Wie lange wird es den Solidaritätszuschlag noch geben?


Das FG Niedersachsen hält den zusätzlich zur  Einkommen- und Körperschaftsteuer erhobenen Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig  und hat das Gesetz dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt (Az.: 7/143/08). Es begründet seine Vorlage im Wesentlichen damit, dass der Solidaritätszuschlag nur ergänzend und das auch nur für eine begrenzte Zeit („vorübergehend“) zur Einkommensteuer hinzutreten dürfe, da es sich im Gegensatz zu den übrigen Steuern um ein Finanzierungsmittel für Ausnahmefälle handle. Als reguläres und dauerhaftes Finanzierungsinstrument sei der Solidaritätszuschlag, der in der Sprache der Finanzverfassung eine Ergänzungsabgabe ist, verfassungsrechtlich nicht zulässig. Diese Bedenken sind – auch wenn sie bislang von anderen Finanzgerichten nicht geteilt werden – nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen.

Der Solidaritätszuschlag wird seit dem 1. 1. 1995 zur Finanzierung der deutschen Einheit in Höhe von 5,5% (vor 1998: 7,5%) der (vereinfacht) Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld erhoben. Er ist also keine selbständige Steuerart, sondern eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, die nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG allein dem Bund  zusteht. Er dient der temporären Deckung eines akuten Fehlbedarfs des Bundes, muss aber nach Auffassung des BVerfG nicht befristet sein. Dieses hat noch im Jahre 2008 eine vom Bund der Steuerzahler unterstützte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 11. 2. 2008 – 2 BvR 1708/06). Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, da der Senat seine Ablehnung nicht begründet hat.

Wer davon ausgeht, das Verfassungsgericht werde drei oder vier Jahre später auch nicht anders entscheiden als im Jahre 2008, macht es sich möglicherweise zu einfach.  Denn es war nie das Verständnis des Gerichts, dass eine Ergänzungsabgabe dauerhaft zur Erhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer hinzutreten darf. Vielmehr kann man der Rechtsprechung des BVerfG entnehmen, dass sie im Gegensatz zu diesen Steuern irgendwann auslaufen muss.

Das BVerfG hat im Jahre 1972 entschieden, dass der Bund nicht berechtigt ist,  „unter der Bezeichnung  ‚Ergänzungsabgabe‘ eine Steuer einzuführen, die den Vorstellungen widerspricht, die der Verfassungsgeber erkennbar mit dem Charakter einer solchen Abgabe verbunden hat“. Die Vorstellung dieser zusätzlichen „Steuer vom Einkommen“ war aber stets, dass sie das kunstvoll in der Finanzverfassung austarierte Steuerverteilungssystem nicht dauerhaft zu Lasten der Länder verändern sollte. Strukturell gestiegener Finanzbedarf des Bundes muss über eine Änderung des Finanzausgleichsystems selbst und nicht über eine Ergänzungsabgabe gedeckt werden,  die entstehungsgeschichtlich dazu bestimmt war, temporäre Bedarfsspitzen des Bundes (und früher des Reiches) auszugleichen. Dieser entstehungsgeschichtlich klar nachweisbare Ausnahmecharakter der Ergänzungsabgabe erfordert zwar – das hat das BVerfG klargestellt – keine zeitliche Befristung der Ergänzungsabgabe, aber er steht doch einer zeitlich unbegrenzten Erhebung eindeutig entgegen. Dazu kommt das bereits genannte verfassungssystematische Argument: Die dauerhafte Erhebung einer Ergänzungsabgabe anstelle der – ebenfalls möglichen – normalen Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer führt zu erheblichen Mindereinnahmen der Länder und verzerrt so die verfassungsrechtlich vorgegebene Ertragsverteilung. Wenn aber keine zeitlich unbegrenzte Erhebung des Solidaritätszuschlags möglich ist, wann sollte er, wann muss er von Verfassungs wegen auslaufen?

Darüber kann nur das BVerfG  Auskunft geben, das im Jahre 2008 den Solidaritätszuschlag offenbar noch nicht im „zeitlich kritischen“ Bereich sah. Aber irgendwann wird es den Zeitpunkt bestimmen müssen, der ein Eingreifen erforderlich macht, sollte der Gesetzgeber nicht von sich aus die Aufhebung beschließen.

Nehmen wir an, das BVerfG entscheidet über die Vorlage des FG Niedersachsen im Jahre 2012, dann ist der Solidaritätszuschlag mehr als 17 Jahre erhoben worden; er ist zu Dauerabgabe, nämlich zu einer zusätzlichen Einkommen- und Körperschaftsteuer mutiert,  was die Finanzverfassung nicht zulässt. Es läge auf der Linie der Rechtsprechung des BVerfG, dass es sich dieser Mutation entgegenstellt. Es wird dann vermutlich dem Gesetzgeber eine Frist setzen, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob er den Zuschlag aufheben  oder ob er ihn dauerhaft in das Einkommen-und Körperschaftsteuergesetz integrieren will, was ganz einfach zu einer Erhöhung der Steuersätze führen würde. Angesichts der Kassenlage braucht man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Alternative der Gesetzgeber wählen wird. Allerdings wird der Bund  der Verlierer sein, denn das Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer muss er sich mit den Ländern und Gemeinden teilen. Aber gerade das spricht ja dafür, den Zustand der Durchbrechung des von der Verfassung vorgesehenen  Systems der regulären Ertragsverteilung nun endlich zu beenden.

Alle Kommentare [7]

  1. Für den Solidaritätszuschlag, ist die Zeit abgelaufen, er muß ersatzlos aufgehoben werden. Wer nach fast 17 Jahren immer noch glaubt, er wird im Osten noch benötigt liegt falsch. Das viele Geld was die letzten Jahre in den Osten geflossen ist, ist zum größten Teil zweckentfremdet verschwunden. Daher meine Forderung, Abschaffung des Solidaritätszuschlag, sofort.
    Danke

  2. Was wird hier wieder für eine Scheindebatte geführt? Das das Geld für alles mögliche verwendet wird, ist doch klar.
    Wenn wir nun diesen Zuschlag abschaffen, wird eben was neues eingeführt. Möglicherweise bei dieser Regierung wieder als Abgabe für die unteren und mittleren Einkommensschichten. Wie der Soli auch. Wer hohe Einkommen hat, hat auch die Möglichkeiten, diese arm zu rechnen. Und den Soli damit auch.

    Es geht also nicht um die Einnahmen – wir müssen über die Ausgaben sprechen: 16 deutsche Kleinnstaaten, ein undurchsichtiges Rechtssystem das zahllose Gerichte (wie in diesem Fall) und Anwälte verlangt, Beamtentum ansich usw. Wenn das alles reduziert wird, verringern sich auch die Steuern, egal ob sie Soli oder anders heißen.

  3. Im Übrigen, die Gelder Aufbau Ost flossen zum großen Teil zurück in den Westen.
    Die Gelder in die neuen Länder wurden als Transferleistungen bezeichnet, die in die armen Westländer als Länderfinanzausgleich.

    Die Bezeichnung Soli entspricht etwas dem Prinzip „Teile und herrsche“. Man kann so leicht erzählen, es seine Solidaritätsleistungen für den Osten, und der Westbürger kann schön schimpfen über die Ossis. Die meisten glauben es. Noch ein paar Verschwendungsbeispiele aus dem Osten (die es im Westen mind. genauso gäbe) und man hat einen großen teil des Wahlvolkes auf seiner Seite.
    Aber die A9 lief in Bayern auch unter Aufbau Ost – so eng wird das nicht gesehen. Alle Ost-West-Verbindungsautobahnen waren natürlich Aufbau Ost.
    Die einzige auf rein sächsischem Gebiet befindliche Autobahnprojekt Aufbau Ost ist übrigens der Ausbau der A72 Chemnitz-Leipzig und ist 20 Jahre nach der Wende immer noch nicht fertig. Das noch zu Prioritäten.

  4. Dr. Balke die 738.
    Klappe und action

    Wie oft will er denn noch mit der Forderung der Abschaffung des Solis oder anderer zweifelhafter Rechtsstreitigkeiten vor das BVerfG ziehen und scheitern? Der Finanzrichter wird langsam unglaubwürdig.

  5. Ich finde nicht, dass Herr Dr. Balke sich unglaubwürdig macht.
    Er tritt für das ein, an dass er glaubt und kämpft dafür.
    Was ist daran unglaubwürdig? Ich finde, das ist aller Ehren wehrt.

  6. Hallo,

    bei der Recherche zur Aktuellen Krise bin ich auf diesen Artikel gestoßen. Wie in der Pointe des Artikels zu lesen, kann man den Sachverhalt drehen und wenden wie man möchte. Um die Zahlung des Soli werden wir wohl nicht mehr herum kommen. Sollte das BVerG darüber entscheiden, wird kurzerhand eine Umlegung bzw. Umbenennung der Abgaben vollzogen. Also drehen wir uns im Kreis.

    Es liegt an uns Bürgern uns gegen diese Willkür zu wehren. Gleiches Recht für Alle? Hier wäre ein guter Ansatzpunkt um anzufangen… Und das nach so vielen Jahren. Die deutscher Einheit jährt sich heute zum 21. Mal, es wird Zeit!

    mfg,
    Yannick