Kein Geld für Reform der Verlustverrechnung

Der Koalitionsvertrag enthält die ausdrückliche Vorgabe, dass eine Reform der Verlustverrechnung und der Gruppenbesteuerung aufkommensneutral erfolgen sollte. Die Machbarkeitsanalyse sollte durch eine hierfür gegründete Facharbeitsgruppe “Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ bis Sept. 2011 durchgeführt werden. Innerhalb der gesetzten zeitlichen Vorgabe legte die Facharbeitsgruppe die ernüchternden Ergebnisse ihrer Untersuchung vor.

Zu jedem Untersuchungsfeld hat die Facharbeitsgruppe die bundesweiten Gesamtzahlen, die vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellt wurden, zugrunde gelegt. Darüber hinaus wurde versucht, die Ergebnisse durch einen internationalen Vergleich zu plausibilisieren. Im Bereich der Verlustverrechnung wurden zudem anonymisierte Daten von Steuerpflichtigen mit hohen steuerlichen Verlustvorträgen in die Analyse einbezogen. Die Evaluierung hat ergeben, dass die körperschaft- und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge bereits im Jahr 2004 die EUR 500 Mrd.-Marke überschritten haben. Seit 2001 steigen die körperschaft- und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge jährlich um EUR 40 Mrd. Das rechnerische Steuerausfallpotential beträgt bei unterstellter Verrechenbarkeit mit positiven Einkünften insgesamt bereits mehr als EUR 150 Mrd. Nach einer Untersuchung der OECD ist das Volumen der Verlustvorträge im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in keinem anderen untersuchten Staat so hoch, wie in Deutschland. Die Facharbeitsgruppe macht darauf aufmerksam, dass die Höhe der vorhandenen Verlustvorträge und ihr stetiges Anwachsen es nahe legen, die steuerliche Bemessungsgrundlage intensiv zu analysieren. Hierfür spricht auch, dass die steuerlichen Gewinne um ca. EUR 100 Mrd. niedriger sind als die bereinigten Gewinne nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

Kein Vorschlag zur Reform der Mindestbesteuerung

Das Steuerwirkungsaufkommen der Mindestbesteuerung wird aktuell für ein konjunkturell gutes Jahr auf eine Größenordnung von gut EUR 3 Mrd. (ansteigend bis 2025 auf EUR 5 Mrd.) geschätzt. Davon entfällt jeweils rund die Hälfte auf Körperschaft- und Gewerbesteuer. Nach Auffassung der Facharbeitsgruppe ist in Deutschland nur ein sehr geringer Anteil der Steuerpflichtigen von der Mindestbesteuerung betroffen. Im Mittelstand soll sie keine nennenswerten Auswirkungen – entgegen anders lautender Behauptungen der Wirtschaft – haben.

Die Facharbeitsgruppe kann unter Berücksichtigung der Vorgabe der Aufkommensneutralität keinen Vorschlag zur Reform der Mindestbeteuerung machen, der die Abschaffung der Mindestbesteuerung zum Gegenstand hat. Sollte die geforderte Aufkommensneutralität in den Hintergrund treten, empfiehlt die Facharbeitsgruppe ein lineares Abschmelzen der Mindestbesteuerung mit 5% über einen Zeitraum von 8 Jahren. Sollte zudem das Ziel verfolgt werden, die Verlustvorträge abzubauen, könnte das vorstehende Abschmelz-Modell mit einer beschränkten Vortragsfähigkeit von Alt- und Neu-Verlusten über 10 Jahre kombiniert werden. Alt- und Neuverluste, die innerhalb von 10 Jahren nicht mit positiven Einkünften verrechnet wurden, entfallen. Eine Gleichbehandlung von Alt- und Neuverlusten könnte durch eine gesetzliche Fiktion in 2013 erreicht werden, dass Alt-Verluste zukünftig wie Verluste des Veranlagungszeitraums 2013 behandelt werden sollen.

Möglichkeit des Verlustrücktrags soll erhalten bleiben

Die Facharbeitsgruppe erkennt an, dass der Verlustrücktrag i.S. des § 10d Abs. 1 EStG insb. kleineren Unternehmen in Krisenzeiten Liquidität beschaffen kann und spricht sich deshalb für die Beibehaltung des Verlustrücktrags aus. Zur Steuervereinfachung könnte allerdings das Wahlrecht des Steuerpflichtigen abgeschafft werden, den Verlustrücktrag innerhalb der bestehenden Höchstbeträge zu begrenzen. Dies hätte eine Streichung von § 10d Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG zur Folge.

Verrechnung von sog. endgültigen EU/EWR-Betriebsstättenverlusten nur für Einkommen- und Körperschaftsteuerzwecke verbunden mit einer engen Definition der Finalität der Verluste

Der BFH hat mit Urteil vom 9. 6. 2010 (I R 107/09, DB 2010 S. 1733) entschieden, dass ausländische Betriebsstättenverluste für körperschaft- und gewerbesteuerliche Zwecke trotz steuerlicher Freistellung entsprechender ausländischer Gewinne im Inland zu berücksichtigen seien, wenn diese aufgrund der Aufgabe der jeweiligen Betriebsstätte im Ausland nicht mehr genutzt werden können (sog. endgültige Betriebsstättenverluste). Die aus dieser Rechtsprechung resultierenden Risiken für die Steuereinnahmen können aufgrund der fehlenden Datenbasis derzeit nicht quantifiziert werden. Die Facharbeitsgruppe rechnet jedoch mit Steuermindereinnahmen im Milliarden-Bereich.

Die Facharbeitsgruppe spricht sich deshalb dafür aus, dass sog. endgültige Verluste von EU/EWR-Betriebsstätten nur die einkommen- und körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage mindern dürften. Eine Verminderung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage soll durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ausgeschlossen werden. Ein sog. endgültiger Betriebsstättenverlust soll die dauerhafte Beendigung des wirtschaftlichen Engagements in dem jeweiligen ausländischen EU/EWR-Staat voraussetzen. Diese soll nicht vorliegen, sofern der Steuerpflichtige oder im nahestehende Personen weiterhin Einkünfte in dem ausländischen Staat erzielen. Die Beendigung des wirtschaftlichen Engagements soll durch Regelbeispiele konkretisiert werden.

Aus diesem Grund muss nach Auffassung der Facharbeitsgruppe eine enge Auslegung der gesetzlichen Definition von sog. endgültigen Betriebsstättenverlusten vorgenommen werden.

Beibehaltung der Verlustabzugsbeschränkung im Beteiligungserwerbsfall sowie in Umwandlungs- und Einbringungsfällen ohne Änderung

§ 8c KStG regelt den Verlustabzug bei Körperschaften für den Fall eines Beteiligungserwerbs. Unter dem Hinweis, dass die Regelung des § 8c KStG im Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung und im Wachstumsbeschleunigungsgesetz abgemildert wurde, spricht sich die Facharbeitsgruppe dafür aus, § 8c KStG ohne Änderungen beizubehalten. In Umwandlungs- und Einbringungsfällen sieht das Umwandlungssteuergesetz spezielle Regelungen für die Verlustverrechnung vor. Verluste sollen nicht auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen und können nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Facharbeitsgruppe spricht sich auch für die Umwandlungs- und Einbringungsfälle für eine Beibehaltung der aktuellen Regelungen ohne Änderungen aus. Sowohl im Beteiligungserwerbsfall als auch in den Umwandlungs- und Einbringungsfällen weist die Facharbeitsgruppe darauf hin, dass eine Abmilderung der Effekte aus der Mindestbesteuerung in den vorstehenden Fallkonstellationen nicht ohne Verminderung des Steueraufkommens möglich ist. Aufgrund der Vorgabe der Aufkommensneutralität der Reform wurde eine Abmilderung der Mindestbesteuerungseffekte deshalb nicht in Betracht gezogen.

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