Ertragsteuerliche Organschaft und Gewinnabführungsverträge – eine unheilvolle Verbindung?

 

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei FGS, Bonn

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei FGS, Bonn

Das ertragsteuerliche Gestaltungsinstrument der Organschaft weist eine enge Verbindung zum Gesellschaftsrecht auf. Körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft führen zu einer weitgehend deckungsgleichen inländischen Ergebnispoolung an der Unternehmensspitze. Die Organgesellschaft – im klassischen Fall eine inländische AG – muss sich durch einen mindestens auf fünf Jahre abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ihre Muttergesellschaft (= Organträger) abzuführen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Im Verlustfall muss die Mutter die negativen Ergebnisse tragen. Es entsteht eine unternehmensvertragliche Risikogemeinschaft, ein Haftungsverbund (§ 73 AO). Entsprechendes gilt für eine inländische GmbH als Organgesellschaft, wobei § 17 Satz 2 KStG ergänzend eine ausdrückliche Bezugnahme auf §§ 301, 302 AktG verlangt. Bedingt durch die Ergebnisabführungsverpflichtung weist die Organgesellschaft deshalb immer ein „Null-Ergebnis“ aus.

Letztlich erfordert eine ertragsteuerliche Organschaft damit stets das Vorliegen eines Vertragskonzerns, der ganz eigenständige, von steuerlichen Zwecken losgelöste gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen (bspw. für Minderheitsgesellschafter) zur Folge hat; ein bloßer faktischer Konzern genügt nicht. Trotz dieser Nähe von Ertragsteuerrecht und Gesellschaftsrecht gehen beide Rechtsbereiche im Detail durchaus unterschiedliche Wege. Dies bereitet praktische Probleme. Man hat mitunter den Eindruck einer „unheilvollen Verbindung“.

Unter drei Aspekten steht der Ergebnisabführungsvertrag derzeit in der Diskussion; es tut sich eine „Großbaustelle“ auf:

Die „formalen Anerkennungshürden“ für einen Ergebnisabführungsvertrag sind aus steuerlicher Sicht in der letzten Zeit durch die Finanzverwaltung bei GmbHs als abhängigen Gesellschaften erheblich verschärft worden. Von höchster Praxisrelevanz ist dabei die Verfügung der OFD Rheinland vom 12. 8. 2009, die bei den betroffenen Unternehmen zu großer Verunsicherung geführt hat. Die Finanzverwaltung geht in dieser Verfügung von einer „verunglückten Organschaft“ aus, wenn in einem Gewinnabführungsvertrag ein klarer Gesamtverweis auf § 302 AktG oder dessen komplette Inhaltswiedergabe fehlt. Dies scheint eindeutig zu weitgehend, höchst formalistisch und nicht sachgerecht.

Die neuere BFH-Rechtsprechung des I. Senats ist zwar ebenfalls recht streng und verlangt trotz zivilrechtlich analoger Anwendung des § 302 AktG im GmbH-Vertragskonzern eine ausdrückliche Verlustübernahmevereinbarung (BFH vom 3. 3. 2010 – I R 68/09, DB0362517); es ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig (2 BvR 998/10). Die OFD Rheinland geht aber deutlich über die Anforderungen des BFH hinaus und wird im Ergebnis nicht haltbar sein. Auch andere Rechtsfragen in Zusammenhang mit Gewinnabführungsverträgen sind zwischenzeitlich in Streit; so wird bspw. diskutiert, ob es sich bei der Fünfjahresperiode um Zeit- oder Wirtschaftsjahre handeln muss. All dies erschwert den Umgang mit der ertragsteuerlichen Organschaft kolossal.

Das derzeit in den parlamentarischen Beratungen befindliche Jahressteuergesetz 2010 will insoweit nun Abhilfe schaffen. Es soll auf Initiative des Bundesrats eine Änderung des § 17 KStG geprüft werden, bei der nicht mehr auf die „Vereinbarung“ der Verlustübernahme in einem Ergebnisabführungsvertrag, sondern auf das „Bestehen“ einer Verlustübernahmeverpflichtung abgestellt werden soll. Die Neuregelung soll als Maßnahme der Steuervereinfachung in allen nicht bestandskräftigen Fällen anzuwenden sein. Hoffentlich findet diese sehr sinnvolle Gesetzgebungsmaßnahme letztlich ihren Weg in das Bundesgesetzblatt. Den praktischen Umgang mit der Organschaft gerade bei abhängigen GmbHs würde dies erheblich vereinfachen.

Schließlich ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. 10. 2009 die Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems anstelle der bisherigen Organschaft „angedacht“. Kernfrage einer solchen konzeptionellen Neuausrichtung ist dabei, ob an dem Erfordernis eines Vertragskonzerns festgehalten werden muss. Wissenschaft und Praxis sprechen sich ganz überwiegend für die Abschaffung der unternehmensvertraglichen Gewinnabführungsverpflichtung aus, zumal sich die handelsbilanzielle Ergebnisabführung konzeptionell mittlerweile weit von der steuerlichen Einkommenszurechnung entfernt hat. Verzichtet der Gesetzgeber auf das Erfordernis einer Gewinnabführungsverpflichtung, könnte ein – ggf. mehrjährig bindendes – Antragsrecht vorgesehen werden. Die Erfahrungen in Österreich mit dem dort seit 2005 bestehenden modernisierten Gruppenbesteuerungssystem mit einem Nachversteuerungserfordernis bei Verlustübernahmen sollte den deutschen Gesetzgeber „inspirieren“. Wünschenswert wäre darüber hinaus eine zumindest behutsame grenzüberschreitende Öffnung der Gruppenbesteuerung für final getragene Auslandsverluste. Hoffentlich kommt die eingesetzte Arbeitsgruppe mit ihren konzeptionellen Überlegungen voran.

Sowohl aus Standort- als auch aus Unternehmenssicht erscheint eine Modernisierung des steuerlichen Organschaftsrechts in Deutschland notwendig. Besonders dringlich ist die Entschärfung der überbordenden Formalismen in Zusammenhang mit dem Ergebnisabführungsvertrag bei einer GmbH (§ 17 Nr. 2 KStG), die der Gesetzgeber vermutlich im JStG 2010 mit steuerlicher Rückwirkung „reparieren“ wird. Aber damit allein ist es sicher nicht getan. Ein „entrümpeltes“ Gruppenbesteuerungssystem ohne Ergebnisabführungsvertrag mit einer ersten behutsamen grenzüberschreitenden Öffnung (fiskal notwendige Beschränkung auf den Import finaler Auslandsverluste) sollte mittelfristig angestrebt werden. Die „Großbaustelle Organschaft“ sollte zügig bearbeitet werden.

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