Im Regelungssystem des derzeit geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes werden Unternehmensnachfolgen in besonderem Maße privilegiert. Wird unternehmerisches Vermögen (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, inländisches Betriebsvermögen, Anteile an KapGes. von mehr als 25%) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder von Todes wegen auf die nächste Generation oder einen Dritten übertragen, können weitgehende steuerliche Begünstigungen in Anspruch genommen werden. Geknüpft an bestimmte Bedingungen bleiben im Grundsatz 85% des unternehmerischen Vermögens von der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer verschont (Regelverschonung), auf Antrag kann unter bestimmten engen Voraussetzungen alternativ eine vollständige Steuerverschonung erreicht werden (Optionsverschonung). Nach der Konzeption des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes unterliegt die Inanspruchnahme der Verschonungsregeln strengen Behaltens- bzw. Fortführungsvoraussetzungen, mit denen der Erhalt von Arbeitsplätzen gesichert werden soll.
Aktuell hat das BMF ein Gutachten seines Wissenschaftlichen Beirats zur „Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer“ veröffentlicht, das die derzeit geltenden Verschonungsregeln für unternehmerisches Vermögen unter primär volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten auf den Prüfstand stellt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die weitreichenden Vergünstigungen bei Unternehmensnachfolgen nicht gerechtfertigt werden können und in Zukunft vollständig abgeschafft werden sollen. Gleichzeitig sollen die Freibeträge maßvoll reduziert werden. Motive zur Abschaffung der Verschonungsregeln und Reduzierung der Freibeträge seien, den gesetzlich veranlassten Druck zur Nutzung von Steuergestaltungsmöglichkeiten abzumildern und auf diese Weise Anreize zu ausschließlich steuerlich motivierten Gestaltungen zu Lasten von wirtschaftlich vernünftigen Nachfolgeentscheidungen zu beseitigen.
Als Ausgleich für die umfassende Verbreiterung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage empfiehlt der Wissenschaftsbeirat, die Steuersätze erheblich zu senken. Sofern unterschiedliche Steuersätze in den drei Steuerklassen beibehalten werden sollen, ließen sich beispielsweise lineare Steuersätze in den Steuerklassen I, II und III von 8,5%, 9,0% und 13% implementieren. Diese versprächen für jede Steuerklasse die Steuereinnahmen des VZ 2008. Der erhöhten Liquiditätsbelastung unternehmerischen Vermögens mit Erbschaft- und Schenkungsteuer sei durch eine optionale Steuerstundungsmöglichkeit Rechnung zu tragen, die sich als ausreichendes Mittel zur Sicherung von Unternehmen und Arbeitsplätzen erweisen würde. Der Wissenschaftsbeirat betont abschließend, dass dem Gesetzgeber in der Vergangenheit bei einigen Steuern mitunter „mutige Schritte“ hin zu einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage in Kombination mit niedrigen Steuersätzen gelungen seien, weshalb ein solcher Weg auch für die Erbschaftsteuer beschritten werden sollte.
Die Ausweitung der steuerlichen Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Einführung von niedrigeren Steuersätzen erinnert an die seinerzeit im Jahre 1983 erfolgte bundeseinheitliche Reformierung des Grunderwerbsteuerrechts. Auch damals ließ sich der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Erwägung leiten, dass der Wegfall der bis dato bestehenden Vielzahl von Steuervergünstigungen und die Herabsetzung des Steuersatzes von 7% auf 2% das Steueraufkommen nicht wesentlich ändern würden. Realiter offenbarte sich indes, dass die Ausweitung der Steuerbemessungsgrundlage zu erheblichen fiskalischen Mehreinnahmen führte. Zusätzlich ist der Steuersatz in den letzten Jahrzehnten im Rahmen des JStG 1997 auf 3,5% und schließlich – seitdem die Länder die Steuersatzautnomie für die Grunderwerbsteuer zugewiesen bekommen haben (vgl. Art. 105 Abs. 2a GG) – in einzelnen Bundesländern auf bis zu 5% erhöht worden, was offensichtlich ausschließlich fiskalischen Motiven geschuldet war und die Grunderwerbsteuer wieder zu einem ernstzunehmenden Faktor bei Grundstücksübertragungen hat werden lassen.
Vor diesem Hintergrund von „mutigen Schritten“ zu sprechen erscheint richtig, erfolgreich waren diese im Ergebnis allerdings nicht. Einer erweiterten Steuerbemessungsgrundlage standen im Ergebnis Erhöhungen des Steuersatzes gegenüber, die erhebliche Liquiditätsbelastungen zur Folge hatten. Die historische Entwicklung im Rahmen der Grunderwerbsteuer zeigt, dass der Gesetzgeber im Falle einer Erbschaftsteuerreform auf Basis der gutachterlichen Überlegungen des Wissenschaftsbeirats diese ebenfalls nutzen könnte, um unter dem Deckmantel einer propagierten Aufkommensneutralität schließlich doch wieder Steuermehreinnahmen zu generieren.
Insgesamt sollten Beraterschaft und Unternehmer das Gutachten des Wissenschaftsbeirats zu Reformüberlegungen der Erbschaftsteuer zum Anlass nehmen, die eingangs dargestellten Verschonungsregeln für unternehmerisches Vermögen zu nutzen und die hierfür erforderlichen Schritte einzuleiten. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass in naher Zukunft eine erbschaft- und schenkungsteuerfreie Unternehmensnachfolge in der jetzigen Form nicht mehr möglich sein wird.