Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen spielen im Welthandel eine wichtige Rolle. Die konzernintern in Rechnung gestellten Preise werden als Verrechnungspreise bezeichnet. In Ermangelung eines kaufmännischen Interessengegensatzes könnten internationale Konzerne ihren grenzüberschreitenden internen Leistungsverkehr durch Vereinbarung unangemessener Verrechnungspreise dazu nutzen, ihre Steuerquote durch Verlagerung von Gewinnen in niedriger besteuerte Jurisdiktion zu optimieren. Unangemessenen Verrechnungspreisen verweigert das deutsche Steuerrecht allerdings seit jeher die Anerkennung, indem es die Einkünfte so ansetzt, als seien fremdübliche Preise vereinbart worden. In der Praxis entzündet sich der Streit zwischen Stpfl. und Finanzverwaltung i. d. R. über die Frage, was im konkreten Fall der angemessene Verrechnungspreis ist und wie dieser zu ermitteln ist.
Als Reaktion auf eine Entscheidung des BFH, in der dieser den Stpfl. nicht in der Pflicht sah, Aufzeichnungen für die Prüfung von Verrechnungspreisen zu erstellen, führte der Gesetzgeber 2003 in § 90 Abs. 3 AO die Verpflichtung zur Dokumentation von Verrechnungspreisen („VP-Doku“) ein. Flankiert wurde das Gesetz durch eine Verordnung (die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung), die die Anforderungen an die VP-Doku konkretisiert. Daneben hat die Finanzverwaltung ihre Sicht auf die Dokumentationserfordernisse in einem BMF-Schreiben vom 12. 4. 2005 (IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005 S. 570) zusammengefasst.
Die VP-Doku muss im Wesentlichen aus einer Sachverhalts- und einer Angemessenheitsdokumentation bestehen. Die inhaltlichen Anforderungen sind detailliert. Bei den betroffenen Unternehmen führt die Erstellung der VP-Doku oft nicht nur zu einem erheblichen administrativen Aufwand, sondern wird – wegen der Einschaltung externer Berater – auch zu einem Kostenfaktor. Die Nichtvorlage oder Unverwertbarkeit einer VP-Doku wird dadurch sanktioniert, dass den Steuerbehörden eine Schätzungsbefugnis eingeräumt wird, bei der vermutet wird, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte höher sind als die erklärten, und außerdem auf den geschätzten Mehrbetrag der Einkünfte als „Druckmittel“ ein Zuschlag von 5 bis 10% erhoben wird.
Ein Teil des steuerrechtlichen Schrifttums vertritt die Auffassung, dass die Pflicht zur Erstellung einer VP-Doku im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Leistungen innerhalb der EU gegen die unionsrechtlichen Grundfreiheiten verstößt, weil bei inländischen Geschäftsbeziehungen keine entsprechenden Pflichten bestünden.
Dieser Auffassung hat allerdings nun der BFH mit Urteil vom 10. 4. 2013 (I R 45/11, DB 2013 S. 1942) eine Absage erteilt. Aus Sicht des BFH ist die Verpflichtung zur Erstellung einer VP-Doku europarechtskonform und insbesondere auch mit der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG bzw. Art. 56 AEUV vereinbar. Zwar greife die Dokumentationspflicht in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit ein, sie sei aber durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Dazu zähle etwa die wirksame Steueraufsicht, die es den Mitgliedstaaten erlaube, vom Stpfl. Mitwirkungshandlungen zu verlangen, die ihnen zur Verifikation der Besteuerungsgrundlagen notwendig erscheinen. Dem BFH war die administrative und materielle Mehrbelastung, die für den Stpfl. aus der Dokumentationspflicht resultiert, bewusst. Sie führt aus seiner Sicht aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Pflicht, weil sich die zur Bestimmung der Verrechnungspreise erforderlichen internen Informationen (z. B. die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse) des Stpfl. nicht anderweitig – etwa durch grenzüberschreitende Amtshilfe – beschaffen ließen.
Für die Praxis bleibt es daher beim Status Quo, dass es weiterhin die Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO zu beachten gilt, um der Hinzuschätzung steuerpflichtiger Einkünfte und der Festsetzung von Zuschlägen entgegenzuwirken. Allerdings ermahnte der BFH die Finanzverwaltung, die Anforderungen an die VP-Doku nicht im Erlasswege (sprich durch das BMF-Schreiben vom 12. 4. 2005) zu überspannen, und gab dem Kläger mit auf den Weg, dass er sich gegen eine Hinzuschätzung und die Festsetzung von Zuschlägen, die auf überzogenen Anforderungen der Finanzverwaltung beruhe, durch Einspruch und Klage zur Wehr setzen könne.