Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 23. 9. 2011 das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (StVerG) verabschiedet und der Bundesrat hat am selben Tag zugestimmt. Eine der Neuregelungen betrifft § 21 Abs. 2 EStG. Danach gilt eine dauerhafte Wohnraumvermietung nun stets als vollentgeltlich (d. h. voller Werbungskostenabzug) wenn das Entgelt mindestens 66% der ortsüblichen Miete beträgt. Im Einkommensteuergesetz ist der Fiskus nur an Tätigkeiten interessiert, die zu einem Überschuss führen. Die Geltendmachung von Verlusten ist in vielen Vorschriften eingeschränkt, teilweise so weitgehend, dass sich die Frage stellt, ob der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit noch abgebildet wird.
Eine der grundlegendsten Einschränkungen in diesem Zusammenhang ist, dass steuerlich zu berücksichtigende Tätigkeiten mit Einkunftserzielungsabsicht durchgeführt werden müssen. Andernfalls sind diese steuerlich nicht zu berücksichtigen. Bereits der Reichsfinanzhof hatte entsprechend entschieden und die in der Folge ergangene Rechtsprechung des BFH hierzu hat dies mit dem Begriff der „Liebhaberei“ verbunden. Ziel des Fiskus ist es hierbei, Ausgaben vom steuerlichen Abzug auszuschließen, die aus privaten Motiven und nicht in der Absicht einen Überschuss zu erzielen getätigt werden. Hierzu soll es auf eine Totalüberschussprognose ankommen. Bei Wohnimmobilien wurde dies allerdings etwas entschärft: Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer auf Dauer angelegten Wohnraumvermietung ohne weitere Prüfung vom Vorliegen der Einkunftserzielungsabsicht auszugehen. Etwas anderes gilt nur in besonderen Ausnahmefällen (z. B. Gewerbeobjekt, private Mitveranlassung wie z. B. möglicherweise bei Ferienwohnungen und nicht auf Dauer angelegte Vermietung). Grund hierfür ist insbesondere, dass Immobilien langlebige Wirtschaftsgüter sind und bei Zugrundelegung eines Prognosezeitraums von ca. 30 – 50 Jahren in aller Regel ein positiver Totalüberschuss entstehen wird.
Diese Grundregel kollidiert in gewisser Weise mit der Regelung in § 21 Abs. 2, EStG. Nach dem bisherigen Wortlaut dieser Vorschrift ist die Vermietung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen, wenn das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung weniger als 56% der ortsüblichen Marktmiete beträgt. In diesem Fall werden die Aufwendungen also nur anteilig zum Abzug zugelassen. Beträgt das Entgelt z. B. 57% der ortsüblichen Marktmiete, so wäre demnach von einem vollentgeltlichen Mietverhältnis auszugehen.
Die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung haben jedoch in der Vergangenheit einen zusätzlichen Grenzkorridor gelegt: Betrug das Entgelt zwar mehr als 56% aber weniger als 75% der ortsüblichen Miete, so musste der Totalüberschuss nachgewiesen werden. Gelang dies nicht, war eine Aufteilung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil der Vermietung vorzunehmen.
Mit dem StVerG wird nun zwar die Grenze von 56% auf 66% angehoben jedoch zugleich in § 21 Abs. 2 der folgende weitere Satz 2 angefügt: „Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66% der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich.“ Mit der Änderung in Absatz 2 entfällt somit die bislang erforderliche Prüfung der zweiten Prozentgrenze und damit auch die vorzunehmende Überschussprognose. Bei Erreichen der Grenze von 66% ist Vollentgeltlichkeit anzunehmen und ein ungekürzter Werbungskostenabzug zuzulassen. Dies gilt z.B. auch bei Vermietung an nahe Angehörige.
Unter ortsüblicher Marktmiete ist die Kaltmiete zuzüglich umlagefähiger Kosten zu verstehen. Maßstab wird dabei in aller Regel der örtliche Mietspiegel sein. Wichtig ist, dass die Immobilie für Wohnzwecke überlassen wird. § 21 Abs. 2 stellt ausdrücklich nur auf Wohnraumvermietung ab. Bei einer Vermietung zu jedem anderen Zweck wäre der Werbungskostenabzug zu kürzen, gegebenenfalls sogar ganz zu versagen da dann vermutlich Zweifel an der Einkunftserzielungsabsicht bestünden. Außerdem ist wichtig, dass die Vermietung auf Dauer angelegt ist. Hiergegen könnte sprechen, wenn die Parteien einen Mietkauf vereinbart oder einen befristeten Mietvertrag abgeschlossen haben.
Wird die neue „66%-Hürde“ genommen, so hat dies zur Folge, dass alle Aufwendungen steuerlich abgesetzt werden können, auch wenn dies (langfristig) zu erheblichen Verlusten führt. Diese Verluste sind auch nicht durch eine andere Vorschrift von der Verrechnung mit anderen positiven Einkünften ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat damit die Geltendmachung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung (bei verbilligter Wohnraumüberlassung) deutlich vereinfacht.
Die magische Grenze von 66% darf allerdings nicht unterschritten werden. Dies setzt voraus, dass das Mietentgelt laufend mit der Entwicklung der ortsüblichen Marktmiete abgestimmt wird. Die Neuregelung gilt ab dem 1.1.2012.