Gesetzgeberische Maßnahmen seit 2009 – Rückblick auf den Koalitionsvertrag

RA/StB Dr. Hardy Fischer, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Das Jahr 2013 wird ein Wahlkampfjahr. Gesetzgeberische Maßnahmen im Steuerrecht sind in solchen Jahren nicht oder nur sehr begrenzt konsensfähig, insbesondere wenn wie derzeit unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat bestehen. Einen ersten Vorgeschmack dieses Schauspiels bot bereits das JStG 2013, das kurz vor Weihnachten im Vermittlungsausschuss zum Spielball der verschiedenen politischen Interessen wurde.

Die Vorschau auf das Wahlkampfjahr bietet gleichzeitig einen Anlass für eine Rückschau. Vor gut drei Jahren hat die Regierungskoalition einen Koalitionsvertrag vereinbart, welcher unter dem Titel „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“ verschiedene steuerliche Maßnahmen für die 17. Legislaturperiode vorsah. Nachfolgend soll eine Auswahl der geplanten Maßnahmen in Erinnerung gerufen und ihre (Nicht-)Umsetzung dargestellt werden.

 1. „Sofortprogramm krisenentschärfende Maßnahmen“

Unter diesem Stichwort enthielt der Koalitionsvertrag ein Bündel von Maßnahmen, die größtenteils mit dem sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetz ab 2010 unmittelbar umgesetzt wurden. U. a. wurden Verlust- und Zinsabzugsbeschränkungen für international aufgestellte Konzerne und auch für mittelständische Unternehmen entschärft, z. B.:

–       Einführung eines Konzern- und Stille-Reserven-Escape bei der Mantelkaufregelung des § 8c KStG ,

–       bei der Zinsschranke dauerhafte Erhöhung der Freigrenze auf 3 Mio. €, Einführung eines EBITDA-Vortrags und Erhöhung der Toleranzschwelle beim Eigenkapitalquotenvergleich,

–       Reduzierung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Immobilienmieten sowie

–       Einführung einer Konzernklausel bei der GrESt (§ 6a GrEStG).

Steuerliche Erleichterungen bieten regelmäßig wenig Anlass zur Kritik. Gleichwohl haben die Neuregelungen ihre Zwecke nur teilweise erfüllt. Die Konzernklauseln bei der Verlustverrechnung und im GrESt-Recht sind wegen hoher Hürden in der Praxis häufig nicht nutzbar. Hier bedarf es weiterer Nachbesserungen durch den Gesetzgeber, um die beabsichtigten Erleichterungen in Konzernstrukturen auch tatsächlich nutzen zu können.

2. „Steuervereinfachung“

Der Koalitionsvertrag enthält einen langen Katalog sog. steuervereinfachender Maßnahmen, z. B.:

–       Steuererklärungsvordrucke sollten verständlicher gestaltet werden und die Finanzverwaltung sollte vorausgefüllte Steuererklärungen zur Verfügung stellen. Letzteres soll ab 2013 teilweise verwirklicht werden – man darf gespannt sein.

–       Die elektronische Abgabe von Jahressteuererklärungen wurde erweitert, zudem wurde die LSt-Karte aus Papier ab 2013 abgeschafft.

–       Umsatzsteuerlich wurde die elektronische Rechnungsstellung erleichtert.

–       Zur Erhöhung der Planungssicherheit auf Seiten der Unternehmen und der Finanzverwaltung sollte dafür gesorgt werden, dass der Gedanke der zeitnahen Betriebsprüfung verwirklicht wird. Dies wurde nur sehr begrenzt umgesetzt. Die entsprechende neue Verwaltungsvorschrift der Finanzverwaltung (§ 4a BpO) sieht vor, dass nach Ermessen der Finanzverwaltung Unternehmen für eine solche zeitnahe, gegenwartsnahe Betriebsprüfung ausgewählt werden können.

–       Der steuerliche Abzug privater Steuerberatungskosten, die Möglichkeit zur Abgabe der Steuererklärung für einen Zeitraum von zwei Jahren und die Vermeidung einer separaten Erklärungspflicht für Rentenbezüge etc. wurden entgegen dem Koalitionsvertrag nicht umgesetzt.

3. Ziele bei der Unternehmensbesteuerung

Des Weiteren sah der Koalitionsvertrag diverse Ziele für das Unternehmensteuerrecht vor, allerdings unter dem Vorbehalt der sog. Aufkommensneutralität, sodass keine großen Entlastungen in der 17. Legislaturperiode zu erwarten waren. So sollten laut Koalitionsvertrag geprüft werden:

–       eine Neustrukturierung der Regelungen zur Verlustverrechnung,

–       die grenzüberschreitende Besteuerung von Unternehmenserträgen sowie

–       die Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems anstelle der bisherigen Organschaft. Nach intensiven Diskussionen über eine Reform der Organschaft hat der Gesetzgeber nun nur eine kleine Lösung angedacht. Grund hierfür dürfte am Ende die (fehlende) Aufkommensneutralität gewesen sein, die einem „großen Wurf“ entgegenstand. Im sog. „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts“ sind punktuelle Veränderungen vorgesehen. Die Formulierung der Verlustübernahmeverpflichtung soll in § 17 KStG gesetzlich verankert werden. Für mehr Rechtssicherheit soll außerdem ein neues Feststellungsverfahren für das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft sorgen. Daneben wird auf die Rspr. des BFH zur Diskriminierung in grenzüberschreitenden Sachverhalten reagiert. Das Gesetz ist bisher noch nicht in Kraft getreten, sondern hat am 12. 12. 2012 im Vermittlungsausschuss einen letzten Änderungsvorschlag erfahren. Hierüber muss in Bundestag und Bundesrat noch abgestimmt werden.

4. Verpasste Reformen

Der Koalitionsvertrag kündigte weiterhin Kommissionen an, die für die GewSt und die USt jeweils Reformvorschläge erarbeiten sollten. Aus der Tätigkeit beider Kommissionen resultierten – wohl auch erwartungsgemäß – jedoch keine Reformvorschläge. Weder ist absehbar, dass in naher Zukunft die GewSt wie geplant durch einen höheren Anteil der Kommunen an der USt und einen kommunalen Zuschlag auf die ESt und KSt mit eigenem Hebesatz ersetzt wird. Noch wird es in naher Zukunft eine Überarbeitung des Katalogs der ermäßigten MwSt-Sätze geben. Die 17. Legislaturperiode hat hier keine Neuerungen gebracht, sieht man einmal von der fiskalisch fraglichen umsatzsteuerlichen Privilegierung des Hotelgewerbes ab.

Darüber hinaus wollte man sich laut Koalitionsvertrag mit dem Problem der zweifachen Besteuerung von Unternehmenserträgen auf der Ebene der Unternehmen und Anteilseigner einerseits und der nur einfachen Besteuerung der Erträge aus Zinsprodukten andererseits auseinandersetzen. Auch hierzu gab es keine neueren Entwicklungen. Im – nahezu gescheiterten – JStG 2013 war lediglich eine Verschärfung von § 8b KStG vorgesehen (keine Steuerbefreiung, wenn die Dividende auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft die steuerliche Bemessungsgrundlage minderte).

In einer Gesamtschau verbleibt damit ein gemischtes Bild. Nach anfänglicher Betriebsamkeit, z. B. im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, konnten bisher weitere wesentliche steuerliche Ziele des Koalitionsvertrags nicht umgesetzt werden. An diesem Befund wird sich bis zur Bundestagswahl im Herbst 2013 wohl kaum etwas ändern.

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