Über die Einführung einer steuerlichen Förderung von Investitionen in Forschung und Entwicklung wird weiterhin intensiv diskutiert. Zur Begrenzung der Steuerausfälle wird dabei erwogen, die Förderung auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu begrenzen, zumindest aber KMU eine prozentual höhere Förderung als großen Unternehmen zu gewähren. Von einer größenabhängigen Differenzierung der steuerlichen FuE-Förderung ist allerdings abzuraten. Vielmehr sollten Steuerausfälle alleine über die Festlegung der Höhe des Fördersatzes begrenzt werden.
Ordnungspolitisch ist eine staatliche FuE-Förderung aufgrund von Marktversagen gerechtfertigt. Im FuE-Bereich resultiert das Marktversagen aus Spillover-Effekten, Informationsasymmetrien und Unteilbarkeiten. Insbesondere KMU sind von asymmetrischen Informationen und daraus resultierenden Finanzierungsrestriktionen betroffen, weshalb gerade bei KMU gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Projekte häufig unterlassen werden. Vor diesem Hintergrund ließe sich eine Begrenzung der steuerlichen FuE-Förderung für KMU rechtfertigen. Hinzu kommen folgende empirische Tatbestände: Erstens reagieren kleine und mittelgroße sowie technologieintensive Unternehmen nachweislich besonders stark auf steuerliche FuE-Fördermaßnahmen und weisen hohe Zuwachsraten auf. Zweitens sind die derzeit in Deutschland aufgelegten staatlichen Förderprogramme unübersichtlich sowie mit einem hohen Bewerbungsaufwand und zahlreichen Offenlegungspflichten verbunden. Dies schreckt in erster Linie mittelständische Unternehmen ab. In den letzten Jahren haben sich nur 27% der KMU mit den Möglichkeiten einer FuE-Förderung beschäftigt; nur knapp die Hälfte stellte schließlich einen Förderantrag. Drittens wirkt die derzeitige FuE-Förderung hoch selektiv. Sie benachteiligt KMU gegenüber Großunternehmen, die eine um 250% höhere Förderwahrscheinlichkeit aufweisen.
Diese Gesichtspunkte rechtfertigen jedoch nicht den Ausschluss großer Unternehmen von einer steuerlichen FuE-Förderung. Erstens ist die steuerliche FuE-Förderung mittlerweile ein bedeutsames Instrument im zwischenstaatlichen Wettbewerb um die Ansiedlung von FuE-Aktivitäten multinationaler Unternehmen ist. Auch wenn multinationale Unternehmen aus der Sicht des Gesamtkonzerns ihr Gesamtvolumen an FuE-Aktivitäten durch eine spezifische steuerliche Förderung wohl kaum in nennenswertem Umfang erhöhen dürften und somit im rein nationalen Kontext die Gefahr von Mitnahmeeffekten besteht, ergibt sich bei grenzüberschreitender Betrachtung ein anderes Bild. Denn im zwischenstaatlichen Standortwettbewerb werden dadurch gerade bei multinationalen Unternehmen Anreize gesetzt, FuE-Aktivitäten, die ansonsten im Ausland durchgeführt werden, ins Inland zu verlagern bzw. dort zu belassen und somit den Anteil der nationalen FuE-Aktivitäten zu erhöhen. Welcher Effekt – Standortgesichtspunkte bei multinationalen Unternehmen oder Effizienzgesichtspunkte sowie Anreizwirkungen bei KMU – stärker auf das Volumen der nationalen FuE-Aktivitäten durchschlägt, lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben. Deswegen sind größenabhängige Differenzierungen bei der Förderung auszuschließen.
Zweitens ist das Zusammenspiel zwischen direkten Förderprogrammen und der steuerlichen FuE-Förderung zu beachten. In den Genuss einer direkten Förderung von FuE-Projekten in Deutschland sowie von EU-Förderprogrammen kommen derzeit überwiegend große Unternehmen. Aktuell fließen in Deutschland rund 80% der staatlichen Fördermittel an Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Zur Vermeidung einer Doppelförderung sind Mittel aus der direkten Projektförderung auf die steuerliche FuE-Förderung anzurechnen, was in erster Linie große Unternehmen betrifft. Dagegen kämen KMU in deutlich größerem Umfang in den Genuss einer steuerlichen FuE-Förderung, was unter Effizienzgesichtspunkten positiv zu beurteilen ist und der Selektivität der derzeit in Deutschland anzutreffenden direkten Förderprogramme entgegen wirkt.
Drittens sind für eine Differenzierung zwischen großen Unternehmen und KMU klare und eindeutige Größenklassen zu definieren, z. B. auf Basis von handelsrechtlichen Bilanzkennzahlen wie Bilanzsumme oder Jahresüberschuss. Als Leitfaden für eine Abgrenzung von KMU könnte die entsprechende Mitteilung der Europäischen Kommission vom 20. 5. 2003 dienen, welche folgende zwei Kriterien vorsieht: (1) Das Unternehmen beschäftigt weniger als 250 Mitarbeiter, wobei die Mitarbeiterzahl nach Jahresarbeitseinheiten bestimmt wird, und (2) der Jahresumsatz beläuft sich auf höchstens 50 Mio. € oder die Jahresbilanzsumme beträgt höchstens 43 Mio. €. Diese Kriterien werden regelmäßig in Ländern mit KMU-spezifischer FuE-Förderung zugrunde gelegt und finden in Deutschland auch im Rahmen des Investitionszulagengesetzes (§ 2 Abs.1 S. 4 InvZulG 2007) Anwendung. Zu beachten ist jedoch zum einen, dass diese enge KMU-Definition zahlreiche „größere“ mittelständische Unternehmen nicht erfasst und somit von der Förderung ausschließen würde. Vor diesem Hintergrund wäre u. U. eine weitergefasste KMU-Definition erforderlich. Zum anderen setzt jede größenabhängige FuE-Förderung auch Anreize für Steuerplanungen, um in den Genuss der Vorteile des einen oder des anderen Regimes zu gelangen. Deswegen sind zusätzlich spezifische KMU-Definitionen bei steuerlichen Gruppen- bzw. Konzerngesellschaften erforderlich. Eine Unterscheidung der FuE-Förderung nach Unternehmensgrößenklassen verursacht somit auch zusätzlichen Verwaltungsaufwand sowohl auf Seiten des Steuerpflichtigen als auch auf Seiten der Finanzverwaltung.
Anreizwirkungen, der internationale Standortwettbewerb um die Ansiedlung von FuE-Aktivitäten sowie die Begrenzung des Verwaltungsaufwands sprechen dafür, weder nach der Größe noch nach dem Technologisierungsgrad der Unternehmen eine Differenzierung hinsichtlich des Instruments sowie der Höhe der steuerlichen FuE-Förderung vorzunehmen. Deswegen sollten neben KMU auch große Unternehmen in den Genuss derselben FuE-Förderung kommen.