Abfärbung und Infektion sind Begriffe, die der steuerrechtlich nicht so Bewanderte eher selten mit dem Steuerrecht in Verbindung bringt, sondern eher im Haushalt oder beim Arzt verortet. Während man diese Dinge im normalen Leben mit ein wenig Umsicht recht erfolgreich vermeiden kann, hält das Steuerrecht insoweit subtile Fallstricke bereit.
Unter gewerblicher Abfärbung oder Infektion versteht man im Steuerrecht Folgendes: Wenn eine PersGes. verschiedene Tätigkeiten ausübt, die teils gewerblich und teils nicht gewerblich sind, dann wird für steuerliche Zwecke unterstellt, dass sämtliche Tätigkeiten gewerblich sind. Interessanterweise gilt dies allerdings nicht für natürliche Personen. Bei diesen werden die Tätigkeiten getrennt beurteilt.
Bedeutung erlangt diese Frage vor allem bei Freiberuflersozietäten sowie vermögensverwaltenden PersGes., wie z. B. Fonds- oder Familiengesellschaften.
Als Grund für diese Sonderbehandlung von PersGes. werden angeblich bestehende Schwierigkeiten angeführt, bei einer PersGes. Einkünfte unterschiedlicher Einkunftsarten zu ermitteln. In der Tat können in Grenzbereichen Schwierigkeiten bestehen, gewerbliche von freiberuflichen Einkünften oder von Einkünften aus privater Vermögensverwaltung abzugrenzen. Diese Schwierigkeiten sind aber sachlich begründet und nicht so sehr in dem Umstand, dass die Einkünfte von derselben Person erzielt werden. Es ist daher nicht einsichtig, warum das, was bei natürlichen Personen geht, nicht auch bei PersGes. möglich sein soll.
Während die gewerbliche Abfärbung bzw. Infektion bei Freiberuflersozietäten aus einkommensteuerlicher Sicht praktisch keine nachteiligen Folgen hat, kann es bei vermögensverwaltenden PersGes. ggf. zu einer gewissen Schlechterstellung kommen. Insbesondere im Bereich der Kapitaleinkünfte kommt bei gewerblicher Abfärbung bzw. Infektion der normale progressive Steuersatz (bis zu 45%) anstelle des Abgeltungsteuersatzes (25%) zur Anwendung.
Interessant wird es aber, wenn man den Blick auf das GewSt-Recht erweitert. Denn gewerbliche Einkünfte unterliegen zusätzlich der GewSt – freiberufliche Einkünfte und Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung hingegen nicht. Als weiteres Argument für die gewerbliche Abfärbung bzw. Infektion wird daher auch die Sicherung des GewSt-Aufkommens für die Abfärbung bzw. Infektion ins Feld geführt. Bei näherem Hinsehen erweist sich aber gerade dieses Argument als eher dünn. Denn wenn Einkünfte ihrer Natur nach nicht gewerblich sind, kann kein GewSt-Aufkommen gefährdet sein.
Im Ergebnis ist die Abfärbe- bzw. Infektionsregelung damit ein Instrument, um ein GewSt-Mehraufkommen zu generieren, und zwar einseitig zu Lasten von PersGes. Das führt zu einer nicht unerheblichen Zahl von Streitfällen, die vor den Gerichten ausgetragen werden.
Das BVerfG ficht all dies nicht an. Es hat mehrfach entschieden, dass die Infektionsregelung verfassungskonform sei. Die FG sind da etwas kritischer. Nimmt man das Gesetz wörtlich, so genügt bereits eine geringfügige gewerbliche Betätigung, um eine gewerbliche Abfärbung bzw. Infektion herbeizuführen. Hier hat der BFH schon vor geraumer Zeit eine Art de-minimis-Regelung eingeführt – gegen den Gesetzeswortlaut und gestützt auf das verfassungsrechtlich verbürgte Übermaßverbot.
Allerdings lässt sich insoweit nur schwer eine konkrete Untergrenze bestimmen, weshalb auch diese „Regelung“ streitanfällig ist. So hatte das FG Köln jüngst den Fall eines Künstler-Duos zu entscheiden, das aus seiner künstlerischen, d. h. freiberuflichen, Tätigkeit Umsätze von 216.000 € und daneben aus dem (gewerblichen) Verkauf von CDs 5.000 € erzielte. Die Finanzverwaltung wollte umstandslos den gesamten Gewinn aus beiden Tätigkeiten der GewSt unterwerfen. Das FG Köln lehnte dies dem unter Verweis auf die de-minimis-Regel ab. Das letzte Wort in diesem Fall hat allerdings der BFH, weil das FA Revision eingelegt hat.
Was ist zu tun? Die Regelung zur gewerblichen Abfärbung bzw. Infektion ist ein Anachronismus – ebenso wie die GewSt selbst. Beides gehört abgeschafft. Es ist nicht recht einsichtig, warum die Gewerbetreibenden hier gegenüber anderen Stpfl. benachteiligt werden. Nun werden natürlich sofort die Befürworter der GewSt die Finanzierung der chronisch klammen Kommunen ins Spiel bringen. Zutreffend ist daran, dass der Gesetzgeber für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen sorgen muss. Das verlangt auch das GG. Das GG zementiert aber nicht die doch recht archaische GewSt und damit letztlich auch die gewerbliche Abfärbung bzw. Infektion. Warum sollen kommunale Finanzlasten einseitig nur von Gewerbetreibenden getragen werden? Hier wäre eine echte Gemeindefinanzreform erforderlich, die die Abschaffung der GewSt und die Schaffung einer alternativen Gemeindefinanzierung zum Ziel hat, z. B. durch einen kommunalen hebesatzabhängigen Zuschlag zur ESt und KSt. Dass damit alle Probleme des Steuerrechts gelöst werden, wird niemand ernsthaft behaupten. Aber es wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem einfacheren und gerechteren Steuersystem.