BFH erleichtert freiberufliche Praxiseinbringungen

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei KPMG, Köln

WP/StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, KPMG, Köln

Der VIII. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 4. 12. 2012 (VIII R 41/09, DB 2013 S. 381) wichtige Grundsätze zur Umstrukturierung von Freiberuflerpraxen aufgestellt. Der Streitfall spielt im Jahre 1997 und ist ein „Klassiker“: Ein Steuerberater führt eine Einzelpraxis mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, die er unter Aufdeckung stiller Reserven (vor allem Mandantenstamm und Praxiswert) in eine Sozietät in Gestalt einer Freiberufler GbR ein­bringt; den Einbringungsgewinn versteuert er anschließend wohl mit dem damaligen „halben Steuersatz“ (§§ 18 Abs. 3, 16, 34 EStG). Die bis zum Einbringungsstichtag in der Einzelpra­xis entstandenen Forderungen (und auch Verbindlichkeiten) blieben außen vor und sollten mit jeweiligem Zahlungseingang verteilt über mehrere Jahre als laufende § 18-Einkünfte erfasst werden. Die Finanzverwaltung verlangt nach einer Außenprüfung stattdessen eine „Zwangs­entnahme“ der Forderungen in das Privatvermögen mit ihrem Teilwert. Dagegen wehrt sich der Steuerberater und bekommt nun vom BFH in Bestätigung der erstinstanzlichen Entschei­dung des FG Münster vom 23. 6. 2009 (1 K 4263/06 F, EFG 2009 S. 1915) Recht.

Kerninhalt des BFH-Urteils

Drei Rechtsaspekte des Judikats sind bedeutsam und sollten auch für aktuelle freiberufliche Praxiseinbringungen beachtet werden:

–        Es liegt ein Anwendungsfall des § 24 UmwStG vor, der bei einer Betriebs–/Praxiseinbringung den Übergang der wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die über­nehmende Personengesellschaft gegen Einräumung einer freiberuflichen Mitunternehmerstellung voraussetzt. Seinerzeit wurde der Teilwert als Wertobergrenze, seit 2006 ist der ge­meine Wert als Regelansatz vorgeschrieben. Für den „Wesentlichkeitstest“ ist eine funktio­nale Betrachtungsweise geboten. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gehö­ren un­abhängig von ihrem Umfang nicht dazu, die zurückbehaltenen durch die Ein­zelpraxis veranlassten Forderungen (und Verbindlichkeiten) können daher steuerun­schädlich beim Einbringenden verbleiben. In positiver Aufzählung nennt der BFH als Beispiele wesent­licher Betriebsgrundlagen bei Freiberuflern Mandantenstamm, Pra­xiswert und u. U. Praxiseinrichtung. Die Praxiseinbringung zum Verkehrswert löst deshalb trotz der Zurück­behaltung von Forderungen einen steuerbegünstigten Veräußerungs­gewinn entspre­chend der Rechtsfolgenanordnung des § 24 Abs. 3 UmwStG aus.

–        Die vom Einbringenden zurückbehaltenen Forderungen gehen nicht zwangsläufig in sein Privatvermögen über, sondern gehören bis zur Abwicklung im Rahmen einer Art „nachträglichem Forderungsmanagement“ zu seinem sog. Restbetriebsvermögen. Der VIII. Senat des BFH verfeinert hier einen Gedanken, der in seinen Grundzügen bereits vom XI. Senat im Urteil vom 14. 11. 2007 (XI R 32/06) skizziert wurde. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung existiert demnach ein Betriebsvermögen ohne akti­ven Betrieb nur für die Erfassung nachträglicher freiberuflicher Einkünfte gem. § 24 Nr. 2 EStG. Damit ist die betriebliche Verstrickung der Forderungen (und auch Ver­bindlichkeiten) im Betriebsvermögen bis zum Forderungseinzug oder einer etwaigen Abschreibung/Ausbuchung sichergestellt. Eine Zwangsentnahme der Forderungen zum Einbringungsstichtag erfolgt nicht; die Betriebsaufgabevorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG ist insoweit nicht einschlägig. Nur wenn der Einbringende ausdrücklich eine Übernahme der zurückbehaltenen betrieblich begründeten Forderungen in sein Privatvermögen erklärt, ist eine Sofortversteuerung geboten. In Weiterführung der § 4 Abs. 3–Rechnung sind die zurückbehaltenen Forderungen zum jeweiligen Zuflusszeitpunkt als nachträgliche Freiberufler-Einkünfte zu erfassen.

–        Schließlich befasst sich der VIII. Senat mit dem einbringungsnotwendigen Übergang von der § 4 Abs. 3–Rechnung zum Bestandsvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG und dem Erfordernis einer Einbringungs-/Eröffnungsbilanz für die neu entstehende Sozietät. Der BFH stellt insoweit klar: Nur die tatsächlich eingebrachten Wirtschaftsgüter sind beim Übergang zum Bestandsvergleich zu berücksichtigen, also nicht die zurückbe­haltenen Forderungen, die weiterhin nach Maßgabe der Zuflussgrundsätze erfasst wer­den. Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit wird vom VIII. Senat – mit Abweichungsnuancen zur Rspr. des XI. Senat – dahingehend verstanden: Der nach verschiedenen Methoden ermittelte Gewinn muss ohne bestimmte zeitliche Befristungen als Bemessungsgrundlage für die Ertragsteuern identisch sein; eine Gleichheit der gesamten steuerlichen Belastung verlangt dieser Grundsatz nicht. Eine etwaige gewerbesteuerliche Nichterfassung nachträglicher Ein­künfte verstößt deshalb nicht gegen den Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit.

Beratungserkenntnisse aus dem BFH-Urteil

Zum ersten wird man festhalten müssen: Eine Privatentnahmefiktion bei Einbringungsvor­gängen für nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörenden Forderun­gen/Verbindlichkeiten besteht nicht. Der BFH erwähnt insoweit ausdrücklich den von dieser Aussage abweichenden UmwSt-Erlass 2011, der insoweit seitens der Finanzver­waltung in Rdn. 24.03 i. V. mit 20.08 zu präzisieren ist. Zum zweiten erscheint mir nun weitgehend gesichert, dass die Erstellung einer Übergangsrechnung mit Wechsel zum Be­standsvergleich bei Buchwertübertragungen und § 4 Abs. 3–Rechnungen vor und nach Ein­bringung nicht erforderlich ist. Der VIII. Senat sagt dies zwar nicht ausdrücklich, es lässt sich aber aus der neuen BFH-Rspr. insgesamt herleiten. Die Finanzverwaltung sollte dies nun akzeptieren und Rdn. 24.03 UmwSt-Erlass 2011 klarstellen. Drittens schließlich er­scheint die Frage steuersystematisch interessant, ob die Rechtsfigur des „Restbetriebsvermö­gens“ auch für andere Bereiche nachträglicher Einkünfte ohne aktiven Betrieb genutzt werden kann. Zu denken ist etwa an nachträgliche inländische – oder ausländische Betriebsstättenein­künfte, deren veranlassungsgeprägte Zuordnung zu einer in Liquidation befindlichen Betriebs­stätte Probleme bereiten kann. Ggf. lässt sich der Gedanke des Restbetriebsvermö­gens inso­weit sinnvoll nutzen.

Festzuhalten bleibt: Das BFH-Urteil vom 4. 12. 2012 ist zutreffend und für den Einbringen­den steuergünstig. Es enthält darüber hinaus mit der Rechtsfigur aktiven und passiven Restbetriebsvermögens Anregungen zu einer Präzisierung des Betriebsvermögensbegriffs.

(Zitiervorschlag: Prinz, Steuerboard DB0581123)

 

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