Der Erlass der Finanzverwaltung vom 5. 12. 2012 (BStBl. I 2012 S. 1250 = DB 2013 S. 91) schafft Klarheit in vielen offenen Streitfragen und damit auch neue Gestaltungsmöglichkeiten, die Anwendung der Lohnsummenregelung zu vermeiden.
Substanzbesteuerung so niedrig wie noch nie: Hohes Gestaltungspotenzial
Die Substanzbesteuerung in Deutschland ist so niedrig wie nie zuvor in der Geschichte. Dies resultiert u. a. aus einem sehr gestaltungsanfälligen ErbSt-Recht. Bewusst hat der Gesetzgeber Gestaltungsmöglichkeiten wie die viel beschriebene „Cash-GmbH“ in Kauf genommen und damit eine ganze Vermögensart, nämlich liquides Vermögen, von der Steuer freigestellt.
Problem Lohnsummenregelung
Eigentlich sollten die weitreichenden Verschonungsregelungen des ErbSt-Rechts nur operatives Betriebsvermögen begünstigen, das Arbeitsplätze schafft und sichert. Um eine nachträgliche Versteuerung solchen Vermögens zu vermeiden, muss der Übernehmer das Unternehmen über einen Zeitraum von 5 bzw. 7 Jahren fortführen. Die Fortführung ist bei einem operativen Unternehmen wesentlich anspruchsvoller als bei einer „Cash-GmbH“, da der Übernehmer in diesem Zeitraum zusätzlich die maßgebliche Lohnsumme des Unternehmens stabil halten muss.
Die langfristige Pflicht zur Unternehmensfortführung und das damit verbundene Verbot von Überentnahmen ist für viele Unternehmer regelmäßig keine Belastung, sondern vielmehr ein Wunsch (oder sogar eine Auflage) an den Nachfolger. Die Einhaltung der Lohnsummenregelung stellt demgegenüber in Zeiten der Globalisierung und Finanzkrise ein nicht unwesentliches Risiko insbesondere für den Mittelstand dar. Gerade in Krisenzeiten, in denen mit Rücksicht auf einen Rückgang der Auftragslage Personal freigesetzt werden sollte, muss der Unternehmer nun eine Abwägung zwischen einem unternehmerisch gebotenen Personalabbau und dem Anfall von ErbSt treffen. Dies ist weder ökonomisch noch fiskalisch sinnvoll.
Klärung offener Zweifelsfragen durch Erlass vom 5. 12. 2012
Umso ärgerlicher war es, dass die in § 13a Abs. 1 und 4 ErbStG normierte Lohnsummenregelung – vorsichtig ausgedrückt – missverständlich formuliert wurde. Viele Zweifelsfragen blieben auch nach der Veröffentlichung der neuen ErbStR 2011 offen. Erfreulich ist, dass die Finanzverwaltung durch den Erlass vom 5. 12. 2012 zu einigen dieser Fragen Stellung genommen hat.
Streitig war bisher u. a., welche Beteiligungen des übertragenen Betriebs bei der Ermittlung der maßgeblichen Lohnsumme zu berücksichtigen sind. Grds. geht das Gesetz davon aus, dass auch die Lohnsumme von Beteiligungen der Lohnsumme des übertragenen Betriebs hinzuzurechnen ist, wenn die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung mehr als 25% beträgt (§ 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG). Für die Ermittlung der maßgeblichen Beteiligungsquote bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften hat die Finanzverwaltung – wie bereits in R 13a.4 Abs. 7 Satz 3 ErbStR – klargestellt, dass es auf die durchgerechnete Beteiligung ankommt. Anders als bei der Prüfung der Verwaltungsvermögenseigenschaft nach § 13b Abs. 2 ErbStG erfolgt keine gesonderte Prüfung der 25%-Grenze auf jeder Beteiligungsebene. Dies kann dazu führen, dass auf den übergehenden Betrieb zwar die vollständige Verschonung gem. § 13a Abs. 1 und 8 ErbStG Anwendung findet, jedoch keine Lohnsummenregelung, die eigentlich die Rechtfertigung für die erbschaftsteuerliche Verschonung darstellt. Bei der Beteiligung an Kapitalgesellschaften besteht damit kein Gleichlauf zwischen § 13a und § 13b ErbStG. Anders verhält es sich bei der Beteiligung an Personengesellschaften. Hier soll die 25%-Grenze des § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG nicht greifen. Die Lohnsumme von Personengesellschaften soll unabhängig von der Beteiligungshöhe zu berücksichtigen sein. Dies entspricht wiederum dem § 13b Abs. 2 ErbStG, der eine Begünstigung – anders als bei Kapitalgesellschaften – nicht an das Erreichen der 25%-Grenze knüpft.
Anteilspool nicht zu berücksichtigen: Chance für Familienholdings
Besonders beachtenswert ist aus meiner Sicht die Feststellung, dass gepoolte Anteile für die Berechnung der 25%-Grenze nicht zusammenzurechnen sind. Ähnlich wie bei der Durchrechnung kann es deshalb dazu kommen, dass eine vollständige Verschonung gewährt wird, ohne dass die Lohnsummenregelung anwendbar ist. Relevant ist diese Feststellung der Finanzverwaltung insbesondere für Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft mit vielen Anteilseignern. Hierzu folgendes Beispiel:
A hält 10% der Anteile an der X-GmbH, die die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 ErbStG erfüllt. Um in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Vergünstigung zu kommen, muss A mit weiteren Gesellschaftern der X-GmbH, die zusammen mit A über mehr als 25% der Anteile an der X-GmbH verfügen, eine Poolvereinbarung gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG abschließen. Bei einer anschließenden Schenkung von Anteilen an der X-GmbH kann A bzw. sein Rechtsnachfolger die Optionsverschonung in Anspruch nehmen. Im Gegenzug kommt die Lohnsummenregelung zu Anwendung, wenn die X-GmbH über mehr als 20 Beschäftigte verfügt.
Bringt A jedoch vor der Schenkung seine Anteile an der X-GmbH in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG ein, die ihrerseits in die Poolvereinbarung eintritt, kann für eine Schenkung von Anteilen an der GmbH & Co. KG weiterhin die Optionsverschonung in Anspruch genommen werden. Jedoch ist in diesem Fall die Lohnsummenregelung nicht anwendbar, da die Beteiligung der GmbH & Co. KG an der X-GmbH nicht die 25%-Grenze erreicht. Die Poolvereinbarung ist insofern nicht zu berücksichtigen.
Selbst höhere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften können in den Grenzen des § 42 AO auf mehrere Personengesellschaften aufgeteilt und einzeln übertragen werden. Die Auffassung der Finanzverwaltung schafft daher die Möglichkeit, mittels „Lohnsummenblocker-Personengesellschaften“ die Anwendung der Lohnsumme mit einem einfachen und dazu auch noch ertragsteuerneutralen Mittel (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG) zu vermeiden. Soweit die von der Blocker-Personengesellschaft gehaltene Beteiligung mindestens 15% beträgt, fällt zudem keine zusätzliche GewSt an (Schachtelprivileg, § 9 Nr. 2a GewStG).
Fazit
Auf den ersten Blick erscheint dies als ein weiteres eklatantes Beispiel für die Gestaltungsanfälligkeit eines Gesetzes, das die ErbSt zu einer „Dummensteuer“ verkommen lässt. Schaut man allerdings auf die Milliardenbeträge, die mittels „Cash-GmbH“ bereits übertragen wurden, ist die sich jetzt auftuende Gestaltungsmöglichkeit nur ein milder Trost für all diejenigen, die ein tatsächlich operatives Unternehmen betreiben und die auch ohne die Pflichten aus der Lohnsummenregelung für den Erhalt von Arbeitsplätzen eintreten.
Ohnehin bleibt auch nach dem Erlass vom 5. 12. 2012 weiterhin unklar, ob die Lohnsummenregelung auf die in der Praxis sehr häufig vorkommenden Holdingstrukturen überhaupt anwendbar ist, in denen zwar Tochter- und Enkelgesellschaften mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, nicht jedoch die Holding selbst. Zwar hält die Finanzverwaltung die Lohnsummenregelung in diesen Fällen bereits nach der derzeitigen Gesetzeslage für anwendbar. Gleichwohl steht wohl eine „klarstellende“ Gesetzesänderung an, die nicht notwendig wäre, wenn man den bisherigen Gesetzeswortlaut für ausreichend hielte.