Zeitpunkt der Versteuerung von Arbeitnehmeraktien

RA/StB Dr. Rosemarie Portner LL.M., Düsseldorf

Ist ein Arbeitnehmer gehindert Aktien, die der Arbeitgeber ihm verbilligt überlässt, rechtsgeschäftlich wirksam zu übertragen,  ist der Vorteil aus der Verbilligung erst zu dem Zeitpunkt als Arbeitslohn zu versteuern, zu dem die Übertragungsbeschränkung entfällt (BFH, Urteil vom 30. 6. 2011 – VI R 37/09, DB 2011 S. 2127). Im Urteilsfall hatte der Arbeitnehmer verbilligt Aktien der U.S.-amerikanischen Muttergesellschaft seiner Arbeitgeberin erworben (restricted shares), die innerhalb von zwei Jahren weder handelbar noch lieferbar waren und sich auch nicht zur Beleihung eigneten. Nach einer Haltefrist von einem Jahr konnten sie nur unter bestimmten Bedingungen verkauft werden. Eine der Bedingungen betraf die Einhaltung der Publikationspflichten nach US-Aktienrecht durch die US- Muttergesellschaft, die die „restricted shares“ ausgegeben hatte.  Nach einer Sperrfrist von einem weiteren Jahr war ein freier Verkauf möglich.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Vorteil aus dem verbilligten Erwerb von Aktien im Zeitpunkt der Aktienüberlassung zu versteuern. Dies gilt auch, wenn dem Arbeitnehmer nach den Regeln des Mitarbeiterbeteiligungsplans untersagt ist, die Aktien während eines bestimmten Zeitraums (Sperr-/Haltefrist) durch Verkauf, Verpfändung oder auf sonstige Weise zu verwerten. Mit dem Erwerb des zivilrechtlichen Eigentums an den Aktien ist der Arbeitnehmer grundsätzlich dividenden- und stimmberechtigt. Der Arbeitnehmer hat somit nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich Eigentum an den Aktien erworben, weil sich die mit dem Aktienerwerb verbundene Rechtsstellung nicht  in der Möglichkeit erschöpft, die Aktien zu verwerten.

Das Urteil vom 30. 6. 2011 verdeutlicht, dass die Versteuerung des Vorteils aus einem verbilligten Aktienerwerb jedoch im Einzelfall aufgeschoben sein kann, bis der Arbeitnehmer die Aktien frei und wirksam übertragen kann. Dabei greift der BFH auf die Grundsätze des Aktienrechts zurück, die auch für lohnsteuerrechtliche Zwecke heranzuziehen sind.

Im deutschen Aktienrecht gilt der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Aktien. Allerdings können Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf vertraglicher Grundlage eine Übertragungsbeschränkung vereinbaren, um auf diese Weise die rechtlich uneingeschränkte Möglichkeit der Aktienübertragung  zu untersagen (obligatorische Übertragungsbeschränkung). Hier kann der Arbeitnehmer die Aktien  übertragen, darf  sie aber aufgrund der obligatorisch vereinbarten Beschränkung nicht übertragen.  Der Arbeitgeber kann nicht verhindern, dass der Arbeitnehmer sich über die obligatorische Übertragungsbeschränkung hinwegsetzt. Ihm bleibt allein die Möglichkeit, für diesen Fall gegebenenfalls eine vertragliche Sanktion zu verhängen.

Mitarbeiterbeteiligungspläne, für die das deutsche Aktienrecht maßgeblich ist, enthalten regelmäßig obligatorische Übertragungsbeschränkungen der zuvor beschriebenen Art, die den Zeitpunkt der Versteuerung nicht beeinflussen.  Der verbilligte Aktienerwerb soll dem  Arbeitnehmer nicht nur ermöglichen, an der Unternehmenswertentwicklung teilzuhaben, sondern den Arbeitnehmer auch an das Unternehmen binden. Anderes gilt nur für Namensaktien unter den Voraussetzungen einer Vinkulierung (§ 68 Abs. 2 AktG). Eine Übertragung vinkulierter Aktien ist ohne Zustimmung der Gesellschaft  rechtlich unwirksam.  Die Übertragungsbeschränkung wirkt nicht nur im Innenverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und der Gesellschaft, die die Aktien überlässt, sondern ist den Aktien immanent. Der Arbeitnehmer ist als rechtlicher Eigentümer grundsätzlich dividenden- und stimmberechtigt. Damit ist er zwar nutzungsberechtigt, kann jedoch die Aktien nicht wirksam verwerten. Solange die Übertragungsbeschränkung besteht, ist der Arbeitnehmer nach der Entscheidung des BFH nicht verfügungsberechtigt. Ihm fließt der Vorteil aus der Aktienüberlassung erst zu, wenn die Übertragungsbeschränkung entfällt. Die Versteuerung des Vorteils aus der Verbilligung ist bis zu diesem Zeitpunkt aufgeschoben. In ähnlicher Weise kann ausländisches Aktienrecht Übertragungsbeschränkungen vorsehen, die eine Übertragung nicht nur vertraglich ausschließen, sondern zur Unwirksamkeit der Übertragung führen.

Für die Praxis

Die Übertragung verbilligt erworbener Aktien kann aufgrund der Planregeln vertraglich (obligatorisch) eingeschränkt sein.  Obligatorische Übertragungsbeschränkungen sind für den Besteuerungszeitpunkt unbeachtlich. Die Verbilligung ist bereits bei Überlassung der Aktien zu versteuern. Übertragungsbeschränkungen, die zur Unwirksamkeit der Übertragung führen,   können dagegen den Zeitpunkt der Besteuerung aufschieben, bis die Übertragungsbeschränkung entfällt.

Mitarbeiterbeteiligungspläne, für die deutsches Aktienrecht maßgeblich ist, werden regelmäßig obligatorische Verfügungsbeschränkungen vorsehen, die den Zeitpunkt der Besteuerung nicht beeinflussen, weil grundsätzlich die freie Übertragbarkeit nicht beschränkt werden kann.  Ist ausländisches Aktienrecht für die Überlassung von Arbeitnehmer-Aktien maßgeblich, kann dagegen eine Übertragungsbeschränkung unmittelbar die Wirksamkeit der Übertragung selbst bestimmen. Dann ist die Versteuerung mangels Verfügungsmacht über die Aktien aufgeschoben, bis die Beschränkung entfällt.  Für die Prüfung verlangt, ausländisches Recht festzustellen und auszulegen.

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