„Double Irish with a Dutch Sandwich“ – Zur internationalen Diskussion um Base Erosion and Profit Shifting aus deutscher Sicht

StB Dr. Alexander Reichl, Partner bei Peters, Schönberger & Partner, München

StB Dr. Alexander Reichl, Partner bei Peters, Schönberger & Partner, München

Am 12. 2. 2013 hat die OECD den Bericht „Adressing Base Erosion and Profit Shifting“ (kurz: BEPS) veröffentlicht. Dieser Bericht zur „Aushöhlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und Gewinnverlagerung“ wurde von der OECD im Auftrag der G20-Staaten erstellt und soll als Grundlage dienen, Maßnahmen zu entwickeln, die eine Eindämmung (legaler) aggressiver Steuergestaltungen multinationaler Konzerne ermöglichen. Solche Gestaltungen umfassen bspw. das bewusste Ausnutzen der unterschiedlichen Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (sog. Qualifikationskonflikte), Lizenzmodelle und Holdingstrukturen in Niedrigsteuerländern.

Das Tempo, mit dem die internationale Gemeinschaft das BEPS-Projekt derzeit vorantreibt, kann ohne Übertreibung als atemberaubend bezeichnet werden. So soll im Rahmen eines Treffens von Vertretern der Finanzverwaltungen der G20-Staaten am 16./17. 5. 2013 in Moskau der Zwischenstand des Projekts diskutiert werden. Ein konkreter Handlungsplan soll bereits im Juni 2013 dem Comittee on Fiscal Affairs der G20 vorgelegt und von diesem verabschiedet werden. Die Regierungen der G20-Staaten planen auf dem Gipfeltreffen am 5./6. 9. 2013 über die Handlungsempfehlungen zu beraten.

Ergänzend zu dem BEPS-Projekt wird von der EU-Kommission eine Initiative forciert, die sich der Bekämpfung von aggressiver Steuerplanung verschrieben hat. Hierzu wurde am 6. 12. 2012 ein eigener Aktionsplan präsentiert. Vorangetrieben werden die internationalen Initiativen insbesondere durch das Bekanntwerden der exorbitant niedrigen Steuerquoten auf ausländische Gewinne amerikanischer Gesellschaften, die aufgrund von im US-Steuerrecht zulässigen Gestaltungsmodellen (z. B. sog. „Double Irish with a Dutch Sandwich“, vgl. dazu Pinkernell, IStR 2013 S. 180) erzielt werden können. Hinzu kam die sog. Offshore-Leaks Affäre, durch die eine Vielzahl von Details zu Offshore-Konstruktionen veröffentlicht wurde und die seit Wochen eine hohe mediale Aufmerksamkeit genießt. Die „vertraulich“ behandelte Selbstanzeige eines prominenten Fußballmanagers tut ihr Übriges, um den politischen Aktionismus in Deutschland weiter zu befeuern.

Aber um was geht es in dem OECD-Bericht konkret? Zu Beginn des Berichts versucht die OECD das Ausmaß von grenzüberschreitenden Steuerplanungsstrategien mit empirischen Daten zu greifen. Dabei wird mit beeindruckenden Zahlen aufgewartet. So waren bspw. im Jahr 2010 die Karibikinseln Barbados, Bermudas und die Britischen Jungferninseln in umfangreichere Direktinvestitionen involviert als Deutschland. Zudem sind die Britischen Jungferninseln nach Hongkong der zweitgrößte Investor in China. Die erhobenen Daten bestärken die OECD in der Annahme, dass multinationale Konzerne Diskrepanzen zwischen nationalen Steuersystemen ausnutzen und durch Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer ihre Konzernsteuerquote reduzieren. Solche legalen Steuervermeidungsstrategien führen nicht nur zu einer ineffizienten Ressourcenallokation, sondern auch zu Wettbewerbsvorteilen von Großkonzernen gegenüber lokalen kleinen und mittleren Unternehmen.

Um diesen Verwerfungen entgegenzutreten, sieht die OECD die Notwendigkeit einer international koordinierten Vorgehensweise. Neben verschärften Offenlegungspflichten für internationale Konzerne im Hinblick auf deren effektive Konzernsteuerquote, hat die OECD sechs „Key Pressure Areas“ identifiziert. Bei diesen handelt es sich um:

(1)     Internationale Qualifikationskonflikte einschließlich hybrider Gesellschaften und Finanzierungen;

(2)     Abkommensrechtliche Behandlung von digitalen Gütern und Dienstleistungen;

(3)     Behandlung konzerninterner Fremdfinanzierung, Versicherungen und anderer konzerninterner Finanzinstrumente;

(4)     Verrechnung konzerninterner Leistungen, insbesondere im Hinblick auf den Transfer von Risiken und immateriellen Wirtschaftsgütern;

(5)     Wirksamkeit von Missbrauchsbekämpfungsnormen;

(6)     Verfügbarkeit von begünstigenden Steuerregimen.

Ob die in Deutschland derzeit geltenden unilateralen Regelungen im Hinblick auf die von der OECD genannten Problemfelder verschärft werden müssen, um gegen aggressive Steuerplanung vorgehen zu können, darf bezweifelt werden. Vielmehr gibt das deutsche Steuerrecht der Finanzverwaltung eine Vielzahl von Instrumentarien an die Hand, die bereits heute teilweise über das Ziel hinaus schießen. So sollte sich die deutsche Finanzverwaltung im Hinblick auf Qualifikationskonflikte bei hybriden Gestaltungen mit den Absätzen 9 bis 11 des § 50d EStG sowie mit der im Rahmen des JStG 2013 geplanten Änderung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG im internationalen Vergleich gut gewappnet sehen. Auch bezüglich der Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschafsgüter und der Reallokation von Chancen und Risiken bestehen mit dem in § 1 AStG kodifizierten hypothetischen Fremdvergleich und den Regelungen zur Funktionsverlagerung Instrumente, die weitreichende Besteuerungsbefugnisse schaffen. Flankiert werden diese Normen u. a. von den Regelungen der Zinsschranke, der Hinzurechnungsbesteuerung, den Substanzerfordernissen des § 50d Abs. 3 EStG und der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 AO. Des Weiteren sehen zahlreiche deutsche Doppelbesteuerungsabkommen Rückfallklauseln vor, die nach Willen des BMF standardmäßig vereinbart werden sollen, wie die vor kurzem veröffentlichte deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen zeigt.

Der deutsche Gesetzgeber ist gefordert, besonnene Rückschlüsse aus der BEPS-Diskussion zu ziehen. Aktuelle Untersuchungen verdeutlichen, dass es vorwiegend nicht deutsche Konzerne sind, die durch aggressive Gestaltungen ihre Steuerquote senken (vgl. Jonas, BB 2013 S. S. 1111). Der BEPS-Bericht zeigt vielmehr, dass sich die Staatengemeinschaft darüber klar werden muss, ob an den bisherigen Paradigmen des Internationalen Steuerrechts festgehalten werden soll. Dabei werden Fragen in den Mittelpunkt der Diskussion rücken müssen wie z. B., ob eine Gewinnallokation anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes gewollt oder ob eine physische Präsenz in einem Staat als Anknüpfungspunkt der Besteuerung tatsächlich notwendig ist.

Konsensfähige Antworten auf diese fundamentalen Fragen des Internationalen Steuerrechts wird die Staatengemeinschaft bis September nicht finden können. Aus Sicht der deutschen Unternehmen bleibt nur zu hoffen, dass die international geführte Diskussion nicht in einer Verschärfung von unilateralen Regelungen mündet. Für den Erfolg des Projekts wird entscheidend sein, einen gemeinsamen international einheitlichen Ansatz zu finden, in dessen Mittelpunkt eine angemessene Allokation von Besteuerungssubstrat steht. Aus Insellösungen einzelner Länder hingegen würden weitere Doppelbesteuerungsrisiken erwachsen, die international tätige Unternehmen ungerechtfertigt belasten.

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