Der Erwerb von mind. 95% der Anteile an einer KapGes., zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört (z. B. Immobilien-GmbH), unterliegt der GrESt (§ 1 Abs. 3 GrEStG). Die einer (geplanten) Transaktion anhaftende GrESt-Belastung stellt regelmäßig eine Realisierungshürde dar, eine Transaktionsstrukturierung erfolgt stets auch mit dem Ziel einer GrESt-Minimierung oder -vermeidung. Eine Möglichkeit, die Entstehung von GrESt bei einem Erwerb sämtlicher Anteile an einer Immobilien-GmbH zu vermeiden, könnte mit Blick auf eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des FG Köln die Nutzung einer „Ringbeteiligung“ sein (FG Köln, Urteil vom 30. 11. 2011 – 5 K 1542/09, DB0481055, Rev. nicht zugelassen; Nichtzulassungsbeschwerde wohl anh., Az. des BFH: II B 5/12).
Fall: Erwerb sämtlicher Anteile an einer Immobilien-GmbH
Ein Gesellschafter hält sämtliche Anteile an einer Immobilien-GmbH. Ein Erwerber (E) beabsichtigt den entgeltlichen Erwerb dieser Anteile. Der Erwerb der Anteile würde aufgrund einer Übertragung von mind. 95% der Anteile auf E GrESt auslösen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Um eine Steuerentstehung zu vermeiden, geht E – unter Heranziehen der Überle-gungen des FG Köln – wie folgt vor:
Im ersten Schritt errichtet E als Alleingesellschafter die Mutter-GmbH (M-GmbH), diese errichtet als Alleingesellschafterin die Tochter-GmbH (T-GmbH). Im zweiten Schritt veräußert E 10% seiner M-GmbH-Anteile an die T-GmbH. Nach diesem Schritt ist die M-GmbH unverändert zu 100% an der T-GmbH beteiligt, die T-GmbH hält 10% der Anteile an der M-GmbH, es besteht also eine „Ringbeteiligung“ zwischen der M- und T-GmbH. E ist nach diesem Schritt (nominal) nur noch zu 90% an der M-GmbH beteiligt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung könnte man allerdings die Auffassung vertreten, dass E als einziger „echter“ (außenstehender) Gesellschafter der M-GmbH weiterhin zu 100% an der Gesellschaft beteiligt ist, die Ringbeteiligung zwischen der M- und T-GmbH bliebe bei dieser Betrachtung unberücksichtigt. Im dritten Schritt erwirbt E vom Gesellschafter der Immobilien-GmbH 94% der Anteile an der Immobilien-GmbH, die M-GmbH erwirbt die restlichen 6%. Man könnte sagen, dass E bei wirtschaftlicher Betrachtung – unmittelbar (94%) und mittelbar über die M-GmbH (6%) – insgesamt 100% der Anteile an der Immobilien-GmbH erworben hat. Fraglich ist, ob das geplante Vorgehen GrESt auslösen würde.
Überlegungen des FG Köln: Keine GrESt, da E nicht mind. 95% der Anteile an der Immobilien-GmbH erwirbt
Bei Zugrundelegung der Überlegungen des FG Köln sollte die skizzierte Transaktion keine GrESt auslösen. E hat unmittelbar nicht mind. 95% der Anteile an der Immobilien-GmbH (sondern nur 94%) erworben. Die von der M-GmbH erworbenen Anteile an der Immobilien-GmbH (6%) werden E für GrESt-Zwecke nicht zugerechnet, da er nicht zu mind. 95% an der M-GmbH (sondern nur zu 90%) beteiligt ist. Das Vorliegen der Ringbeteiligung zwischen der M- und T-GmbH ist unbeachtlich. Eine Ringbeteiligung sei – so das FG Köln – auch nicht mit der Fallgestaltung „M-GmbH hält eigene Anteile“ vergleichbar.
In der Fallgestaltung „eigene Anteile“ würde die M-GmbH einen Teil der M-Anteile (z. B. 10%) selbst halten. Bei der Ermittlung der Beteiligungsquote von E an die M-GmbH blieben in diesem Fall die eigenen Anteile der M-GmbH (z. B. 10%). nach der Rspr. des BFH außer Betracht, d. h. die Beteiligungsquote von E würde (rechnerisch) für GrESt-Zwecke erhöht (z. B. von zivilrechtlich 90% auf wirtschaftlich 100%). Folge wäre, dass die Immobilien-GmbH-Beteiligung der M-GmbH (6%) dem E zugerechnet würde (Ergebnis: grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsübertragung auf E).
Beim geplanten Vorgehen hält die M-GmbH jedoch keine eigenen Anteile, sondern die T-GmbH hält die Anteile an ihrer Muttergesellschaft M-GmbH. Diese Ringbeteiligung kann für GrESt-Zwecke nicht unberücksichtigt bleiben, die Beteiligungsquote von E an der M-GmbH ist nicht rechnerisch auf 100% zu erhöhen. Eine Zurechnung der Immobilien-GmbH-Beteiligung von der M-GmbH (6%) an E erfolgt nicht. Die T-GmbH ist eine juristisch und wirtschaftlich selbstständige GmbH, die Gesellschaft verfolgt eigene Geschäftszwecke und verfügt über eigene Organe und eine eigene Willensbildung. Das Handeln der T-GmbH kann der M-GmbH nicht zugerechnet werden, die Anteile an der M-GmbH sind nicht wertlos in der Hand der T-GmbH. Eine Einziehung der M-Anteile seitens der M-GmbH ist ohne aktive Mitwirkung der T-GmbH nicht möglich. Eine Ringbeteiligung kann nicht mit eigenen Anteilen einer KapGes. gleichgesetzt werden, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise verbietet sich. I. Ü. – so das FG Köln – handele es sich bei der grunderwerbsteuerlichen Behandlung eigener Anteile im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG durch die BFH-Rspr. um eine Ausnahmeregelung, die nicht zu Lasten des Stpfl. ausgedehnt werden könne.
Nach meiner Auffassung ist die Entscheidung des FG Köln unter Berücksichtigung der streng zivilrechtlichen Betrachtung im GrESt-Recht richtig. Zutreffend ist aus meiner Sicht auch die Unterscheidung zwischen den Fallgruppen „Ringbeteiligung“ und „eigene Anteile“. Im Hinblick auf eine ausstehende BFH-Entscheidung dürfte die skizzierte Struktur in der Gestaltungspraxis allerdings nur mit „Risikohinweis“ einsetzbar sein, verbindliche Auskünfte dürfte die Verwaltung nicht erteilen.
(Zitiervorschlag: von Freeden, Steuerboard DB0481948)