Der Regierungsentwurf des JStG 2013 (BT-Drucks. 17/10000 und DB0476096) enthält u. a. Vorschläge zur Änderung der Besteuerungsregeln für ausländische Familienstiftungen (§ 15 AStG). Die Norm stellt im Grundsatz eine ertragsteuerliche Transparenz für ausländische Familienstiftungen (und Trusts) her. Deren Erträge werden einem im Inland ansässigen Stifter bzw. anderen inländischen Begünstigten auch im Fall der Thesaurierung entsprechend ihres „Anteils“ zugerechnet, während die Erträge einer inländischen Familienstiftung bei den Begünstigten erst im Zeitpunkt des Zuflusses der ESt unterliegen.
Die hieraus resultierende Ungleichbehandlung ist in Bezug auf Familienstiftungen im europäischen Ausland nicht zu rechtfertigen und daher europarechtswidrig. Mit Blick auf ein hierauf gestütztes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland hatte der Gesetzgeber daher mit dem JStG 2009 eine „Escape Klausel“ eingeführt. Eine Zurechnung von Erträgen einer Familienstiftung mit Geschäftsleitung oder Sitz im EU/EWR-Raum soll danach unterbleiben, wenn nachgewiesen wird, dass das Stiftungsvermögen dem Stifter bzw. den Begünstigten rechtlich und tatsächlich entzogen ist (§ 15 Abs. 6 AStG). Diese dürfen also auf die Stiftungsverwaltung keinen Einfluss haben und über das Stiftungsvermögen und dessen Erträge nach der Satzung und faktisch nicht mehr verfügen können. Gelingt dieser Nachweis, muss die Vermögenstrennung zwischen ausländischer Stiftung und Begünstigten anerkannt werden und eine Zurechnung von Erträgen unterbleibt.
Neue Zurechnungsregeln im Regierungsentwurf des JStG 2013
Der Regierungsentwurf des JStG 2013 (DB0476096) sieht verschiedene Änderungen des § 15 AStG vor. So soll den Begünstigten künftig nicht mehr das „Einkommen“ der Stiftung zugerechnet werden, welches nach h. A. nach körperschaftsteuerlichen Grundsätzen zu ermitteln ist (also ggf. auch unter Anwendung des § 8b KStG), sondern die „Einkünfte“, die bei natürlichen Personen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) gehören sollen (§ 15 Abs. 1, 11 AStG-E). Darüber hinaus zielt der Entwurf darauf ab, eine Zurechnung von Erträgen gem. § 15 AStG auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen „unterhalb“ der Stiftung weitere Körperschaften angesiedelt sind. Zum einen sollen der Stiftung alle „Zwischeneinkünfte“ einer ausländischen Gesellschaft i. S. des § 7 AStG zugerechnet werden, an welcher die Stiftung beteiligt ist (§ 15 Abs. 9 AStG-E; vgl. bislang schon Ziff. 15.5.3 des AStG-Anwendungserlasses). Hierdurch soll die Möglichkeit der Umgehung der Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) durch „Zwischenschaltung“ einer Stiftung ausgeschlossen werden (vgl. BT-Drucks. 17/10000 S. 83, DB0476096). Zum anderen sollen der Stiftung auch Einkünfte einer anderen ausländischen Familienstiftung zugerechnet werden, zu deren Begünstigtenkreis die Stiftung selbst zählt, wenn mit Blick auf diese weitere ausländische Familienstiftung nicht der Nachweis einer Vermögenstrennung (§ 15 Abs. 6 AStG) gelingt (§ 15 Abs. 10 AStG-E).
Verbunden werden diese Änderungsvorschläge mit einer Einschränkung der gemeinschaftsrechtlich gebotenen „Escape Klausel“ (§ 15 Abs. 6 AStG). Diese soll nicht eingreifen, soweit der Stiftung Einkünfte einer „Zwischengesellschaft“ oder einer anderen ausländischen Familienstiftung nach § 15 Abs. 9, 10 AStG-E zuzurechnen sind. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der europarechtlich gebotene Schutz vor der Zurechnung nicht auf Einkünfte ausgedehnt wird, für die kein entsprechender Anspruch besteht (vgl. BT-Drucks. 17/10000, S. 82, DB0476096).
Einschränkung des § 15 Abs. 6 AStG europarechtlich unzulässig
Die geplante Einschränkung der „Escape Klausel“ dürfte europarechtlich kaum zu rechtfertigen sein. Denn der durch § 15 Abs. 6 AStG derzeit gewährte Schutz soll partiell (für die der Stiftung ihrerseits zugerechneten Einkünfte) auch in Fällen versagt werden, in denen eine Vermögenstrennung zwischen Stiftung und Begünstigten im Grundsatz nachgewiesen ist. Kommt es insoweit zur Einkünftezurechnung bei den Begünstigten, so liegt eine Ungleichbehandlung gegenüber einer inländischen Familienstiftung vor, die unmittelbar an einer „Zwischengesellschaft“ (§ 7 AStG) beteiligt oder die selbst Begünstigte einer ausländischen Familienstiftung ist. Denn selbst soweit der inländischen Familienstiftung Erträge gem. §§ 7 ff. oder 15 AStG zuzurechnen sein sollten, schirmt die inländische Familienstiftung ihre Begünstigten bis zu einer Ausschüttung steuerlich ab.
Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Die Zurechnung von Erträgen einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Körperschaft ist nur zulässig im Fall rein künstlicher Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten Steuer zu entgehen (EuGH-Urteil vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04, Cadbury Schweppes, DB 2006 S. 2045). An einer „künstlichen Gestaltung“ fehlt es aber, wenn der Stifter bzw. die Begünstigten einer unwiderruflichen, voll diskretionären Stiftung die Vermögenstrennung nachweisen können. Insoweit besteht eine Trennlinie zwischen Stiftung und inländischen Begünstigten, die eine steuerliche „Abschirmung“ durch die Stiftung zur Folge hat. Dies muss aber auch gelten, soweit „unterhalb“ der Stiftung Strukturen bestehen, die aus steuerlicher Sicht als transparent zu werten sind. Eine fehlende Vermögenstrennung zwischen Stiftung und anderen Vermögensträgern kann nicht dazu führen, dass eine nachweisbar gegebene Vermögenstrennung zwischen der Stiftung und ihren Begünstigten partiell infrage gestellt werden kann.
Die Einschränkung der „Escape Klausel“ ist auch nicht zur Missbrauchsabwehr mit Blick auf die §§ 7 bis 14 AStG erforderlich. Denn selbst wenn die Beteiligung an einer ausländischen Zwischengesellschaft i. S. des § 7 AStG auf eine ausländische Familienstiftung übertragen wird, bezüglich der die Vermögenstrennung gem. § 15 Abs. 6 AStG nachgewiesen werden kann, kann es nicht zu der befürchteten „Umgehung“ der §§ 7 bis 14 AStG kommen. Ist eine Vermögenstrennung (§ 15 Abs. 6 AStG) gewährleistet, so ist nämlich die für §§ 7 bis 14 AStG charakteristische „Inländerbeherrschung“ der Struktur (Ausnahme: § 7 Abs. 6, 6a AStG) nicht gegeben. Mit der „Dispositionsherrschaft“ der Inländer über die Einkunftsquelle dürfte aber zugleich die Rechtfertigung für eine Hinzurechnungsbesteuerung entfallen. Insoweit kann auch von der in der Gesetzesbegründung angesprochenen „Zwischenschaltung“ einer Stiftung nicht die Rede sein. Denn eine Stiftung, auf welche der Stifter bzw. die Begünstigten keinen Einfluss nehmen können, kann nicht einem beliebigen Glied einer Beteiligungskette gleichgestellt werden. Zwischen Stiftung und Stifter bzw. Begünstigten ist die Kette vielmehr als durchbrochen anzusehen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Begünstigte häufig nicht einmal einen Informationsanspruch gegenüber der Stiftung hat. Die Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten hinsichtlich „seines Anteils“ an den Stiftungseinkünften ist dem Begünstigten daher vielfach gar nicht möglich.
Es wäre wünschenswert, wenn die geplante Einschränkung der „Escape Klausel“, deren Europarechtskonformität nicht zuletzt aufgrund der dem Stpfl. auferlegten Beweislast ohnehin schon fraglich ist (vgl. hierzu Hey, IStR 2009 S. 181 ff.), vor diesem Hintergrund noch im Gesetzgebungsverfahren kritisch überdacht würde.
(Zitiervorschlag: Escher, Steuerboard DB0484585)