Inkonsistente Besteuerung von Verlusten im Privatvermögen

RA Dr. Nico Fischer, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, München

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber bei Kapitalvermögen, das im steuerlichen Privatvermögen gehaltenen wird, die Unterscheidung zwischen den laufenden Erträgen und den Einkünften aus der Veräußerung des Kapitalvermögens selbst aufgegeben. Während nunmehr auch die Gewinne aus den Wertveränderungen des Kapitalvermögens steuerlich verstrickt sind, ist die Behandlung von Verlusten jedoch nicht konsistent.

Vor dem Veranlagungszeitraum 2009 war bei Einkünften aus Kapitalvermögen zwischen dem Ertrag als Frucht des Kapitals und dem Kapital selbst zu unterscheiden, da Gegenstand der Besteuerung nur die Erträge, nicht aber das zur Erzielung der Erträge eingesetzte Kapital selbst waren. Gewinne, die durch Wertänderungen oder die Verwertung einer Kapitalanlage erzielt wurden, stellten keinen steuerbaren Ertrag dar, sondern waren Teil der einkommensteuerlich generell unbeachtlichen Vermögensebene. Diese Grundregel wurde nur durch einzelne Ausnahmen durchbrochen. Gerade im Bereich der Kapitaleinkünfte führte die Unterscheidung zwischen der (steuerlich relevanten) Ertragsebene und der (steuerlich unbeachtlichen) Vermögensebene zu einer Vielzahl von Abgrenzungsschwierigkeiten und steuerlichen Gestaltungen, die von dieser Differenzierung zu profitieren versuchten. So wurden von Banken sog. innovative Finanzinstrumente entwickelt, bei denen an sich steuerbare Zinserträge in nicht steuerbare Veräußerungsgewinne verlagert wurden.

Man kann die Entscheidung des Gesetzgebers, sowohl die laufenden Erträge als auch die Wertveränderungen zu besteuern, als verdeckte Steuererhöhung ansehen. Allerdings ist die dahinter stehende Überlegung konsequent, dass fast jeder Kapitalertrag ökonomisch gleichwertig zivilrechtlich entweder als Ertrag oder als Veräußerungspreis dargestellt werden kann.

Es zeigt sich jedoch, dass die Finanzverwaltung diese ökonomische Gleichwertigkeit in der Umsetzung der Abgeltungsteuer teilweise nur zu Ihren Gunsten anwendet. So ist bei der Veräußerung von Darlehen auch ein eventueller Veräußerungsgewinn in gleicher Weise steuerpflichtig wie der Zins aus dem Darlehen. Dabei ist irrelevant, ob der Veräußerungsgewinn z. B. aus Wechselkursänderungen, einer veränderten Bonität des Schuldners oder aus einem im Rückzahlungsbetrag enthaltenen zusätzlichen Entgelt für die Kapitalüberlassung resultiert. In gleicher Weise ist auch ein Verlust bei der Veräußerung oder einer Rückzahlung des Darlehens steuerlich grds. zu berücksichtigen.

Die Finanzverwaltung ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht konsequent. So wird im BMF-Schreiben zu Einzelfragen der Abgeltungsteuer vom 22. 12. 2009 (IV C 1 – S 2252/08/10004, DB0344340) ausgeführt, dass der Forderungsausfall keine steuerliche relevante Veräußerung i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist. Ein Forderungsausfall kann allenfalls im Zusammenhang mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften i. H. von  mindestens 1% zu berücksichtigen sein (nachträgliche Anschaffungskosten, § 17 EStG). Diese Auffassung war vor der Einführung der Abgeltungsteuer konsistent, da Wertänderungen des Vermögensstamms steuerlich nicht relevant waren. Seit der steuerlichen Verstrickung des Vermögensstamms, kann diese Auffassung der Finanzverwaltung aber nicht mehr überzeugen. Die Fragwürdigkeit dieser Auffassung wird deutlich, wenn man die Rückzahlung oder Veräußerung einer Darlehensforderung für 1 € (steuerlich relevanter Vorgang) mit einem vollständigen Forderungsausfall (steuerlich nicht relevant) vergleicht. Beide Vorgänge sind aus Sicht des Gläubigers wirtschaftlich gleichwertig während sich die steuerlichen Konsequenzen diametral unterscheiden. In der Neufassung des BMF-Schreibens zur Abgeltungsteuer vom 9. 10. 2012 will die Finanzverwaltung zwar den Veräußerungsbegriff dadurch einschränken, dass keine Veräußerung vorliegt, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt. Aber selbst wenn man diese wenig überzeugende Auffassung zugrunde legt, würde auch bei einem Veräußerungspreis von 1 € eine Veräußerung vorliegen, wenn keine oder geringere Transaktionskosten anfallen.

Auch der Vergleich mit der Behandlung von betrieblichen Forderungsausfällen legt nahe, dass auch der private Forderungsausfall im Rahmen der Abgeltungsteuer zu berücksichtigen ist. Denn die Aufhebung der Trennung zwischen Vermögensstamm und Ertrag führt dazu, dass insoweit die Wertungen der Gewinneinkünfte entsprechend anzuwenden sind, bei denen auch Vermögensänderungen steuerlich berücksichtigt werden.

Man mag der Finanzverwaltung zugestehen, dass ihre Auffassung die möglicherweise schwierige zeitliche Abgrenzung vermeidet, wann ein Verlust aus einem Forderungsausfall eingetreten ist. Letztlich dürfen aber praktische Schwierigkeiten nicht zur Ausschaltung der Besteuerung nach dem objektiven Nettoprinzip führen. Die Finanzverwaltung hat vielmehr die einmal getroffene gesetzgeberische Belastungsentscheidung, wonach auch Änderungen im Vermögensstamm steuerlich relevant sind, folgerichtig im Sinn der Belastungsgleichheit umzusetzen. Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen Veräußerungsvorgängen und einem Forderungsausfall besteht nicht.

Eine vergleichbare Konstellation zeigt sich bei Kapitalgesellschaften. Während sowohl Veräußerungsgewinne als auch Ausschüttungen im Rahmen der Liquidation einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der Abgeltungsteuer erfasst werden, sollen Liquidationsverluste nicht zu berücksichtigen sein. Auch diese Auffassung kann vor dem Hintergrund des objektiven Nettoprinzips und der steuerlichen Verstrickung der Vermögensebene nicht überzeugen. Die Finanzverwaltung sollte ihre Auffassung zur Behandlung von Forderungsausfällen im Privatvermögen und zur Behandlung von Liquidationsverlusten revidieren.

Praxishinweis: Anstelle der Hinnahme eines steuerlich unbeachtlichen Forderungsausfalls oder der Realisierung eines Liquidationsverlusts sollte die Veräußerung einer solchen Forderung oder Beteiligung geprüft werden, da diese auch nach Auffassung der Finanzverwaltung steuerlich grds. relevant sind.

(Zitiervorschlag: Fischer, Steuerboard DB0526707)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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