Mit Urteil vom 19. 9. 2012 (IV R 11/12, DB0526792) hat der BFH entschieden, dass die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens (SBV) in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft nicht zur Gewinnrealisierung führt, wenn das Entgelt den Buchwert nicht übersteigt. Mit seinem Urteil hat der BFH ein von der Finanzverwaltung in Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 8. 12. 2011 (IV C 6 – S 2241/10/10002, BStBl. I 2011 S. 1279 = DB 2011 S. 2880) aufgestelltes Umstrukturierungshindernis beseitigt.
In dem Fall hat der Kläger, der an einer GmbH & Co. KG beteiligt war, auf diese Grundstücke übertragen, die zu seinem SBV gehörten. Auf einem der Grundstücke, das erhebliche stille Reserven aufwies, lastete eine Verbindlichkeit, welche die GmbH & Co. KG übernahm und die deutlich unter dem Buchwert des Grundstücks lag. Das FA meinte, dass nach der sog. „Trennungstheorie“ bei teilentgeltlichen Übertragungen ein dem Verhältnis des Entgelts (übernommene Verbindlichkeit) zum Verkehrswert entsprechender Anteil der stillen Reserven aufgedeckt werde. Nur der unentgeltliche Anteil werde nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zwingend zum Buchwert übertragen.
Grds. wäre es denkbar, bei der Übernahme einer Verbindlichkeit auch die Verbindlichkeit als (negatives) Wirtschaftsgut i. S. von § 6 Abs. 5 EStG zu betrachten. Dann würde quasi der Saldo aus Aktivposten und übernommener Schuld übertragen. Dieser Nettobetrachtungsweise folgt der BFH in seinem Urteil IV R 11/12 allerdings nicht, sondern betrachtet in der Tradition seines Urteils vom 11. 12. 2001 (VIII R 58/98, BStBl. II 2002 S. 420 = DB 2002 S. 506) die Schuldübernahme als Entgelt. Weitere Beispiele für teilentgeltliche Vorgänge sind der Buchwertverkauf und die Übertragung gegen Einbuchung einer Verbindlichkeit. Auch diese Fälle betrachtet die Finanzverwaltung als für die Buchwertfortführung schädlich. Der Bitte der Steuerberaterkammer, in das BMF-Schreiben eine Ergänzung zum Buchwertverkauf aufzunehmen, ist die Finanzverwaltung nicht nachgekommen.
In Fällen, in denen der Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts höher als das Entgelt ist, ergibt sich kein Gewinn im SBV des Gesellschafters. Selbst wenn der Differenzbetrag zum Buchwert des Grundstücks und dem Entgelt als Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter gebucht wird, wird kein Gewinn realisiert, da auch in diesem Fall der Buchwert nicht überschritten wird. Nicht geklärt ist die Frage, was passiert wäre, wenn der Gesellschafter den Differenzbetrag zwischen Verkehrswert und übernommenen Schulden entnommen hätte. Diese Frage war in dem Fall IV R 11/12 nämlich nicht entscheidungserheblich. In derartigen Fällen dürfte demnach weiterhin Gewinnrealisierung drohen.
Der BFH betrachtet das BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 5 EStG nicht nur in seiner Behandlung teilentgeltlicher Übertragungen als unzutreffend. Auch die Annahme der Finanzverwaltung, dass die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine Entnahme darstelle, ist in ihrer Absolutheit falsch. In dem Fall der Übertragung vom SBV in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft und umgekehrt verlässt das übertragene Wirtschaftsgut das Betriebsvermögen nicht, zu dem es bereits vor seiner Übertragung gehörte. Das Wirtschaftsgut wechselt – so der BFH – lediglich von einem Teil des Betriebsvermögens in einen anderen Teil desselben Betriebsvermögens. Die Frage, ob eine Entnahme vorliegt, wirkt sich im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG aus. In den Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 3 EStG allerdings liegen offenbar bei Unentgeltlichkeit nach der Auffassung des BFH Entnahmen vor. Das Gleiche gilt dann bei § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG.
Als Nachricht kann man mitnehmen, dass teilentgeltliche Übertragungen zwischen SBV und Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft nicht zur teilweisen Gewinnrealisierung führen, wenn das Entgelt den Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts nicht übersteigt. Auch bei der teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) und zwischen den jeweiligen SBV verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) kann nichts anderes gelten. D. h., dass die Schuldübernahme bis zum Buchwert des Wirtschaftsguts und der Buchwertverkauf (durch Kaufpreiszahlung oder Gutschrift auf einem Darlehenskonto) unproblematisch sind.
Eine praktisch relevante Streitfrage des § 6 Abs. 5 EStG ist i. S. der Steuerzahler entschieden. Es ist zu hoffen, dass die für die Gestaltungspraxis ebenfalls sehr bedeutsame Problematik der Übertragung zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Personengesellschaften bald einer Lösung zugeführt wird. Hier besteht anscheinend Uneinigkeit zwischen dem I. und dem IV. Senat.
(Zitiervorschlag: Scharfenberg, Steuerboard DB0529300)