderheitsgesellschafter beteiligt sind, besteht die Gefahr der Schenkungsteuerbarkeit.
Problematisch ist zudem, dass die Kapitalgesellschaft nach dem Bundesratsvorschlag selbst Zuwendende sein soll. Die Regelung zielt auf Umgehungsgestaltungen ab, bei denen der Gesellschafter das Vermögen seiner Kapitalgesellschaft verschenkt. In diesen Fällen, die Kapitalgesellschaft als Zuwendende anzusehen, erscheint widersinnig. Veranlasst der Gesellschafter seine Kapitalgesellschaft zur unentgeltlichen Weggabe von Vermögen, kann nur er als Schenker angesehen werden. Die Gesellschaft wird nur instrumentalisiert; sie ist die Zahlstelle.
Die Besteuerung einer Schenkung durch die Kapitalgesellschaft würde sich zudem dem Vorwurf der Systemwidrigkeit aussetzen. Der gleiche Vorgang würde wegen der verdeckten Gewinnausschüttungen als gesellschaftlich veranlasst und somit entgeltlich und zugleich als unentgeltlich angesehen. Verfassungsrechtlich ist es geboten, solche Systembrüche zu vermeiden, zumal, wenn wie hier, auch Doppelbelastungen entstehen.
Wünsche an den Gesetzgeber
Es wäre wünschenswert, wenn sich der Gesetzgeber im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf die Systematik des Schenkungsteuerrechts und eine klare und handwerklich ausgereifte Gesetzestechnik zurückbesinnt. Statt nicht nachvollziehbarer Fiktionen sollte eine Missbrauchsregelung an dem eigentlichen Problem ansetzen. Dieses bestand an sich nur darin, dass es bei einer indirekten Schenkung über eine Kapitalgesellschaft an einer Vermögensbewegung zwischen Zuwendenden und Bedachten fehlt. Nur bei diesem Tatbestandsmerkmal darf eine die BFH-Rechtsprechung überholende gesetzliche Regelung ansetzen. Im Übrigen muss aber der Grundtatbestand der freigebigen Zuwendung erfüllt werden. Der subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung darf nicht durch Fiktionen suspendiert oder durch neu eingeführte Begriffe wie die nicht betriebliche Veranlassung ersetzt werden. Es sollte gesetzlich klargestellt werden, dass Zuwendender bei mittelbaren Schenkungen über Kapitalgesellschaften die zuwendende natürliche Person ist.