Es kann nur eine geben – Zum „Highlander-Prinzip“ zwischen verdeckter Gewinnausschüttung und Schenkungsteuer

RA/StB Dr. Christian Böing, LL.M., Senior Manager bei PwC, Düsseldorf

RA/StB Dr. Christian Böing, LL.M., Senior Manager bei PwC, Düsseldorf

Kann eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zugleich SchenkSt auslösen? Vom Reichsfinanzhof wurde diese Frage noch eindeutig verneint: Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter könnten vGA, nicht aber zugleich schenkungsteuerpflichtig sein (RFH-Urteil vom 21. 1. 1943 – III e 38/41, RStBl. 1943 S. 589). Große Unruhe brachte allerdings vor einigen Jahren ein obiter dictum des II. Senats des BFH, wonach eine vGA möglicherweise zugleich als freigebige Zuwendung der Kapitalgesellschaft an eine dem Gesellschafter nahestehende Person qualifiziert werden könnte (BFH-Urteil vom 7. 11. 2007 – II R 28/06, DB 2008 S. 509). Diese Sichtweise nahm die Finanzverwaltung dankbar auf und vertrat fortan die Ansicht, dass eine vGA als freigebige Zuwendung der Kapitalgesellschaft an den begünstigten Gesellschafter oder die begünstigte nahestehende Person schenkungsteuerpflichtig sein kann (Oberste Finanzbehörden der Länder, gleichlautende Erlasse vom 20. 10. 2010 – 3 – S 3806/75, BStBl. I 2010 S. 1207 = DB0394007; sowie vom 14. 3. 2012 – 3 – S 380.6/84, BStBl. I 2012 S. 331). Diese Sichtweise wurde auch von zwei FG geteilt. Nun hat der II. Senat mit der durch ihn selbst verursachten Unsicherheit aufgeräumt und mit Urteil vom 30. 1. 2013 (II R 6/12, DB0583833) klargestellt, dass es jedenfalls im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter zwar vGA, nicht aber zugleich freigebige Zuwendungen geben könne.

Das Urteil des BFH vom 30. 1. 2013

Verkürzt ging es um folgenden Sachverhalt: Eine AG verkaufte einen Besserungsschein (dieser entstand durch den Verzicht auf eine Konzernforderung i. H. von nominal 2 Mio. €) für € 1 an ihren mittelbaren Alleingesellschafter. Der Kaufpreis entsprach nach den Feststellungen des FG im Zeitpunkt des Verkaufs dem Verkehrswert des Besserungsscheins. Drei Jahre später trat der Besserungsfall ein und der Alleingesellschafter wurde nahezu in voller Höhe des Nominalwerts der wieder aufgelebten Konzernforderung befriedigt.

In dem Verkauf der Konzernforderung an den (mittelbaren) Alleingesellschafter sah der BFH bereits deshalb keinen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang, weil der Kaufpreis offenbar jedenfalls bei Abschluss des Kaufvertrags angemessen war und der nachträgliche Eintritt des Besserungsfalls wegen der Stichtagsbewertung schenkungsteuerlich irrelevant gewesen sei. Eine freigebige Zuwendung könne allenfalls dann vorliegen, wenn der Besserungsschein selbst Gegenstand einer (unentgeltlichen) Schenkung und nicht – wie im Urteilsfall – eines (entgeltlichen) Verkaufs ist. Die Kernaussage des Urteils folgt sodann: Im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren unmittelbaren und mittelbaren Gesellschaftern könne es stets keine freigebigen Zuwendungen geben. Denn offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft beruhten immer auf dem Gesellschaftsverhältnis und hätten daher jedenfalls im Verhältnis zu den Gesellschaftern ausschließlich ertragsteuerliche Folgen. Der II. Senat verweist zu Recht auf seine Rspr. zum entgegengesetzten Fall der vGA, der (disquotalen) verdeckten Einlage, die er ebenfalls als rein gesellschaftsrechtlichen Vorgang qualifiziert und demnach als nicht schenkungsteuerpflichtig angesehen hat (BFH-Urteil vom 17. 10. 2007 – II R 63/05, DB 2008 S. 277; zu beachten ist aber insofern die Neuregelung des § 7 Abs. 8 ErbStG, s. u.).

Urteil gilt auch im Drei-Personen-Verhältnis

Der Leitsatz des aktuellen Urteils betrifft zunächst nur Zwei-Personen-Konstellationen (zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschaftern). Gleichwohl sollte sich das Urteil ohne weiteres auch auf Leistungsaustauschverhältnisse in Drei-Personen-Konstellationen (zwischen Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter nahestehenden Dritten) übertragen lassen. Dies lässt sich dadurch belegen, dass in der Urteilsbegründung ausdrücklich auch auf die vGA gegenüber nahestehenden Personen eingegangen und der mittelbare Gesellschafter ausdrücklich als in diesem Sinne nahestehend angesehen wird. Auch eine vGA im Drei-Personen-Verhältnis ist demnach allein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Der II. Senat wird in Kürze Gelegenheit haben, diese Auffassung in einem anhängigen Revisionsverfahren (Az. II B 94/12) zu bestätigen und auch insofern die gegenläufige Verwaltungsauffassung zu widerlegen.

Auswirkungen des Urteils auf das aktuelle ErbStG

Seit dem 14. 12. 2011 (BeitrRLUmsG) gelten mit den §§ 7 Abs. 8 und 15 Abs. 4 ErbStG Sonderregeln für Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter. Obwohl die aktuelle Entscheidung des BFH noch zur Rechtslage vor Einführung dieser Regelungen erging, ist sie auch für vGA unter der aktuellen Rechtslage von Bedeutung.

Der Grundtatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist nach seinem insoweit klaren Wortlaut für vGA irrelevant, da er nur Fälle disquotaler Einlagen erfasst. Allenfalls § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG (Fiktion der Freigebigkeit) betrifft auch vGA, sofern sie auf Zuwendungen zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften beruhen. Allerdings kommt § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG in Konzernsachverhalten mit derselben ultimativen Muttergesellschaft nicht zur Anwendung. Von dieser Regelung erfasst werden nur vGA zwischen zwei nicht beteiligungsidentischen Kapitalgesellschaften. Diesbezüglich sollte aber das aktuelle BFH-Urteil ebenfalls zugunsten des Stpfl. streiten. Denn die Fiktion der Freigebigkeit setzt eine Bereicherungsabsicht zugunsten des Gesellschafters der die vGA empfangenden Kapitalgesellschaft voraus. Diese Absicht sollte sich unter Verweis auf das aktuelle BFH-Urteil widerlegen lassen. Auch das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 4 ErbStG dürfte angesichts der aktuellen BFH-Entscheidung weitgehend leer laufen.

Zum Konkurrenzverhältnis zwischen ESt und SchenkSt

Zum Konkurrenzverhältnis zwischen der vGA und der SchenkSt lässt sich also festhalten: Es kann nur eine geben: die vGA. Damit ist das Besprechungsurteil auch ein klarer Fingerzeig für eine noch grundsätzlichere Frage, die es zu klären gilt: In welchem Verhältnis stehen ErbSt/SchenkSt und ESt zueinander und ist eine diesbezügliche Doppelbelastung zulässig? Der II. Senat hat jetzt betont, dass eine vGA ausschließlich ertragsteuerliche Konsequenzen hat. Damit hat er insoweit der ESt Vorrang vor der SchenkSt eingeräumt und implizit die jüngst vom VIII. Senat eingeschlagene Richtung weiter verfolgt. Dieser Senat hat überzeugend dargelegt, dass sich ESt und SchenkSt zumindest dann wechselseitig ausschließen, sofern das steuerauslösende Ereignis dasselbe ist (BFH-Beschluss vom 12. 9. 2011 – VIII B 70/09, DB0469885). Damit scheinen sich beide Senate von ihrer bisherigen Ansicht lösen zu wollen, nach der die Doppelbelastung eines Vermögenszuwachses mit ESt und SchenkSt noch allgemein als zulässig erachtet wurde (BFH-Urteil vom 17. 2. 2010 – II R 23/09, DB0351545; vom 14. 3. 2006 – VIII R 60/03, DB 2006 S. 1590; ähnlich allerdings vom 18. 1. 2011 – X R 63/08, DB 2011 S. 1083). Diese offensichtliche Divergenz in der Rspr. des BFH wird demnächst wohl durch das BVerfG aufgelöst werden können, bei dem aktuell eine Verfassungsbeschwerde zur kumulativen Belastung mit ErbSt/SchenkSt und ESt anhängig ist (Az. 1 BvR 1432/10).

 

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