Ein alltäglicher Fall aus der Beratungspraxis: ein Steuerpflichtiger beabsichtigt einen bestimmten Sachverhalt zu verwirklichen. Da die Umsetzung des geplanten Sachverhalts aber möglicherweise mit Steuernachteilen verbunden ist, rät der Berater zuvor zur Einholung einer verbindlichen Auskunft. Auf den Antrag hin erteilt nun die Finanzverwaltung eine negative verbindliche Auskunft und stützt sich dabei auf die in einem BMF-Schreiben geäußerte Position. Da allerdings gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Verwaltungsauffassung evident rechtsfehlerhaft ist und die Finanzverwaltung bei rechtlich zutreffender Würdigung des Sachverhalts die beantragte verbindliche Auskunft wohl hätte erteilen müssen, erhebt der Steuerpflichtige Verpflichtungsklage auf Erteilung der verbindlichen Auskunft vor dem Finanzgericht. Zu seiner Überraschung weist das Finanzgericht die Klage als unbegründet zurück und verneint einen Anspruch auf Erteilung der beantragten (positiven) Auskunft. Der Steuerpflichtige versteht die Welt nicht mehr, hat sein Berater ihm doch mitgeteilt, dass die verbindliche Auskunft ja gerade dazu dienen soll, rechtsverbindlich Gewissheit über die rechtlich zutreffende zukünftige steuerliche Behandlung einer konkret geplanten Disposition durch die Finanzverwaltung zu erhalten.
Schwerer wiegt jedoch, dass er seine Disposition nur noch vornehmen kann, ohne die beabsichtigte Gewissheit über die steuerrechtlichen Folgen zu haben. Für den Steuerpflichtigen also eine höchst unbefriedigende Situation, die die Frage nach der gerichtlichen Kontrolldichte hinsichtlich des Inhalts der erteilten Auskunft aufwirft. Diese Frage war auch Gegenstand eines Verfahrens vor dem Finanzgericht Köln (Gerichtsbescheid vom 4. 3. 2013 – 3 K 132/10, DB0605869).
Entscheidung des Finanzgerichts Köln
In dem von dem Finanzgericht Köln entschiedenen Fall war die Klägerin, eine Investment-Aktiengesellschaft i. S. des Investmentgesetzes, gesetzlich zur Rücknahme von begebenen Aktien verpflichtet. Unklar war die steuerliche Behandlung der Aktienrücknahmen. Nach der insoweit existierenden Verwaltungsverlautbarung sollte die Anteilsrücknahme als Veräußerung gem. § 18 Abs. 2a InvStG i. V. mit § 8 Abs. 5 InvStG im Rahmen der Abgeltungssteuer besteuert werden. Das Finanzgericht Köln wies die Klage als unbegründet ab, obwohl es gewichtige Anhaltspunkte dafür sah, dass die Verwaltungsverlautbarung evident rechtsfehlerhaft ist. Habe die Verwaltung, so der erkennende Senat, durch ein BMF-Schreiben ihre Rechtsauffassung zu einer steuerrechtlichen Vorschrift kundgetan, so sei das Finanzamt, welches die verbindliche Auskunft erteilen solle, hieran gebunden. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Verwaltungsverlautbarung ihrerseits unschlüssig oder evident rechtsfehlerhaft ist. Die abschließende materiell-rechtliche Beurteilung der Frage, ob die übernommene Rechtsauffassung des BMF, welche das Finanzamt angewendet habe, mit dem Gesetz vereinbar ist, sei vielmehr ausschließlich dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten. Gegen die Entscheidung hat die Klägerin die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision eingelegt (Az. des BFH: I R 22/13).
Würdigung
Interessant wird sein, wie der BFH in dem anhängigen Revisionsverfahren entscheidet, d. h. ob er den Gerichten eine vollumfängliche Kontrolldichte zugesteht oder aber sich der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH (Urteil vom 29. 2. 2012 – IX R 11/11, DB0481942) zur nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte anschließt. Der IX. Senat des BFH ist in der Entscheidung der teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung entgegengetreten, wonach im Hinblick auf den Inhalt einer verbindlichen Auskunft kein Entscheidungsspielraum bestehe,s ondern der Steuerpflichtige einen Anspruch auf die materiell-rechtlich zutreffende Auskunft hat (so das Finanzgericht Köln in seinem Urteil v. 6. 3. 2012 – 13 K 3006/11, DB0479622; Revision eingelegt, Az. des BFH I R 34/12). Das Finanzamt müsse zwar den zur Prüfung vorgelegten Sachverhalt der seiner Ansicht nach richtigen Beurteilung unterwerfen und habe insoweit kein Auswahlermessen zwischen mehreren Auskunftsalternativen. Gleichwohl prüfe das Finanzgericht den Inhalt der verbindlichen Auskunft lediglich darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des – zutreffend erfassten – zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist. Eine schlüssige und nicht evident rechtsfehlerhafte Beantwortung des Auskunftsbegehrens liegt nach Auffassung des Finanzgerichts Köln aber vor, wenn das Finanzamt im Rahmen der verbindlichen Auskunft mitteilt, dass es auf den Sachverhalt das seiner Auffassung nach einschlägige BMF-Schreiben anwenden wird.
Die gegenwärtige Rechtsprechung des IX. Senates ist für die Praxis in höchstem Maße unbefriedigend. Der Steuerpflichtige ist gezwungen, entweder die geplanten Gestaltungsmaßnahmen nach Erteilung einer Negativauskunft nicht weiter zu verfolgen und anderweitig zu disponieren oder aber – sofern aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen notwendig – eine Maßnahme ohne Klarheit über die Steuerfolgen umzusetzen. Über diese würden bei Umsetzung des geplanten Sachverhalts erst in dem späteren Besteuerungsverfahren entschieden, in dem dann allerdings der Sachverhalt mit seinen etwaigen nachteiligen Folgen schon verwirklicht wurde. Insoweit bleibt spannend, wie der I. Senat des BFH sich zu dieser Frage äußeren wird.