Unisextarif auch im Steuerrecht? Und warum eigentlich kein „Anzug-Fahrtenbuch“?

StB Prof. Dr. Andreas Dinkelbach, Hochschule Fresenius in Köln

Nachdem die steuerliche Förderfähigkeit der sog. Riester-Rente bereits für Vertragsabschlüsse seit 2006 von der Verwendung eines Unisextarifs abhängig ist, „erinnert“ die EuGH-Entscheidung vom 1. 3. 2011 in der Rs. C-236/09 (DB0413618)an den nächsten Schritt zur Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen: die Einführung flächendeckender Unisex-Versicherungstarife ab dem 22. 12. 2012.

Auf der Grundlage von Art. 21 und 23 der Grundrechte der Europäischen Union (2000/C 364/01) vertritt der EuGH die Auffassung, dass zur Gewährleistung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern die Berücksichtigung geschlechts­spezifischer versicherungsmathematischer Faktoren nicht zu Unterschieden bei den Prämien und Leistungen führen sollte. Die Lage von Frauen und Männern sei in Bezug auf die Prämien und Leistungen der von ihnen abgeschlossenen Versicherungen vergleichbar.

Inwieweit die statistisch festgestellte längere Lebenserwartung von Frauen vor allem in Industriestaaten originär eine Folge des jeweiligen Geschlechts ist oder sich vielmehr als mittelbare Folge „klassischer Rollenverteilung“ darstellt (z. B. höherer Männeranteil in der Gruppe korpulenter bewegungsresistenter Raucher ohne Ernährungsbewusstsein), kann dahingestellt sein. Mit der Entscheidung des EuGH erübrigt sich insoweit die Frage einer Differenzierung zwischen der Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem und der Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.

Jurk/Wilhelm (BB 2012 S. 381) haben bereits ausgeführt, inwieweit die EuGH-Rechtsprechung Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung hat. Anpassungsbedarf besteht in letzter Konsequenz allerdings auch steuerlich, wie z. B. die Anlagen zu § 14 (Abs. 1 Satz 4) BewG hinsichtlich der Berechnung des Kapitalwerts einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung oder Anlage 12 zu § 104 BewG (Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente) bis dato geschlechtsspe­zifisch differenzierende Bewertungen vorsehen. Mit der Unzulässigkeit einer auf dem Geschlecht basierenden Differenzierung ist es nicht vereinbar, z.B. einen Gewinn aus der Veräußerung des Betriebs einer Kauffrau gegen Leibrente höher zu besteuern als den Gewinn eines gleichaltrigen Kaufmanns. Kauffrauen kann nicht aufgrund ihres Geschlechts eine höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unterstellt werden, die eine differenzierende Besteuerung rechtfertigen würde. Wenn der Gesetzgeber künftig geschlechtsspezifisch unterstellte Unterschiede bei der Bemessung von Prämien und Leistungen der Versicherungsbranche einebnet, sollte er sich der Argumentation des EuGH hinsichtlich einer insoweit vergleich­baren Bewertungsfrage im Steuerrecht nicht verschließen.

Zur zweiten Frage. Aktuell befinden sich Teile Deutschlands in der sog. fünften Jahreszeit (gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO Karneval, Fastnacht, Fasching). Der die Welt zuweilen anders wahrnehmende Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt blickt wehmütig auf „kostümierte“ Piloten, Seeleute, Baumeister, Konditoren etc. und fragt sich unwillkürlich, inwieweit diese typischen Berufsklei­der wohl seinerzeit gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG steuerlich geltend gemacht wurden und nun privat verwendet werden. Dabei fällt der Blick hinab auf die – vielleicht karnevalistisch verkürzte – Krawatte und den dunklen Anzug, mit denen man sich allenfalls als „Spaßbremse“ in das närrische Treiben einreihen könnte und die auch sonst nur begrenzt im Privatleben Verwendung finden.

Der große Senat des BFH hat in seinem Beschluss vom 21. 9. 2009 (1/06, DB0345290) der (ggf. schätzweisen) Aufteilung von Aufwendungen im Fall gemischter beruflich und privater Veranlassung bereits die Tür geöffnet und auch für „bürgerliche Kleidung“ bei feststehender Arbeitszeit eine theoretische Aufteilbarkeit bejaht. Die Berücksichtigung eines beruflichen (Mehr-)Aufwands hat der BFH indes der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen und auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG verwiesen. Das Argument der Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten/Betriebsausgabe einerseits und im Rahmen des Existenzminimums andererseits trägt dabei nur begrenzt, wie die berufliche (Mit-)Veranlassung gerade nicht bestritten wird.

Nicht zuletzt im Zuge der Überlegungen des Gesetzgebers, den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in sachlich getrennte Teilbeträge aufzuteilen, sollte die Frage gestellt werden, ob Anzüge, Krawatten etc. in heutiger Zeit nicht ebenso als „typische Berufskleidung“ qualifizieren. Mögen diese Textilien im frühen vorigen Jahrhundert noch zum alltäglichen Straßenbild gehört haben, ist eine derartige Kleidung heute doch eher einer „berufstypischen Klientel“ zuzuordnen. Wer legt denn bitte daheim seine „Hauskrawatte“ um oder geht mit seinem „Dunkelgrauen“ zum Bäcker oder zum Bundesligaspiel? Von eher seltenen feierlichen Anlässen wie Hochzeiten oder auch Beerdigungen abgesehen, dürften die meisten Anzüge und Krawatten doch eher ausschließlich beruflichen Einsatz finden. Mittels eines „Anzug-Fahrtenbuchs“ gelänge der Nachweis untergeordneter privater (Mit-)Benutzung sicher spielend. Inwieweit das Gleichbehandlungsgebot Frauen ein „Kostüm-Buch“ eröffnet oder hier sachliches Differenzierungspotenzial besteht, vermag an dieser Stelle nicht mehr geklärt zu werden, denn „de Zoch kütt“.

In diesem Sinne: ein dreifach „Kölle Alaaf!“

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