Der Gesetzgeber hat im Jahre 2003 die unbeschränkte Verrechnung von Verlusten bei der Einkommensteuer in § 10d EStG, der Körperschaftsteuer in § 8c KStG (alt) und der Gewerbesteuer in § 10a GewStG durch die Einführung einer Mindestbesteuerung eingeschränkt und einen Ausgleich nur in Höhe beschränkter Beträge (in der Regel rund 1 Mio. €) zugelassen. Die Regelung sollte nur eine Streckung der Verluste, nicht aber einen endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung zur Sicherung des Steueraufkommens bewirken.
Von Anfang an wurde darauf hingewiesen, dass in nicht wenigen Fällen, insbesondere bei Liquidation von Personen- und Kapitalgesellschaften ein über den Gesetzesanlass hinausgehender endgültiger Verlust der Verlustverrechnungsmöglichkeit eintreten kann. Gleichwohl hat der Gesetzgeber den überschießenden Gesetzeswortlaut nicht korrigiert. Der BFH hat nun mit Beschluss vom 26. 8. 2010 (I B 49/10, DB 2010 S. 2366) entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob in den Fällen derartiger überschießender Wirkung der Wegfall der Verlustverrechnungsmöglichkeit geboten sei oder ob die Verlustverrechnung im letzten Geschäftsjahr und ggf. in den vorhergehenden Jahren ohne die Begrenzung des § 10d EStG anzuwenden sei.
Der BMF hat nun den Beschluss zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt freigegeben und entschieden, dass in Fällen des schädlichen Beteiligungserwerbes nach § 8c KStG alt, der Umwandlung, der Liquidation einer Körperschaft und der Beendigung der persönlichen Steuerpflicht eine Aussetzung der Vollziehung (ADV) zu gewähren sei. Dagegen sei eine AdV in anderen Fällen, insbesondere bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Mitunternehmerschaft nicht zu gewähren. Ebenfalls sei die AdV nicht in Missbrauchsfällen (z. B. Mantelkauf) zu gewähren.
Während es dem Grunde nach zu begrüßen ist, dass das BMF nach Jahren des Wegschauens die von Anfang an erhobene Kritik an der überschießenden Wirkung der Regelung jedenfalls durch Gewährung von AdV aufnimmt, sind auch im BMF-Schreiben wieder Unklarheiten angelegt. So ist insbesondere nicht nachvollziehbar, warum bei Liquidation einer Kapitalgesellschaft zwar für Körperschaft- und Gewerbesteuer die Verlustnutzung (jedenfalls im Wege der AdV) nicht mehr beschränkt ist, für Zwecke der Gewerbesteuer aber keine Gleichbehandlung bei Liquidation einer Personengesellschaft angeordnet ist. Auch dort ist es geboten, dass im Schlussjahr eine volle Verrechnungsmöglichkeit der etwa vorhandenen Verlustvorträge (mit einem Rücktrag auf Vorjahre, wenn der Ertrag des Schlussjahres nicht zur vollen Verrechnung des Verlustvortrages ausreicht) zugelassen wird. Es ist keinerlei Rechtsgrund ersichtlich, warum eine Liquidation einer Kapitalgesellschaft anders behandelt wird, als für Zwecke der Gewerbesteuer die Liquidation einer Personengesellschaft.