Neues zu inkongruenten Gewinnausschüttungen von (Familien-)Kapitalgesellschaften

RA/StB/FAStR Dr. Jens Escher LL.M., Senior Manager Tax, KPMG AG

RA/StB/FAStR Dr. Jens Escher LL.M., Senior Manager Tax, KPMG AG

Das BMF hat mit Schreiben vom 17.12.2013 (IV C 2 – S 2750-a/11/10001, DB0645271) das bisherige Schreiben zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften aus 2000 ersetzt. Während von den Beteiligungsverhältnissen abweichende, inkongruente Gewinnausschüttungen nach den bisherigen Verwaltungsgrundsätzen nur im Ausnahmefall steuerlich anerkannt werden sollten, sollen entsprechende Gestaltungen nunmehr – entsprechend der ständigen Rechtsprechung – im Grundsatz anerkennungsfähig sein. Als Grenze für die steuerliche Anerkennung seien jedoch die Grundsätze des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) zu beachten. Konkretisierungen diesbezüglich enthält das BMF-Schreiben allerdings nur sehr eingeschränkt, so dass in der Praxis weiterhin Unsicherheiten verbleiben. 

Grundsätze zur Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen

In der Vergangenheit wollte die Finanzverwaltung eine von der Beteiligung am Nennkapital abweichende, inkongruente Gewinnausschüttung nur in Ausnahmefällen anerkennen, nämlich dann, wenn diese aufgrund besonderer, wirtschaftlich beachtlicher Leistungen des betreffenden Gesellschafters gerechtfertigt erscheinen (BMF v. 07.12.2000). Gegen diese Sichtweise ist nicht zuletzt einzuwenden, dass Kapitalgesellschaften gerade nicht durch die Erbringung (auch) persönlicher Gesellschafterbeiträge geprägt sind, sondern durch die reine Kapitalüberlassung. Zudem stand die diese Meinung im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung, wonach gesellschaftsrechtlich zulässige, inkongruente Gewinnausschüttungen im Grundsatz auch steuerlich anzuerkennen sind, selbst dann, wenn sie ausschließlich dazu dienen, individuelle Verlustausgleichsmöglichkeiten zu nutzen (vgl. BFH v. 28.06.2006 – I R 97/05, DB0176069). Dies gilt jedenfalls für Kapitalgesellschaften, an denen fremde Dritte beteiligt sind. Insbesondere bei Familien-Kapitalgesellschaften, bei denen die Fremdüblichkeit der getroffenen Vereinbarungen nicht per se unterstellt werden kann, könne jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vorliege (vgl. BFH v. 04.05.2012 – VIII B 174/11, BFH/NV 2012, 1330).

Dem hat sich das BMF nunmehr weitgehend angeschlossen, ohne aber eine Differenzierung zwischen Familiengesellschaften und anderen Kapitalgesellschaften vorzunehmen. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung ist danach zunächst eine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung. Bei einer GmbH muss grds. eine entsprechende Satzungsbestimmung (§ 29 Abs. 3 GmbHG) getroffen werden, wobei es als ausreichend angesehen wird, wenn nach der Satzung jährlich über eine abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann. Im Fall einer AG muss der abweichende Gewinnverteilungsschlüssel hingegen zwingend in der Satzung festgelegt sein (§ 60 Abs. 3 AktG); eine Öffnungsklausel für eine abweichende Gewinnverteilung im Einzelfall wird nicht anerkannt.

Grenze der Anerkennungsfähigkeit seien die Grundsätze zum steuerlichen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO). Von einem solchen sei nicht auszugehen, „wenn für die abweichende Gewinnverteilung beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden“. Ein Indiz hierfür könne im Fall einer nur kurzfristig geltenden oder wiederholt geänderten Gewinnverteilungsabrede gesehen werden. 

Folgerungen für die Praxis

Das neue BMF-Schreiben ist insoweit zu begrüßen, als das bisherige Regel/Ausnahmeverhältnis umgekehrt wird und inkongruente Gewinnausschüttungen im Grundsatz anerkannt werden. Unsicherheiten verbleiben jedoch im Hinblick auf die Grenzziehung zum steuerlichen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO). Diesbezüglich enthält das BMF-Schreiben nur wenige Anhaltspunkte. Die gewählte Formulierung könnte zudem darauf hindeuten, dass das Vorliegen außersteuerlicher Gründe in jedem Einzelfall vom Steuerpflichtigen nachgewiesen werden muss. Dies geht jedenfalls bei Kapitalgesellschaften, an denen ausschließlich sich nicht-nahestehende Gesellschafter beteiligt sind, über die von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen hinaus.  In einem anhängigen Revisionsverfahren (Az. IV R 28/11) wird der BFH bald Gelegenheit haben, die Grenzen zum steuerlichen Gestaltungsmissbrauch in der hier relevanten Konstellation weiter zu konkretisieren.

Der Vergleich mit den für Familien-Personengesellschaften geltenden Grundsätzen dürfte insoweit wenig Orientierung bieten. Auch hier ist die Angemessenheit der Gewinnverteilung mit Blick auf § 42 AO am Maßstab der Fremdüblichkeit zu messen, wobei auf die individuellen Leistungen der einzelnen Gesellschafter zu schauen ist (vgl. R 15.9 Abs. 3 EStR). Für schenkweise erworbene Anteile soll eine Gewinnverteilung in der Regel als angemessen angesehen werden, wenn die Gewinnzuweisung an ein als Kommanditist beteiligtes, nicht mitarbeitendes Kind nach dem Gewinnverteilungsschlüssel eine durchschnittliche Rendite von nicht mehr als 15% des tatsächlichen Werts der Beteiligung ergibt (BFH v. 29.05.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973 S. 5 = DB 1972 S. 2092; vgl. auch H 15.9 Abs. 5 EStH zu stillen Beteiligungen). Es erscheint jedoch fraglich, ob dieser Maßstab auf die Anerkennungsfähigkeit inkongruenter Gewinnausschüttungen von Familien-Kapitalgesellschaften übertragen werden kann. Denn anders als Personengesellschaften sind Kapitalgesellschaften gerade nicht durch die Erbringung auch persönlicher Gesellschafterbeiträge geprägt (s.o.).

Interessant können im Einzelfall sog. Tracking-Stock Modelle sein, bei denen in der Satzung verschiedene Anteilsklassen geschaffen werden, die jeweils einen bestimmten „Asset-Korb“ repräsentieren (darstellbar z.B. durch Bündelung von Vermögen in unterschiedlichen Tochtergesellschaften). Die Berechtigung der Gesellschafter in Bezug auf Gewinnausschüttungen richtet sich dann nicht nach dem Anteil am Nennkapital der Kapitalgesellschaft, sondern nach den Gewinnen, die im betreffenden „Asset-Korb“ erwirtschaftet wurden. Wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung dürften regelmäßig zu bejahen sein, da jeder Gesellschafter die Chancen und Risiken „seiner“ Anteilsklasse und des hierdurch repräsentierten Vermögens trägt. Mangels einschlägiger Verwaltungsanweisungen sollten entsprechende Strukturen jedoch ggf. mittels einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) abgesichert werden.

Kommentare sind geschlossen.