Der Nießbrauch an Unternehmensanteilen erfreut sich großer Beliebtheit als Instrument zur Zurückbehaltung von Erträgen und unternehmerischen Mitwirkungsrechten bei der vorweggenommenen Erbfolge. Trotz ungeklärter zivilrechtlicher und steuerlicher Fragen erlebte der Nießbrauch in den letzten Jahren eine regelrechte „Renaissance“, da sein Kapitalwert seit 2009 bei der Schenkungsteuer abgezogen werden kann. Wenn daneben noch die erbschaftsteuerliche Verschonung für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) gewährt wird, lässt sich die Unternehmensnachfolge häufig ganz steuerfrei durchführen. Die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln sind nach der derzeit gültigen Gesetzesfassung bei der Übertragung von Kommanditanteilen allerdings nur anwendbar, wenn der Nachfolger einen Mitunternehmeranteil im ertragsteuerlichen Sinne erwirbt. Wird der Anteilserwerber im Zuge der Schenkung nicht Mitunternehmer, versagt ihm die Rechtsprechung die erbschaftsteuerliche Begünstigung seines Erwerbs. In typischen Nachfolgefällen zeigt sich, dass dieser Verweis des Erbschaftsteuergesetzes auf die ertragsteuerlichen Grundsätze der Mitunternehmerschaft systematisch missglückt ist und zu widersinnigen Ergebnissen bei der Besteuerung führt.
Umfassender Nießbrauch des Übertragenden
Ausgangspunkt mehrerer Entscheidungen des BFH war der Fall, dass sich ein Anteilsinhaber bei Übertragung seines Kommanditanteils auf den Nachfolger im Rahmen eines Nießbrauchs neben den Erträgen umfassende Verwaltungsbefugnisse am Anteil vorbehalten und diese Befugnisse mit schenkungsvertraglichen Sanktionen sowie einer Stimmrechtsvollmacht gesichert hatte. Der II. Senat des BFH versagte dem Erwerber die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Verschonung mit der Begründung, dass der Erwerber mangels Mitunternehmerinitiative keinen Mitunternehmeranteil im ertragsteuerlichen Sinne erworben hatte (BFH vom 10. 12. 2008 – II R 34/07, ZEV 2009, 149).
Nachfolger war vor der Übertragung bereits Gesellschafter
In einem weiteren Fall des BFH hatte der Anteilsinhaber sich mittels des Nießbrauchs neben den Erträgen ebenfalls umfassende Verwaltungsbefugnisse vorbehalten. Besonderheit des Falls war der Umstand, dass der Nachfolger vor der Schenkung bereits Kommanditist der Gesellschaft war, an der er nun einen weiteren Kommanditanteil bekam. Der II. Senat des BFH verneinte diesmal die Anwendbarkeit der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln mit der Begründung, nach dem Gesetzeswortlaut von § 13a ErbStG a. F. (= § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG n. F.) müsse ein Mitunternehmeranteil erworben werden; allein die Tatsache, dass nach dem Erwerb aufgrund der Vereinigung des alten mit dem neuen Kommanditanteils der Erwerber einen einheitlichen Mitunternehmeranteil halte, erfülle somit nicht die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung (BFH v. 23.2.2010 – II R 42/08, ZEV 2010 S. 320 = DB0319425).
Quotennießbrauch des Übertragenden
Zuletzt hatte der BFH die Frage zu entscheiden, ob die erbschaftsteuerliche Verschonung zu gewähren ist, wenn der Anteilsinhaber den Anteil unter Vorbehalt eines Quotennießbrauchs überträgt und sich dabei nur in Höhe seiner Quote umfassende Verwaltungsrechte sichert. Der BFH entschied, dass die Verschonung des § 13a ErbStG dann eben nur in Höhe der Quote zu gewähren ist und der Erwerb im Übrigen der Vollbesteuerung unterliegt. Ob der Kommanditanteil insoweit zivilrechtlich teilbar ist, sei steuerlich nicht maßgeblich, da die Beteiligten zumindest das wirtschaftlich gewollte Ergebnis gegen sich gelten lassen müssten (BFH vom 16. 5. 2013 – II R 5/12, ZEV 2013 S. 409 = DB0598896).
Missglückter Verweis der Erbschaftsteuer auf ertragsteuerliche Grundsätze
Vor dem Wortlaut der §§ 13a, 13b ErbStG sind die drei Entscheidungen des BFH nicht zu beanstanden, da der Gesetzgeber ausdrücklich den Erwerb eines „Anteils an einer Gesellschaft i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG“ zur Voraussetzung für die erbschaftsteuerliche Begünstigung gemacht hat. Es fällt allerdings auf, dass eine so elementare Frage des Ertragsteuerrechts wie die Zurechnung gewerblicher Einkünfte beim Nießbrauch an Kommanditanteilen seit Jahren nicht Gegenstand ertragsteuerlicher Entscheidungen des BFH war, nun aber regelmäßig in erbschaftsteuerlichen Urteilen des BFH auftaucht. Allein diese Häufung belegt einen missglückten Import ertragsteuerrechtlicher Regeln in das Erbschaftsteuerrecht. Abstrakt formuliert folgt die Erbschaftsteuer grundsätzlich einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise, wohingegen das Ertragsteuerrecht auf die wirtschaftlichen Folgen eines Sachverhalts abstellt. Diese unterschiedlichen Bezugspunkte beider Steuerarten werden durch die erbschaftsteuerliche Anknüpfung an die Mitunternehmerstellung miteinander vermengt.
Ertragsteuerliche Zurechnung beim Nießbrauch an Kommanditanteilen schwierig
Bereits im Rahmen der Einkommensbesteuerung ist die Zurechnung von Erträgen beim Nießbrauch an Kommanditanteilen außerordentlich schwierig. Die von den Ertragsteuersenaten des BFH geprägten Kriterien der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos werden beim Nießbrauch an Kommanditanteilen an ihre Grenzen geführt, da der Kommanditist von vornherein eine beschränkte Rechtsstellung innehat. Beim Nießbrauch am Kommanditanteil wird diese ohnehin schon dünne Rechtsausstattung des Kommanditisten zusätzlich noch horizontal gespalten, da der Gesellschafter sich seine Rechte mit dem Nießbraucher teilen muss. Die beim unbelasteten Kommanditanteil noch vorhandene Mitunternehmerinitiative verschwindet daher im Zuge der Nießbrauchsbelastung im Nichts (so bereits Schön, StBJb 1996/97 S. 45, 66 ff.). Marginale Unterschiede in der Verteilung der Verwaltungsrechte können somit zum Umschlagen der ertragsteuerlichen Zurechnung vom Nießbraucher auf den Besteller oder umgekehrt führen, weshalb schon die ertragsteuerlichen Folgen in solchen Fällen oft kaum vorhersehbar sind.
Kriterium der Mitunternehmerschaft versagt für erbschaftsteuerliche Zwecke
Während ein Wechsel der Ertragszurechnung vom Nießbraucher auf den Besteller bei der Einkommensteuer nur eine Änderung des Steuerpflichtigen zur Folge hat, führt dieser Umstand bei der Erbschaftsteuer aufgrund der gesetzlichen Anknüpfung der Verschonungsregeln am Mitunternehmerbegriff zu einem Wechsel von der Vollbesteuerung zur Steuerfreistellung. Das Merkmal der Mitunternehmerstellung ist jedoch ungeeignet, diese qualitativ höchst unterschiedliche steuerliche Behandlung zu rechtfertigen. Denn in den Nießbrauchsfällen ist unzweifelhaft, dass sowohl vor der Schenkung als auch während der Laufzeit des Nießbrauchs als auch nach Ende des Nießbrauchs durchgehend Betriebsvermögen im ertragsteuerlichen Sinne vorhanden ist, dessen zivilrechtlichen Inhaber der Beschenkte geworden ist. Die nachgelagerte Frage, wer die Erträge aus der Beteiligung zu versteuern hat, ist für die Frage nach dem Vorhandensein von – erbschaftsteuerlich begünstigungswürdigem – Betriebsvermögen irrelevant. Die Willkürlichkeiten des erbschaftsteuerlichen Abstellens auf den ertragsteuerlichen Mitunternehmerbegriff zeigen sich nicht zuletzt, wenn der Nießbraucher vorzeitig auf den Nießbrauch verzichtet. Ertragsteuerlich führt dies dazu, dass der Nießbraucher seine Mitunternehmerstellung verliert und fortan allein der Beschenkte die Erträge aus der Beteiligung versteuern muss. Erbschaftsteuerlich ist der Verzicht hingegen als weitere Schenkung zu qualifizieren, die – mangels Begünstigung – erneut voll zu versteuern ist.
Fazit
An den Entscheidungen des BFH wird deutlich, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise des Ertragsteuerrechts längst Einzug in das Erbschaftsteuerrecht gehalten hat. Es ist daher überlegenswert, ob der BFH für die Verweigerung der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln bei umfassenden Nießbrauchsgestaltungen nicht den falschen rechtlichen Anknüpfungspunkt gewählt hat. Wenn die Schenkung eines Kommanditanteils unter Nießbrauchsvorbehalt vertraglich so ausgestaltet ist, dass praktisch alle wirtschaftlich relevanten Vermögens- und Verwaltungsrechte beim Nießbraucher bleiben und der Nachfolger nur eine Eintragung im Handelsregister erwirbt, so lässt sich argumentieren, dass die Schenkung steuerlich noch gar nicht „ausgeführt“ i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist. Eine Besteuerung der Schenkung käme dann erst in Frage, wenn der Nießbrauch wegfällt, d. h. mit Tod oder Verzicht des Nießbrauchers. So könnten die durch das Abstellen auf eine Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers hervorgerufenen erbschaftsteuerlichen Widersprüchlichkeiten vermieden werden. Wünschenswert wäre es daher, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der vermutlich bald wieder anstehenden Neuregelung der Erbschaftsteuer auch diese Fragen einer systematisch folgerichtigen Lösung zuführt. Ein Regelungsvorbild gibt es bereits heute: Im geltenden US-Schenkungsteuerrecht werden Schenkungen erst dann besteuert, wenn ein etwaiger Nießbrauch am Schenkungsgegenstand erloschen ist.