Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. 12. 2007 (DB0286761) ist eine Verlustübertragung des Erblassers auf den Erben (bis auf Weiteres) nicht mehr möglich (Stichtag 18. 8. 2008). Umso wichtiger erscheint in diesen Fällen die Anwendung der Mindestbesteuerung nach § 10 d Abs. 2 EStG. Hierzu hat das BMF mit Schreiben vom 19. 10. 2011 Stellung genommen und die Behörden angewiesen bei entsprechenden Einsprüchen Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
Die Übertragung von nicht verrechneten Verlusten des Erblassers auf Erben ist gesetzlich nicht geregelt. Nach früher herrschender Meinung konnte der Erbe, soweit der Erblasser den Verlust noch nach § 10 d EStG hätte geltend machen können und soweit der Erbe den Verlust des Erblassers im Todesjahr nicht ausgleichen konnte und diesen auch tatsächlich trug, steuerlich geltend machen. Etwas überraschend hat der Große Senat des BFH diese 46-jährige Rechtsprechung mit dem BFH-Beschluss vom 17. 12. 2007 gekippt. Der BFH stellt dabei rein formal auf die personenbezogene, nicht übertragbare Leistungsfähigkeit bei der Einkommensteuer ab. Dieser Verlustübertragungsausschluss, der alle verbleibenden negativen Einkünfte umfasst, wird von der Literatur kritisiert (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 30. Auflage, § 10 d Rdn. 14), da der dem objektiven Nettoprinzip kaum gerecht wird. Deshalb wird auch hierzu früher oder später eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes erwartet.
Die Finanzverwaltung hat nach der Entscheidung des Großen Senats eine Übergangsregelung erlassen und wendet den Beschluss erstmals auf Todesfälle ab dem Tag der amtlichen Veröffentlichung des Beschlusses am 18. 8. 2008 an. Seitdem ist die Verlustübertragung zwischen natürlichen Personen im Todesfall ausgeschlossen.
Diese umstrittene Rechtsfrage wird bei der heutigen Gesetzeslage insbesondere dann brisant, wenn der Erblasser aufgrund der sogenannten Mindestbesteuerung (§ 10 d Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG) Verluste in der Vergangenheit steuerlich nicht geltend machen konnte, d. h. Verlustvorträge aufgebaut bzw. fortgeführt hat und diese nun im Todesfall (wegen der Rechtsprechungsänderung) endgültig verfallen sollen.
Der BFH hat zur Mindestbesteuerung mit Beschluss vom 26. 10. 2010 entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dann standhält, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen endgültig ausgeschlossen ist.
Die Finanzverwaltung hat hierauf nun mit Schreiben des BMF vom 19. 10. 2011 reagiert und die Behörden angewiesen, Aussetzung der Vollziehung auf Antrag in allen Fällen zu gewähren, in denen es aufgrund des Zusammenwirkens der Anwendung der Mindestbesteuerung und eines tatsächlichen oder rechtlichen Grundes, der zum endgültigen Ausschluss einer Verlustnutzungsmöglichkeit führt, zu gewähren. Das BMF-Schreiben nennt hierzu folgende Fälle:
(1) § 8 c KStG,
(2) in Fällen der Umwandlung beim übertragenen Rechtsträger,
(3) Liquidation einer Körperschaft sowie
(4) Beendigung der persönlichen Steuerpflicht (Tod einer natürlichen Person).
Damit signalisiert die Finanzverwaltung, dass die Anwendung der Mindestbesteuerung auf den Erblasser umstritten ist und selbst die Finanzverwaltung nicht ausschließt, dass eine Rechtsänderung hierzu eintreten wird.
Steuerpflichtigen ist es deshalb dringend zu empfehlen, in entsprechenden Fällen die Veranlagungen offen zu halten, d. h. gegen entsprechende Bescheide Einspruch einzulegen und die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Gerade in einem Todesfall wird dies aber nicht immer gelingen bzw. vielleicht schnell übersehen. Nicht nur, dass sich die Erben in der Regel erst einen Überblick über die Verhältnisse verschaffen müssen, es dürfte dann auch erforderlich sein, dass entsprechende Einsprüche bzw. Anträge gegen die Veranlagungsjahre gerichtet werden, in denen sich die Mindestbesteuerung ausgewirkt hat. Dies kann unter Umständen bereits mehrere Jahre zurückliegen. Sofern der Vorbehalt der Nachprüfung dieser Veranlagungsjahre noch nicht abgelaufen ist, können entsprechende Anträge nach § 164 Abs. 2 AO gestellt werden.
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass derzeit eine gesetzliche Änderung der Mindestbesteuerung noch nicht konkret in Sicht ist. Zwar gab es bereits entsprechende Gesetzänderungspläne (BDrucks. 17/4653). Dem aktuellen Bericht der gemeinsamen Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern zur „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ (datiert 15. 9. 2011 und vorgelegt am 14. 11. 2011) sind aber noch keine konkreten Vorschläge zur Anpassung der gesetzlichen Reglung zu entnehmen (vgl. S. 61 des Berichtes) sowie auch bereits den Beitrag von Fuhrmann in Steuerboard, DB0462140.