Bei der erbschaftsteuerlichen Poolung von Anteilen an einer KapGes., bei der nicht genutzte (steuerliche) Verluste oder ein Zinsvortrag bestehen, stellt sich die Frage, ob der Abschluss des Poolvertrags zum (ggf. anteiligen) Untergang dieser Steuerpositionen führen könnte (§ 8c KStG). Im Fachschrifttum wird die Frage zwar überwiegend mit nein beantwortet. Die Finanzverwaltung scheint eine (ggf. anteilige) Verlust- und Zinsvortragsvernichtung bei Abschluss eines Poolvertrags jedoch zumindest im Einzelfall für möglich zu halten. Die Thematik ist dem Vernehmen nach Diskussionsgegenstand einer verwaltungsinternen Arbeitsgruppe, erfahrungsgemäß werden verbindliche Auskünfte mit Blick auf die anhängige Bund-Länder-Abstimmung gegenwärtig nicht erteilt. Dazu die folgenden Überlegungen aus Beratersicht.
Ausgangsüberlegung: „Erbschaftsteuerschutz“ lieber heute als morgen
Die Vererbung der Anteile eines Gesellschafters an einer KapGes. (z. B. 10%-Beteiligung von X an Holding-GmbH) kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen „erbschaftsteuerfrei“ erfolgen. Die Erben sind in diesem Fall z. B. nicht gezwungen, der Gesellschaft Liquidität zwecks Zahlung von ErbSt zu entziehen. Eine steuerbegünstigte Vererbung der Anteile setzt u. a. voraus, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Vererbung am Nennkapital der Gesellschaft zu mehr als 25% unmittelbar beteiligt war (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG). Sofern dies nicht der Fall ist, kann der Gesellschafter (= Erblasser) durch Abschluss eines Poolvertrags mit anderen Gesellschaftern eine begünstigte Beteiligung „herstellen“ (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG; z. B. X schließt Poolvertrag mit den Gesellschaftern A und B, danach sind z. B. 30% der Holding-GmbH-Anteile gepoolt). Da Gevatter Tod seinen Besuch bekanntlich nicht ankündigt, empfiehlt sich – unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände – der kurzfristige Abschluss eines Poolvertrags (Herstellung von ErbSt-Schutz).
Problem: Abschluss des Poolvertrags könnte nicht genutzte steuerliche Verluste und einen Zinsvortrag der Gesellschaft zerstören
Nach einem BMF-Schreiben könnte der Abschluss eines (erbschaftsteuerlichen) Poolvertrags ein sog. vergleichbarer Sachverhalt i. S. des § 8c Abs. 1 KStG sein (BMF-Schreiben vom 4. 7. 2008, BStBl. I 2008 S. 736 = DB 2008 S. 1598, Tz. 7). Danach könnte der Abschluss des Vertrags den (ggf. anteiligen) Untergang nicht genutzter Verluste oder eines Zinsvortrags der Gesellschaft zur Folge haben (z. B. könnten nicht genutzte Verluste der Holding-GmbH i. H. von 30% untergehen). Da die Bestätigung einer steuerlichen Unschädlichkeit des Vertragsabschlusses durch Einholen einer verbindlichen Auskunft gegenwärtig auszuscheiden scheint, muss das skizzierte Transaktionsrisiko auf andere Weise vermieden werden. In Abhängigkeit von den Einzelumständen kommen (alternativ) u. a. folgende Gestaltungsansätze in Betracht:
– Nutzung der Stille-Reserven-Klausel des § 8c Abs. 1 Satz 6-9 KStG: Sind bei der Gesellschaft, deren Anteile durch einen Poolvertrag gepoolt werden, steuerliche stille Reserven vorhanden, kommt eine Nutzung der Stille-Reserven-Klausel des § 8c Abs. 1 Satz 6-9, § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG in Betracht. Ein möglicher Untergang nicht genutzter Verluste oder eines Zinsvortrags durch Abschluss eines Poolvertrags würde nach dieser Regelung vermieden, wenn – stark vereinfacht dargestellt – die Gesellschaft über stille Reserven i. H. eines z. B. nicht genutzten Verlustes verfügt. Da nur sog. steuerpflichtige stille Reserven berücksichtigt werden, sind ggf. Umstrukturierungsmaßnahmen vor Abschluss des Poolvertrags erforderlich, durch die steuerfreie in steuerpflichtige stille Reserven umgewandelt werden (z. B. ertragsteuerneutrale Verschmelzung von Tochter-GmbH mit steuerpflichtigen stillen Reserven auf Holding-GmbH, an der die zu vererbenden Anteile bestehen).
– Übertragung der Anteile auf eine (gewerbliche) PersGes. zwecks Vermeidung der Erforderlichkeit eines Poolvertrags: In Abhängigkeit von den Gegebenheiten kommt eine Übertragung der zu vererbenden Beteiligung auf eine bestehende (gewerbliche) PersGes. in Betracht (z. B. X überträgt seine 10%-Beteiligung auf eine KG, die bereits zu 20% an der Holding-GmbH beteiligt ist). Vererbt wird in diesem Fall eine erbschaftsteuerlich begünstigte KG-Beteiligung, der Abschluss eines Poolvertrags ist bei Vorliegen einer über 25%-Beteiligung der KG an der GmbH nicht mehr erforderlich. Es ist darauf zu achten, dass der Erwerb der GmbH-Anteile durch die KG nicht die Rechtsfolgen des § 8c KStG auslöst. Ein solcher schädlicher Beteiligungserwerb läge z. B. vor, wenn die KG innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% der GmbH-Anteile erwirbt.
– Aufstockung der problembehafteten Beteiligung durch disquotale Kapitalerhöhung zwecks Vermeidung der Erforderlichkeit eines Poolvertrags: Weiterhin denkbar ist eine Aufstockung der problembehafteten Beteiligung auf über 25% im Rahmen einer (disquotalen) Kapitalerhöhung (z. B. Y stockt seine Beteiligung von 23% im Rahmen einer Kapitalerhöhung ertragsteuerneutral auf 25,1% mit Zustimmung der Mitgesellschafter auf; Beteiligungsquoten der Mitgesellschafter sinken). Eine begünstigte Vererbung der Beteiligung ist danach aufgrund des Vorliegens einer erbschafsteuerlichen Mindestbeteiligung auch ohne Abschluss eines Poolvertrags möglich. Auch bei dieser Transaktion ist darauf zu achten, dass die disquotale Kapitalerhöhung nicht die Rechtsfolgen des § 8c Abs. 1 KStG auslöst (vgl. § 8c Abs. 1 Satz 4 KStG).
– Abschluss eines Poolvertrags aufschiebend bedingt auf den Todesfall eines Poolmitglieds? Für die Entfaltung der erbschaftsteuerlichen „Begünstigungswirkung“ eines Poolvertrags genügt es, wenn der Poolvertrag (unmittelbar) vor dem Tod des Erblassers abgeschlossen wird. Wird ein Poolvertrag aufschiebend bedingt auf das Versterben eines Poolmitglieds abgeschlossen, wird er (für alle Poolmitglieder) erst wirksam, wenn ein Poolmitglied verstirbt (z. B. X verstirbt am 18. 3. 2013, erst zu diesem Zeitpunkt wird der Vertrag wirksam; denkbar: aufschiebende Bedingung, die an die Höhe einer bestimmten Steuerposition der Gesellschaft anknüpft). Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass in diesem Fall gepoolte Anteile in den Händen des Erblassers (im Zeitpunkt seines Todes) vorliegen. Die Erben würden als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers in den Poolvertrag eintreten, der Übergang der Anteile sollte begünstigt sein. Die (mögliche) „verlustzerstörerische“ Wirkung dürfte der Vertrag erst in diesem Zeitpunkt entfalten, möglicherweise bestehen bei der Gesellschaft in diesem Zeitpunkt (z. B. 18. 3. 2013) jedoch keine Verluste mehr (zwischenzeitliche Verlustnutzung).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das skizzierte (mögliche) Risiko eines (ggf. anteiligen) Untergangs nicht genutzter Verluste und eines Zinsvortrags bei Abschluss eines Poolvertrags trotz Auskunftssperre der Finanzverwaltung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen oder durch entsprechende Maßnahmen eingegrenzt werden kann. Fair wäre es indes, wenn die Verwaltung – ungeachtet einer gegenwärtigen verwaltungsinternen Abstimmung – (positive) verbindliche Auskünfte zu der (von ihr selbst aufgeworfenen) § 8c KStG-Thematik erteilen würde. Der Abschluss eines erbschaftsteuerlichen Poolvertrags ist kein Anwendungsfall von § 8c KStG!
(Zitiervorschlag: von Freeden, Steuerboard DB0471752)