Vorzeitiges Ende eines Gewinnabführungsvertrags steuerlich gefährlich

RA/FAStR/StB Dr. Wolfgang Walter, Geschäftsführer MAZARS Tax GmbH, Stuttgart

Gewinnabführungsverträge werden nur zur Steuerersparnis geschlossen. Sonst würde niemand die Nachteile des Unternehmensvertrags in Kauf nehmen. Die vornehme Zurückhaltung der Zivilrechtler bezüglich des Vertragsabschlusses („in der Regel“, „vornehmlich“ aus steuerlichen Gründen) wird durch die steuerliche Praxis widerlegt. Wenn man die zahlreichen zivil- und steuerrechtlichen Fallgruben vermeidet, gelingt schnell und zuverlässig die steuerliche Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten innerhalb von Unternehmensgruppen. Trotz mancher berechtigter Kritik am geltenden Organschaftsrecht können viele große Unternehmen mit dem status quo bestens leben – man weiß, was man hat. Allerdings muss man sich auf mindestens fünf Jahre (Mindestlaufzeit) binden, wenn der Vertrag zur ertragsteuerlichen Organschaft führen soll. Was sich zunächst gut anlässt, kann bereits innerhalb dieser 5-Jahres-Frist schon wieder anders aussehen. Die Vertragsparteien wünschen dann ein schnelles Ende der Verpflichtung zur Gewinnabführung, häufig vor allem zum Schutz vor dem drohenden Verlustausgleich gegenüber der Organgesellschaft.

Kaufmännisch mag der Wunsch verständlich sein. Steuerlich droht Gefahr durch allzu formaljuristisches Verständnis eines aktuellen FG-Urteils. Die vorzeitige Beendigung des Vertrags ist nur dann unschädlich für die steuerliche Konsolidierung der abgelaufenen Organschaftsjahre, wenn ein sog. wichtiger Grund vorliegt. Im Steuerrecht versteht man darunter etwas anderes als im Zivilrecht. Zivilrechtlich kann z. B. bei beabsichtigter Veräußerung der Organbeteiligung ohne ausdrückliche vertragliche Regelung nach überwiegender Rechtsmeinung nicht aus wichtigem Grund gekündigt werden, steuerlich hingegen wäre nach Auffassung der Finanzverwaltung die vorzeitige Beendigung bei beabsichtigtem Verkauf unschädlich für die Einhaltung der Mindestlaufzeit und die Organschaft bliebe für die abgelaufenen Jahre wirksam.

Interessant ist dabei, dass Zivil- und Steuerrecht unter der Beendigung sowohl die Kündigung wie auch die einvernehmliche Aufhebung des Vertrags verstehen. Das ist nicht selbstverständlich, weil die Regelungen beider Rechtsgebiete nicht abgestimmt sind. Im Zivilrecht wird die Aufhebung im Hinblick auf die Einschränkungen bei der Kündigung ausdrücklich als das Mittel der Wahl hervorgehoben. Bei einer GmbH als Organgesellschaft – anders bei der AG – ist eine Aufhebung inzwischen sogar auf einen unterjährigen Stichtag vor Ende des Geschäftsjahrs zulässig. Das Problem kommt von der steuerlichen Seite, da es nach dem Gesetzeswortlauf nicht eindeutig ist, ob unschädlich für die bisher abgelaufenen Organschaftsjahre nur die Kündigung oder auch die Vertragsaufhebung ist. Die Finanzverwaltung war insoweit schon immer großzügig und hat in den Richtlinien über die Schwächen des Gesetzes hinweggesehen. Nun hat mit dem FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19. 10. 2011 – 12 K 12078/08, EFG 2012 S. 443, rkr.) erstmals ein Gericht bestätigt, dass maßgeblich für eine steuerlich unschädliche Beendigung eines Gewinnabführungsvertrags das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist und es nicht auf die Form der Beendigung ankommt. Damit wurde die einvernehmliche Aufhebung des Vertrags auch steuerlich als zulässig bestätigt. Es wurde ein weiterer Mosaikstein im Organschaftsrecht eingefügt, wobei derzeit wegen der offenen Diskussion um die Gruppenbesteuerung durchaus unklar ist, wie lange man sich mit diesen Feinheiten noch abzugeben hat.

I. Ü. aber ist das vorgenannte Urteil wenig erfreulich für die Rechtspraxis. Das hat mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des steuerlich „wichtigen Grundes“ zu tun. Die Finanzverwaltung hat sich dazu trotz ebenfalls unbestimmter Aussage wenigstens insoweit positioniert, als sie einen wichtigen Grund insbesondere in der Veräußerung oder der Einbringung der Organbeteiligung durch den Organträger, der Verschmelzung, Spaltung oder Liquidation des Organträgers oder der Organgesellschaft sieht. Mit dem Begriff „insbesondere“ bringt sie zum Ausdruck, dass es andere Fälle eines unschädlichen wichtigen Grundes für das vorzeitige Ende der Organschaft geben kann. Ich gehe davon aus, dass die gesetzliche Regelung genug Spielraum für eine teleologisch extendierte Auslegung bietet und damit für alle Beendigungsgründe entsprechend anwendbar ist. Für die inzwischen häufig im Unternehmensvertrag selbst definierten Beendigungsgründe war das bislang hilfreich, da so der Weg zur steuerlichen Anerkennung eines wichtigen Grundes geebnet wird. Ich vertrete die Auffassung, dass es genügt, wenn der wirtschaftliche Grund für die Zurechnung des Organeinkommens beim Organträger entfallen ist. Andere Autoren greifen dies auf: Es komme v. a. auf kaufmännisch vernünftige Gründe an. Die Beendigung dürfe nicht willkürlich erscheinen, was erfordere, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geändert haben (Lange).

Die verwaltungsnahe Kommentierung sieht dies naturgemäß enger. Es könne zwar für zivilrechtliche, nicht jedoch auch für steuerliche Zwecke selbst bestimmt werden, was ein wichtiger Grund ist. Andererseits wird anerkannt, wenn sich bei fortbestehender Beteiligung die wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse so ändern, dass die Fortführung des Vertrags nicht mehr zweckmäßig erscheint. Beratungssicherheit sieht anders aus.

Steuerliche Probleme gab es in der Praxis in diesem Bereich bisher gleichwohl nicht, wenn die Beendigung nicht offensichtlich an den Haaren herbeigezogen war. Soweit erkennbar hat nun das FG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) erstmals zum „wichtigen Grund“ i. S. des Steuerrechts judiziert. War man nach dem zuerst verkürzt veröffentlichten Urteil noch geneigt, ein gewisses Verständnis für die Ablehnung eines wichtigen Grundes aufzubringen, bleibt davon nach der Lektüre des ganzen Tatbestands wenig. Die Organgesellschaft betrieb seit Längerem Umschlaggeschäfte mit einer Eisenbahn aufgrund eines Rahmenvertrags. 92% ihres Umsatzes erzielte sie mit einem Kunden. Gegen Ende des zweiten Organschaftsjahres kam es erstmals zum Streit mit dem Hauptkunden und der Gewinnabführungsvertrag wurde aufgehoben, da man die Kündigung des Rahmenvertrages und in der Folge nicht nur die Liquidation der Organgesellschaft, sondern auch um die Existenz der Gesellschaft fürchtete. Man berief sich auf kaufmännische Vorsicht nach einer Prognoseentscheidung. Das FG hingegen vermochte nur Unstimmigkeiten mit einem wichtigen Vertragspartner zu erkennen, die zwar zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Organgesellschaft hätten führen können, die das FG aber als unerheblich ansah, so lange diese nicht die Lebensfähigkeit des ganzen Konzerns bedrohten. I. Ü. wäre im Folgejahr noch immer Zeit zur Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags gewesen, abwarten wäre zumutbar gewesen.

Der Außenstehende staunt. Es ist nach dem bekannten Sachverhalt offenkundig, dass sich die wirtschaftlichen Umstände seit Beginn der Organschaft entscheidend geändert hatten, auch wenn die zivilrechtlichen Fakten durch Beendigung der Geschäftsbeziehung oder durch Schadensersatzansprüche noch nicht final geworden waren. Dass kaufmännische Vorsicht Handeln gebot, wird niemand bezweifeln. Wirtschaftliches Handeln hat Umstände unterhalb der Schwelle des zivilrechtlich Finalen und Korrekten zu beurteilen. So ist es im Handel oder im Automotivbereich selbstverständlich, dass ein großer Abnehmer unabhängig von laufenden zivilrechtlichen Verträgen die Konditionen zu seinen Gunsten verändert. Wenn der kleinere Vertragspartner existentiell vom anderen abhängig ist, kann der Unternehmer die Rechtskraft eines Urteils oder die realisierte Existenzgefährdung nicht abwarten. Das FG war anderer Ansicht. Es ist bedauerlich, dass es insoweit nicht zu einer höchstrichterlichen Klärung kam. Die Praxis hat diese Rechtsansicht vorsorglich zu berücksichtigen und ggf. zusätzliche Maßnahmen zur steuerlich unschädlichen Beendigung des Gewinnabführungsvertrags zu ergreifen.

(Zitiervorschlag: Walter, Steuerboard DB0471335)

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