Ein Schelm, wer meint, die Besteuerung erfolge in allen Bundesländern gleichmäßig. Bei der Lektüre eines aktuellen FG-Urteils (FG Niedersachsen, Urteil vom 10. 5. 2012 – 6 K 140/10, DB0481541) drängt sich der Verdacht auf, dass manches Mal bereitwillig ein Strohhalm ergriffen wird, selbst wenn man dabei die von der Finanzverwaltung selbst gesetzten Regeln überdehnt, um Organschaften scheitern zu lassen, weil eine steuerliche Verlustverrechnung als zu dreist erscheint. Allerdings dürfte die Hoffnung trügen, dass sich im anhängigen Revisionsverfahren beim BFH (Az. I R 45/12) eine Klärung ergibt.
Bereits im ersten Jahr einer Organschaft wurde das Geschäftsjahr verkürzt. Der Gewinnabführungsvertrag wurde dann nach nur einem Jahr und neun Monaten bereits wieder einvernehmlich aufgehoben. Das musste zum Widerstand reizen. Weil der Vertrag grds. mindestens fünf Jahre laufen muss, ist für die vorfristige Beendigung der Organschaft ein wichtiger Grund erforderlich, der nicht immer deckungsgleich mit dem zivilrechtlich wichtigen Grund ist, der zur Kündigung oder Aufhebung eines Gewinnabführungsvertrags berechtigt. Die Veräußerung der Organbeteiligung beispielsweise wird von der Finanzverwaltung allgemein als ein wichtiger Grund für die vorzeitige Aufhebung oder Kündigung des Vertrags akzeptiert. Anders das Zivilrecht, das insoweit strenger ist. Daher wird in heutigen Gewinnabführungsverträgen die beabsichtige Veräußerung als Grund für eine außerordentliche Beendigung des Vertrags definiert. Das ist Stand der Vertragskunst bei Gewinnabführungsverträgen. So auch in casu. Aber die Veräußerung erfolgte innerhalb des Konzerns. Als weiterer Grund wurde eine Rechtsänderung im Ausland angeführt, da wegen der Absenkung der dortigen Steuersätze eine Hinzurechnungsbesteuerung (CFC-Rules) drohte, wenn die Gesellschaft weiterhin Organgesellschaft in der Sparte gewesen wäre.
Das FA meinte, aus den KSt-Richtlinien ableiten zu können, dass die Veräußerung der Organbeteiligung nur dann ein wichtiger Grund sei, wenn diese an einen fremden Dritten erfolge. Sonst wäre eine willkürliche Einkommenszurechnung innerhalb des Konzerns möglich. Man berief sich auf zwei kurze Kommentaräußerungen, die das ohne Begründung postulieren. Das Niedersächsische FG (DB0481541) folgte dem FA. Es ergriff die vermeintliche Chance und definierte den wichtigen Grund als einen solchen ausschließlich im steuerrechtlichen Sinn. Es nimmt damit in Kauf, dass die inzwischen zum Standard in Gewinnabführungsverträgen gewordenen Ermächtigungen zur außerordentlichen Beendigung des Vertrags weitgehend leerlaufen. Es lehnt die Veräußerung im Konzern rundweg ab. Es lehnt des Weiteren die im ausländischen Steuerrecht basierten Gründe ab. Und es setzt dem Ganzen noch die Krone auf, indem es betont, dass ein Gericht an die norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften, mit denen man hier zwanglos von einem steuerlich wichtigen Grund hätte ausgehen können, sowieso nicht gebunden ist, was natürlich stimmt, aber letztlich die Intention erkennen lässt. Man hat also die vermeintlich günstige Gelegenheit ergriffen, neue Fakten im Organschaftsrecht zu schaffen, die in dieser Schärfe überraschen.
Das Postulat der schädlichen Veräußerung im Konzern erscheint weithergeholt. Ausländische steuerliche Rechtsänderungen im Inland zu negieren, dürfte gegen EU-Recht verstoßen. Damit aber nicht genug, denn leider dürfte der Kläger aus ganz anderen Gründen nicht zum Ziel kommen. Das haben FA und FG nicht berücksichtigt. Wenn ein Rumpfgeschäftsjahr eingelegt wird, wie hier bereits im ersten Organschaftsjahr, ohne die Mindestlaufzeit entsprechend zu verlängern, ist die fünfjährige Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrags nicht erfüllt, da nicht mehr fünf Zeitjahre umfasst sind, wie der BFH erst kürzlich in einem Grundsatzurteil bestätigt hat. Ausweislich des veröffentlichten Tatbestands des Urteils wurde der Vertrag nur auf fünf Jahre abgeschlossen und offenbar nicht angepasst. Deshalb dürfte im Ergebnis die Revision auch scheitern, aber der BFH bräuchte sich zu der unnötigerweise aufgeworfenen Frage des steuerlich wichtigen Grundes nicht zu äußern. Bedauerlich für den Kläger ist darüber hinaus, dass er sich wegen der nicht eingehaltenen Mindestlaufzeit auch keine Gedanken darüber zu machen braucht, ob er das FA wegen einer Nichtbeachtung der Richtlinienvorschrift und damit eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung in Haftung nimmt.
Für die Praxis ergibt sich die Folge, dass ohne Not unklarer geworden ist, was ein steuerlich wichtiger Grund ist und ob zivilrechtliche Regelungen hierzu noch irgendeine steuerliche Bedeutung haben.
(Zitiervorschlag: Walter, Steuerboard DB0483635)