Das Verzögerungsgeld wurde durch das Jahressteuergesetz 2009 als neue steuerliche Nebenleistung eingeführt und kann zwischen 2.500 und 250.000 € betragen. Es steht im Kontext zu der zum gleichen Zeitpunkt eingeführten Vorschrift des § 146 Abs. 2 a AO, der Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland. Nach dem Wortlaut von § 146 Abs. 2 b AO kann das Verzögerungsgeld aber nicht nur dann festgesetzt werden, wenn der Aufforderung zur Rückverlagerung einer elektronischen Buchführung in das Inland nicht nachgekommen wird sondern auch wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt.Diese Reichweite der Vorschrift ist in der Literatur allerdings umstritten. So vertritt insbesondere Drüen die Auffassung, auch die letztgenannten Pflichtverletzungen können nur dann mit einem Verzögerungsgeld belegt werden, wenn sie im Rahmen einer Buchführungsverlagerung nach § 146 Abs. 2 a AO stattfinden. In einer jüngst ergangenen und soweit ersichtlich ersten Entscheidung eines Finanzgerichts (FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.02.2010 – 3 V 243/09, EFG 2010 S. 686) hat sich das Gericht allerdings der weiten (Wortlaut-) Auslegung angeschlossen. Danach muss zumindest vorerst davon ausgegangen werden, dass das Verzögerungsgeld in jedem Fall einer Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen einer Außenprüfung verhängt werden kann. Es verwundert nicht, dass diese Auffassung auch vom Bundesfinanzministerium in einem am 22. 4. 2010 veröffentlichten Schreiben vertreten wird. Auch darüber hinaus lässt dieses Schreiben durchaus restriktive Tendenzen erkennen.
Zu beachten ist schließlich, dass ein verspätetes Nachkommen der Mitwirkungspflicht der Erhebung des Verzögerungsgeldes nicht entgegensteht. Die bereits zitierte FG-Entscheidung hat § 335 AO im Rahmen des § 146 Abs. 2 b AO ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt.
Zum Schutze einer (überraschenden) Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Rahmen einer Betriebsprüfung sollte der Steuerpflichtige in der Praxis deshalb darauf achten, dass die Finanzbehörden die angeforderten Unterlagen/Information möglichst genau beschreibt und gegebenenfalls hinreichend begründete schriftliche Fristverlängerungsanträge gestellt werden. Ebenso sollten gegen unangemessen kurze Fristen begründete Einwendungen erhoben werden. Sofern im weiteren Verlauf der Betriebsprüfung zusätzliche Unterlagen angefordert werden sollte der Steuerpflichtige darauf achten, dass dies in schriftlicher Form und ebenfalls unter angemessener Fristgewährung erfolgt. Nur so kann sich der Steuerpflichtige (gegebenenfalls in einem späteren Rechtsbehelfsverfahren gegen das Verzögerungsgeld) vor einer ungerechtfertigten Erhebung von Verzögerungsgeld schützen.
Bei einer Durchsicht der Abgabenordnung stellt man allerdings fest, dass den Finanzbehörden inzwischen ein bunter Strauß der verschiedensten Zwangsmittel zur Verfügung steht: Verspätungszuschlag bei nicht fristgerechter Einreichung von Steuererklärungen, Strafzuschläge (bis zu 1 Mio. €) bei Verletzung der Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 3 AO bei Auslandssachverhalten, Säumniszuschläge bei verspäteter Zahlung sowie das Zwangsgeld. Zugegebenermaßen benötigen die Finanzbehörden für die Durchführung ihrer Aufgabe einer gesetzmäßigen Steuererhebung Mittel, um diese im Ernstfall auch durchsetzen zu können. Allerdings sind diese Mittel in den letzten Jahren deutlich angewachsen und ermöglichen hohe Strafzahlungen. Den Finanzbehörden ist ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Zwangsmitteln “mit Augenmaß“ und im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraums zu empfehlen. Der Bürgernähe und die Anerkennung der staatlichen Notwendigkeit der Steuerfestsetzung und Erhebung wird eine voreilige Anwendung und der erhöhte Einsatz solcher Zwangsmittel erheblich schaden. Hierzu wäre es gut, wenn gerade das Bundesfinanzministerium in seinem Schreiben vom 22. 4. 2010 etwas mehr Zurückhaltung in der Anwendung des Verzögerungsgeldes gezeigt hätte.
Schließlich fällt auch auf, dass derartige “Zwangsmittel“ einseitig verteilt sind. Der Steuerbürger, der Monate auf eine Stellungnahme der Finanzbehörden zu Rechtsbehelfen, Betriebsprüfungen oder schlichten Änderungsanträgen wartet, hat kaum Möglichkeiten auf die Finanzbehörden Druck auszuüben. Jeder verantwortungsvolle Berater wird dem Steuerpflichtigen im Zweifel von einer Dienstaufsichtsbeschwerde abraten aus Sorge vor einer “Retourkutsche“. Hier würde nur eine Selbstverpflichtung der Finanzbehörden zur Beantwortung von Anträgen innerhalb (gesetzlich) vorgegebener Frist helfen. Dies ist in anderen Ländern durchaus üblich und Teil eines fairen Prozesses der Steuererhebung.