Darlehenszinsen auch nach Verkauf fremdfinanzierter Immobilien steuerlich abzugsfähig – Rechtsprechungsänderung

 

 

RA/StB Dr. Hardy Fischer, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Der BFH hat mit einem sehr lesenswertem Urteil vom 20. 6. 2012 (IX R 67/10, DB0490878) seine Rspr. zu Gunsten privater Vermieter geändert. Schuldzinsen können bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch dann noch steuerlich abgezogen werden, nachdem die fremdvermietete Immobilie veräußert wurde, der Veräußerungserlös aber nicht ausreichte, um die Darlehensverbindlichkeit zu tilgen.

Der Kläger hatte eine Wohnimmobilie erworben, diese vermietet und hieraus Einkünfte erzielt. Bei Veräußerung der Immobilie innerhalb der zehnjährigen „Spekulationsfrist“ erzielte er einen Verlust und konnte mit dem Veräußerungserlös die bei der Anschaffung des Gebäudes aufgenommenen Darlehen nicht vollständig ablösen. Dadurch musste der Kläger auch im Streitjahr noch Schuldzinsen für Teile des ursprünglich aufgenommenen Darlehens zahlen. Das FA und das FG erkannten die vom Kläger im Rahmen seiner ESt-Veranlagung geltend gemachten „nachträglichen Schuldzinsen“ nicht als Werbungskosten an. Der BFH gab nun unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. dem Kläger recht.

 

Bisherige Sichtweise des BFH

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zum Erwerb, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Der notwendige Veranlassungszusammenhang ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden.

Nach den bisher in der Rspr. vertretenen Grundsätzen besteht dieser Zusammenhang grds. (nur) solange, bis die Vermietungsabsicht aufgegeben wird. Damit können die auf das Darlehen gezahlten Schuldzinsen zwar in dem Vermietungszeitraum als Werbungskosten berücksichtigt werden, nach Ende der Vermietungstätigkeit jedoch grds. nicht mehr (mit Ausnahmen für rückständige Zinsen oder Zinsen für Darlehen, mit denen sofort abzugsfähige Aufwendungen finanziert wurden). Letzteres galt auch dann, wenn der Erlös aus der Veräußerung eines zuvor zur Vermietung genutzten Grundstücks nicht ausreichte, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen. Der ursprünglich bestehende wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem zur Finanzierung von Anschaffungskosten aufgenommenen Darlehen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung war nach bisheriger Ansicht mit der Veräußerung des Grundstücks beendet; das anschließend fortbestehende (Rest-) Darlehen sollte seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren Veräußerungsverlust gehabt haben.

Rechtsprechungsänderung

Der BFH änderte diese Rspr. und ließ im entschiedenen Fall die nachträgliche steuerliche Geltendmachung der Schuldzinsen zu. Zur Begründung verweist er auf zwei Erwägungen:

–  Mit der Erweiterung der zweijährigen Spekulationsfrist auf zehn Jahre seit dem StEntlG 1999/2000/2002 hat der Gesetzgeber eine Grundentscheidung dahingehend getroffen, dass zur Erzielung von Einkünften dienende Wohngrundstücke für den genannten Zeitraum, und damit über einen steuerpolitisch gerechtfertigten „Spekulationszeitraum“ hinaus, nicht mehr dem privaten, sondern dem steuerrechtlich erheblichen Vermögensbereich zuzuordnen sind. Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist das bisherige Argument, der Fortbestand eines (Rest-)Darlehens habe seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen nicht steuerbaren Veräußerungsverlust, nicht länger haltbar.

–  Die Notwendigkeit einer Rechtsprechungsänderung folgt auch aus § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG. Danach wird der Veräußerungsgewinn durch Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen gemindert, soweit sie bei der Ermittlung z. B. der Vermietungseinkünfte abgezogen worden sind. Damit wird das private Veräußerungsgeschäft mit der bisherigen steuerbaren und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks verknüpft und die Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wird strukturell der Ermittlung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens gleichgestellt. Die Rechtsprechungsänderung dient also auch dazu, die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den Überschusseinkünften wieder herzustellen.

Auch nach Verkauf bleibt es damit beim ursprünglich gesetzten Veranlassungszusammenhang zwischen einem (Rest-) Darlehen, das der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen Immobilienobjektes diente, und den (früheren) Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Dieser Veranlassungszusammenhang wird nicht durch die Veräußerung unterbrochen oder gar überlagert, denn Zinsen sind im Rahmen des Veräußerungsvorgangs schon deshalb nicht zu berücksichtigen, da dort eine stichtagsbezogene Gewinnermittlung erfolgt.

 

Ausnahmen

Der BFH öffnet aber nicht für jedwede nachträglichen Schuldzinsen die steuerliche Abzugsmöglichkeit. Immer dann, wenn eine überlagernde private Motivation für die Zinsen besteht, ist der Abzug nicht möglich. Dies sei nach Ansicht des BFH zum Beispiel der Fall, wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis des Immobilienobjektes hätten getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung) oder wenn der Stpfl. zwar ursprünglich mit Blick auf eine dauerhaft angelegte Vermietung des maßgeblichen Objektes mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hatte, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung der Immobilie weggefallen war.

 

Hinweise für die Praxis

Das Urteil hat unmittelbare Praxisfolgen für Privatpersonen mit Immobilienbesitz. Sollte – unabhängig vom Ablauf der zehnjährigen Haltefrist – eine Immobilie mit Verlust veräußert werden, sodass der Erlös nicht ausreicht um das ursprüngliche aufgenommene Akquisitionsdarlehen zu tilgen, bleibt dennoch steuerlich die Geltendmachung der weiterhin anfallenden Schuldzinsen möglich. Der wirtschaftliche Verlust wird nun auch steuerlich akzeptiert. Noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide sind offen zu halten. Die Grundsätze des Urteils gehen weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus.

(Zitiervorschlag: Fischer, Steuerboard DB0491763)

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