Bringt die kleine Reform der Organschaft den großen Wurf?

 

RA/FAStR/StB Dr. Wolfgang Walter, Geschäftsführer MAZARS Tax GmbH, Stuttgart

Anfang September wurde die Formulierungshilfe des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Änderung der Organschaftsregelungen bekannt. Zur Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens sollen diese Formulierungen als Fraktionsentwurf noch in das laufende Verfahren eingebracht werden. Nachdem die große Reform der Organschaft hin zu einer Gruppenbesteuerung Anfang Juni 2012 aus fiskalischen Gründen vertagt worden war, sind die verbliebenen Vorschläge zur Änderung des KStG hoffentlich mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

 

 

Einfache Inlandsanbindung der Organgesellschaft

In § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG wird die doppelte Inlandsanbindung der Organgesellschaft dahingehend geändert, dass zusätzlich zur Geschäftsleitung im Inland der Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR –Abkommens genügt. Diese Änderung soll der Klage der EU-Kommission die Grundlage entziehen, nachdem die Kommission das Klageverfahren gegen Deutschland trotz der Aufgabe der doppelten Inlandsanbindung mittels BMF-Schreiben vom 28. 3. 2011 (IV C 2 – S 2770/09/10001, DB0413536) fortsetzt. Gesellschaften aus Drittstaaten wie der Schweiz bleiben weiterhin ausgeklammert. In der Praxis dürfte es auch künftig nur wenige Organgesellschaften mit derartiger einfacher Inlandsanbindung geben.

Inländische Betriebsstätte

In § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG werden die Vorschriften der steuerlichen Organschaft an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Reichweite des abkommensrechtlichen Gesellschafterdiskriminierungsverbots auf die Vorschriften der Organschaft angepasst. Das Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht des Organträgers wird dahingehend modifiziert, dass auf die Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu einer inländischen Betriebsstätte abgestellt wird, der dann auch das Organeinkommen zuzurechnen ist. Insoweit werden Regelungen aus § 18 KStG herangezogen, die man bisher nur für ausländische Organträger kannte. Abgesichert wird die Regelung über § 14 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG, wonach ein Organträger mit ausländischen Wurzeln nur dann steuerlich akzeptiert wird, wenn die zuzurechnenden Einkünfte weder nach nationalem Steuerrecht noch nach einem DBA der deutschen Besteuerung entgehen. Diese Regelung erscheint insgesamt für die wenigen Anwendungsfälle sinnvoll, obwohl die Abgrenzung zu § 18 KStG bei Fällen mit Auslandsbezug noch komplizierter würde. Allerdings stellt sich am Ende der Lektüre heraus, dass § 18 KStG insgesamt aufgehoben werden soll. Ob mit diesen Änderungen letztlich alle Fälle mit Auslandsbezug abgedeckt sind, wird erst eine genauere Analyse zeigen können. Der erste Blick spricht dafür.

Verunglückte Organschaft

Für eine Vielzahl von Fällen könnte eine Ergänzung von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG um die neuen Sätze 4 und 5 hilfreich werden. Fehlerhafte Bilanzansätze, und seien es nur der in der Handelsbilanz nicht vom abzuführenden Gewinn abgezogene vororganschaftliche Verlustvortrag von z. B. 100 €, haben bisher innerhalb der fünfjährigen Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrags zum rückwirkenden Scheitern der Organschaft von Anfang an geführt („verunglückte Organschaft“), wenn der Fehler z. B. in einer Betriebsprüfung nachträglich aufgefallen ist. Da steuerlich diese Verluste während einer Organschaft sowieso „eingefroren“ sind, wurde die zugrunde liegende Regelung in § 301 Satz 1 AktG in vielen Fällen übersehen. Steuernachzahlungen in Höhe von Mio. Euro waren nicht selten. Diese Fälle wurden auch verstärkt ohne Nachsicht aufgegriffen. Eine einfache Heilung durch Korrektur in laufender Rechnung wurde weder von der Finanzverwaltung noch vom BFH zugelassen. In diesen Fällen blieb nur die aufwendige Rückwärtsberichtigung aller Jahresabschlüsse von Organgesellschaft und Organträger einschließlich einer Nachtragsprüfung – aufwendig und mit erheblichen Kosten verbunden.

Hier setzt nun der Entwurf an. Der Gewinnabführungsvertrag soll auch dann als durchgeführt gelten, wenn der Fehler im nächsten nach dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Fehlers aufzustellenden Jahresabschlusses der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c. Das ist grundsätzlich die erwünschte Korrektur in laufender Rechnung.

Unklarheiten werden sich allerdings durch Satz 4 Buchst. b ergeben, wonach „die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden können“. Das lässt Raum für Streit im gewünschten Umfang. Welche Beträge sind klein genug, um nicht aufzufallen? Fälle, in denen derartige Fehler mutwillig in einen Jahresabschluss eingebaut werden, sind theoretisch. Offenbar wurde die Unklarheit der Regelung erkannt, denn nach Satz 5 soll die Voraussetzung als erfüllt gelten, wenn ein Wirtschaftsprüfer einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat oder ein Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eine Bescheinigung über die Erstellung eines Jahresabschlusses mit umfassenden Beurteilungen abgegeben hat. Letzteres beruht auf IDW S7 für die Wirtschaftsprüfung bzw. auf der Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen. Beides sind untergesetzliche Regelungen, die lediglich auf der Befugnis der Berufsstände zur Regelung der fachlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder beruhen. Ein derartiger Verweis in einem Steuergesetz ist meines Wissens unitär. Er ist nicht sachgerecht und diskriminiert alle nicht prüfungspflichtigen Gesellschaften eines Organkreises, die entsprechend der gesetzlichen Regelung (§ 242 HGB, § 42 GmbHG) ihren Jahresabschluss in eigener Verantwortung ohne Unterstützung eines Berufsträgers selbst erstellen. Hinzu kommt, dass sogar nur die höchste Stufe einer „Erstellung mit umfassenden Beurteilungen“ genügen soll. Die Berater könnten sich freuen, da ihnen so möglicherweise gut aufgestellte, aber nicht prüfungspflichtige Gesellschaften zusätzliches Honorarvolumen verschaffen, wenn sie Vorsorge für die leichtere Anerkennung fehlerhafter Abschlüsse treffen wollen. Tatsache ist aber, dass die Fehler auch – wahrscheinlich sogar fast ausschließlich – in Fällen vorgekommen sind, bei denen das Testat eines Wirtschaftsprüfers erteilt worden war. Auf die Regelung in Satz 4 Bucht. b und Satz 5 sollte daher insgesamt verzichtet werden. Insoweit ist der Entwurf nicht stimmig und geht an den Erscheinungsformen der Praxis vorbei.

Keine doppelte Verlustnutzung

Die kaum jemals angewendete Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG über negatives Einkommen soll erweitert und umgestellt werden auf negative Einkünfte auch der Organgesellschaft. Dies mag im Hinblick auf die Umstellung auf die Zurechnung des Einkommens an Betriebsstätten stimmig sein, dürfte aber kaum Bedeutung bekommen.

Einkommenszurechnung

In einem neuen § 14 Abs. 5 KStG vorgesehene Regelung wiederum ist von großer praktischer Bedeutung. Seit vielen Jahren wird eine Grundlagenfunktion des Steuerbescheids der Organgesellschaft gefordert (Walter, in: Ernst & Young, § 14 KStG Rdn. 805), doch hatte der BFH dies wegen fehlender gesetzlicher Grundlage abgelehnt. Der Entwurf sieht nun eine entsprechende gesetzliche Regelung vor. Dies ist sehr zu begrüßen. Damit wird klargestellt, dass Rechtsmittel einheitlich gegen diesen Grundlagenbescheid eingelegt werden müssen. Es kann dann nicht mehr vorkommen, dass wegen teilweise schon eingetretener Bestandskraft unterschiedliche Besteuerungsfolgen auf der Ebene von Organgesellschaft und -organträger gezogen werden. Zudem wird die Zuständigkeit des FA der Organgesellschaft für den Grundlagenbescheid geregelt. Auch dies ist sachgerecht. 

Folgeänderung zum einfachen Inlandsbezug

§ 17 Satz 1 KStG soll  wegen der Änderung bzgl. der doppelten Inlandsanbindung der Organgesellschaft geändert werden.  

Erleichterung beim Gewinnabführungsvertrag

§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG enthält dann noch eine für die Praxis erhebliche Vereinfachung für die vielen Fälle, in denen bisher eine Organschaft gescheitert war, weil im Gewinnabführungsvertrag unzureichende Regelungen zur Verlustübernahme und zu den weiteren Details der Regelung in § 302 AktG vereinbart worden waren. Das Steuerrecht hatte über viele Jahre hinweg die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht implementiert und der BFH sehr formalistisch auf der zwingenden Vereinbarung der Regelungen bestanden. Nunmehr wird eine Verweisung auf § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung verlangt (dynamische Verweisung). Dies ist einerseits sachgerecht und macht die textliche Übernahme der Regelungen unnötig. Allerdings ging die Praxisempfehlung schon bisher zu einer dynamischen Verweisung. Unverständlich ist aber, warum einerseits bei unzureichenden Regelungen bis Ende 2014 eine begrüßenswerte Übergangsregelung zur steuerlich unschädlichen Anpassung eingeräumt wird, zugleich aber verlangt wird, dass alle Gewinnabführungsverträge bis dahin angepasst werden, wenn sie eine solche dynamische Verweisung bislang nicht enthalten. Dafür besteht sachlich überhaupt kein vernünftiger Grund, wenn die Verträge auch ohne dynamische Verweisung die Verlustübernahme bereits bisher textlich in ausreichender Weise wiedergeben. Hier schießt die Regelung völlig über das Ziel hinaus. Es ist zu hoffen, dass dies noch korrigiert wird. Sprachlich wäre dies problemlos möglich durch Anhängen der Worte am Ende: „… bis zum Ablauf des 31. 12. 2014 wirksam korrigiert wird, es sei denn die Verlustübernahme ist in ausreichender Weise textlich geregelt.“ Damit würde in Fällen ohne dynamische Regelung den Betroffenen zwar das Risiko einer künftigen Änderung von § 302 AktG auferlegt, zugleich würde aber in einer Vielzahl von Fällen die Änderung des Gewinnabführungsvertrags nur aus diesem Grund überflüssig.

Anwendungsregelung

Die Anwendungsregelung in § 34 KStG regelt insbesondere die Anwendung für die Korrektur fehlerhafter Abschlüsse in laufender Rechnung auch vor 2013 und die Grundlagenfunktion in allen noch nicht bestandkräftig veranlagten Fällen. Das ist sinnvoll, andererseits bleibt unklar, ob dann noch Feststellungserklärungen nachzureichen sind oder das FA von Amts wegen Feststellungsbescheide für die Altfälle erlässt.

Fazit

Die Änderungen sind mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Darauf hat die Praxis lange gewartet. Die wesentlichen Bereiche, in denen bisher eine Organschaft scheitern konnte, würden entschärft. Die Entwurfsregelungen zu § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b und Satz 5 KStG sollten gestrichen werden. Die Anwendungsregelung zu § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG bzgl. der Verlustübernahme sollte die bisher wirksamen textlichen Regelungen respektieren und nicht unnötigerweise die Änderung der Gewinnabführungsverträge in einer Vielzahl von Fällen vorschreiben.

(Zitiervorschlag: Walter, Steuerboard DB0491527)

 

 

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