Billigkeitsregelungen des UmwStE
Der Umwandlungssteuererlass vom 11.11.2011 (UmwStE) enthält verschiedene Billigkeitsregelungen. Danach kann eine Umwandlung auch dann steuerneutral erfolgen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen des UmwStG – nach Auffassung der Finanzverwaltung – nicht erfüllt sind. Die Billigkeitsregelungen betreffen die Verschmelzung auf bzw. Einbringung in eine Organgesellschaft (Tz. 11.08 und 20.19 UmwStE) und Umwandlungen bei sperrfristbehafteten Anteilen (Tz. 22.23 UmwStE).
Die Billigkeitsregelungen werden kritisch gesehen, da sich das unbillige Ergebnis bereits durch eine (andere) Auslegung des UmwStG vermeiden lasse und eine sachfremde Kopplung von unverbundenen Regelungskomplexen erfolge. Unabhängig von diesen Kritikpunkten stellt sich für alle Steuerpflichtigen jedoch die Frage, welche Risiken mit der Anwendung der Billigkeitsregelungen verbunden sind und welche – weiteren – Maßnahmen notwendig sind.
Anspruch auf Billigkeitsmaßnahme?
Die Billigkeitsregelungen des UmwStE stellen lediglich eine Richtlinie für die Ausübung des Ermessens dar, so dass die zuständige Finanzbehörde nicht von einer Einzelfallprüfung absehen darf („eingeschränkte Selbstbindung der Finanzverwaltung“). Sofern die Finanzbehörden im Rahmen der Einzelfallprüfung einen Billigkeitsantrag ablehnen, kann eine gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung erfolgen. Der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Besteuerung nach Maßgabe der Verwaltungsanweisung ist von den Finanzgerichten allerdings nur zu beachten, wenn die Billigkeitsregelung nicht den gesetzlich vorgesehenen Rahmen verlässt. Grundsätzlich dürfen Steuerbefreiungen nicht nach Vorstellung der Finanzverwaltung gewährt oder Unzulänglichkeiten des Gesetzes oder gesetzgeberische Pannen durch die Finanzverwaltung ausgeglichen werden.
„Ausdrückliche“ Entscheidung über Billigkeitsmaßnahme
Die Billigkeitsanträge des UmwStE werden regelmäßig mit der Steuererklärung gestellt und die Billigkeitsentscheidungen werden äußerlich mit der Steuerfestsetzung verbunden sein.
Grundsätzlich sollte der Steuerpflichtige darauf achten, dass der Steuerbescheid einen Hinweis auf die abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen enthält oder ein gesonderter Verwaltungsakt vorliegt („Nachweis“ der Billigkeitsentscheidung). Eine Billigkeitsentscheidung ist ein selbständiger Verwaltungsakt, der im Einspruchs- oder Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung nicht überprüft werden kann. Eine Änderung der Steuerfestsetzung ist im Hinblick auf die Billigkeitsentscheidung nicht möglich – auch bei Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Mit der Entscheidung über den Billigkeitsantrag ist sein Einsatz als „Druckmittel“ im Einspruchs- oder Klageverfahren ausgeschlossen.
Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises oder Verwaltungsakts kann jedoch nicht geschlossen werden, dass über den Billigkeitsantrag nicht entschieden wurde – an dieser Stelle sei auf den (kürzlich veröffentlichten) Beschluss des BFH vom 12. Juli 2012 (I R 32/11) verwiesen. Die Entscheidung der Finanzbehörden über den Billigkeitsantrag kann sich danach allein aus der Steuerfestsetzung ergeben, wenn die Gewährung der Billigkeitsmaßnahme aus der Höhe der festgesetzten Steuer ersichtlich ist. Dabei sei es unerheblich, ob die Finanzbehörden die beantragte Billigkeitsmaßnahme tatsächlich gewähren wollten. Es ist wohl davon auszugehen, dass eine abweichende Steuerfestsetzung in den Fällen der Tz. 11.08, 20.19 und 22.23 UmwStE für den Steuerpflichtigen ersichtlich ist.
Die Finanzbehörden müssen bereits im Rahmen der Veranlagung über die Billigkeitsmaßnahme entscheiden – andernfalls kann die Gewährung der Billigkeitsmaßnahme „unbeabsichtigt“ erfolgen. Das Abwarten einer späteren Außenprüfung ist folglich nicht möglich!
Notwendigkeit einer verbindlichen Auskunft
Über die Billigkeitsanträge wird allerdings erst nach Umsetzung der Umwandlungsmaßnahme entschieden. Um den daraus folgenden Unsicherheiten zu begegnen, sollten Steuerpflichtige stets eine verbindliche Auskunft nach § 89 AO über die Anwendung der Billigkeitsmaßnahme einholen. Die entsprechenden Auskünfte werden von der Finanzverwaltung erteilt.
In diesem Fall wird die Steuerfestsetzung auf der Grundlage der erteilten Auskunft erfolgen – auch bei einer inhaltlich unzutreffenden Auskunft und einer (folglich) rechtswidrigen Steuerfestsetzung. Dies würde nur dann nicht gelten, wenn die verbindliche Auskunft in einer solchen Weise offensichtlich rechtswidrig ist, dass der Steuerpflichtige die Rechtswidrigkeit erkennt oder jedenfalls erkennen konnte.