Der Aufschrei der Empörung in Europa war groß und der Vorwurf gegen die USA wog schwer: Protektionismus, Günstlingswirtschaft, sogar vom Abschied der freien Marktwirtschaft war die Rede. Ursache des US-Bashing war der (vorläufige) Rückzug des europäischen Konzerns EADS/Northrop Grumman im Bieterwettbewerb um den sogenannten „Jahrhundertauftrag“ der US-Luftwaffe.
Die Frage ist, ob bei all dem Geschrei nicht auch ein bisschen Neid auf die „schöne neue Welt“ jenseits des Atlantiks mitschwang, die den Mut aufbrachte „made in your home country“ zu proklamieren. Spannend ist daher vor allem, ob wir Alten Europäer uns eine Vorliebe für „made in …“ abschauen können und sollten.
Die USA verfolgen die Kapitalexportneutralität: Gewinne eines Investors werden mit ihrer Repatriierung durch die Anrechnungsmethode auf das inländische Steuerniveau hochgeschleust. Das Interesse der USA an der Rückführung der Gewinne ist daher ebenso lebendig, wie das der Investoren an deren Abschottung. Ein neuer Vorschlag Obamas soll die Repatriierung schmackhafter machen. Ab 2011 sind ausländischen Einkunftsquellen zugeordnete Zinsaufwendungen nur noch dann abzugsfähig, wenn die Einkünfte in die USA repatriiert und dort versteuert werden.
Auch diese Regelung schmeckt nach Protektionismus. Im Vorteil sind klar die Unternehmen, die ausschließlich im Inland tätig sind, da deren Aufwendungen vollständig und unmittelbar abzugsfähig sind. Jobs sollen so geschaffen, die heimische Volkswirtschaft gestärkt werden.
Heere Ziele, auch für das Alte Europa. Aber heiligt der Zweck die Mittel?
Nein, nicht für Deutschland. Deutschland ist als offene Volkswirtschaft und Exportnation auf günstige steuerliche Normen für Auslandsinvestitionen angewiesen. Die Kapitalimportneutralität gewährleistet dies. Die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen darf schon allein im Hinblick auf die europäischen Grundfreiheiten – die ebenfalls nationalem Protektionismus entgegentreten – nicht an die Generierung von inländischem Steuersubstrat gebunden werden, wie der EuGH in der Rs. Bosal entschied.
Klar ist aber auch, dass etwas passieren muss: Einerseits verletzten § 3c EStG, § 8b Abs. 3 und 5 KStG sowohl das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit als auch das Nettoprinzip. Andererseits hat der Gesetzgeber auch die Pflicht, sich gegen eine Erosion des deutschen Steuersubstrats durch künstliche Gestaltungen zur Generierung von konzerninternen Schuldzinsen zu schützen. Es ist also wie immer: Eine zu einseitige Perspektive führt nicht zum Ziel. Vielmehr bedarf es abgewogener Regelungen, die beiden Anforderungen angemessen Rechnung tragen, etwa in Form eines fiskalisch flankierten Nettoprinzips. Bliebe „nur“ noch und mit Augenmaß zu klären, welche Gestaltungen (konzernintern) rein künstliches Fremdkapital generieren.
Die „schöne neue Welt“ des „made in …“ ist in der globalisierten Welt längst Vergangenheit. Protektionismus lässt sich leicht auf der anderen Seite des Atlantiks anklagen, jedoch sollte zuerst vor heimischem Tor gekehrt werden: Ein Steuerrecht, das nicht in weiten Bereichen von dem Wahn getragen wird, jeden vermeintlichen Missbrauch mit der großen Keule bekämpfen zu müssen, sondern primär den Grundprinzipien des Steuerrechts und den Grundfreiheiten des EU-Vertrags Geltung verschafft und nur dort minimalinvasiv eingreift, wo ein Schutz deutschen Steuersubstrats notwendig ist, das wäre doch eine schöne neue Welt …