Entscheidungen der Finanzgerichte zum (nicht mehr ganz) neuen und (noch) aktuellen Erbschaftsteuerrecht sind bislang rar gesät. Ein Urteil des FG Münster (vom 9.12.2013 – 3 K 3969 Erb, EFG 2014, 660, rkr.) bestätigt nun die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung zur „Einheitlichkeit des Optionsantrages“, die für die Steuerpflichtigen ggf. eine „Alles oder Nichts-Entscheidung“ bedeuten kann. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Urteil gewisse Unsicherheiten in Bezug auf die Anforderungen an Poolverträge, die durch die ErbStR 2011 eigentlich behoben schienen.
Sachverhalt
Im Streitfall erbte der Kläger eine Beteiligung an einer GmbH (16,4%) sowie Anteile an einer GmbH & Co. KG nebst Anteilen an der Komplementärin (je 80%). An der GmbH war auch der Kläger (82 %) und eine weitere Gesellschafterin (1,6%) beteiligt.
Nach der GmbH-Satzung bedurfte die Verfügung über Geschäftsanteile zu ihrer Wirksamkeit eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Ferner war eine Verpflichtung zur Andienung der Anteile gegenüber Mitgesellschaftern geregelt. Bei einer Übertragung an einen Mitgesellschafter oder dessen Abkömmlinge sollten beide Beschränkungen nicht eingreifen. Gesellschafterbeschlüsse bedurften nach der Satzung einer Mehrheit von mehr als 75%, wobei der zu 1,6% beteiligten Gesellschafterin unabhängig von der Höhe ihres Geschäftsanteils 25% der Stimmrechte zustanden. Vor Eintritt des Erbfalls hatte der Kläger mit dem Erblasser außerdem durch gesonderten Vertrag die wechselseitige Stimmbindung in Bezug auf die GmbH-Anteile vereinbart.
Es wurde der unwiderrufliche Antrag gestellt, die Steuerbefreiung von 100% (sog. Optionsverschonung, § 13a Abs. 8 ErbStG) in Anspruch zu nehmen. Die Verwaltungsvermögensquote der GmbH wurde sodann vom Finanzamt mit 0 % festgestellt, diejenige der GmbH & Co. KG jedoch mit 47 %. Das Finanzamt gewährte daraufhin für den Erwerb der GmbH-Anteile die beantragte Optionsverschonung; die Erbschaftsteuer bezüglich der GmbH & Co. KG wurde hingegen ohne jeden Verschonungsabschlag festgesetzt, da der Antrag auf Gewährung der Optionsverschonung nur einheitlich für alle erworbenen wirtschaftlichen Einheiten gestellt werden könne. Sofern die engeren Begünstigungsvoraussetzungen der Optionsverschonung in einzelnen Einheiten nicht eingehalten seien, scheide für diese eine Verschonung insgesamt aus (R E 13a.13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011). Dies wurde nun durch das FG Münster bestätigt.
Einheitlichkeit des Optionsantrags
Die Frage, ob der Optionsantrag tatsächlich nur einheitlich für alle zum Erwerb gehörenden wirtschaftlichen Einheiten gestellt werden kann oder ob das Gesetz nicht auch eine „objektbezogene“ Option zulassen würde, wird in der Literatur ganz überwiegend im letzteren Sinne beantwortet. Demgegenüber versteht das FG Münster die gesetzliche Formulierung des § 13a Abs. 1 ErbStG, wonach der Wert des begünstigten Vermögens „insgesamt außer Ansatz“ bleibt, ebenso wie die Finanzverwaltung im ersteren Sinne. Begünstigt seien nach § 13b Abs. 4 ErbStG 85% bzw. nach § 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG 100% des in § 13b Abs. 1 ErbStG genannten Vermögens. Bezogen auf den jeweiligen steuerpflichtigen Erwerb bestehe nach dem Gesetzeswortlaut ein Alternativverhältnis in der Anwendung der Steuerbefreiung, ohne dass § 13a Abs. 8 ErbStG eine Differenzierungsmöglichkeit zu entnehmen sei. Bei Ausübung der Option würden die Tatbestandsmerkmale der §§ 13a, 13b ErbStG für den Erwerber insgesamt modifiziert, sodass insbesondere die strengere Anforderung an das Verwaltungsvermögen (10%) für den gesamten Erwerb gelte.
Diese Auslegung erscheint jedoch m.E. nicht zwingend, da der Wortlaut der §§ 13a, 13b ErbStG auch eine objektbezogene Betrachtung hinsichtlich der Optionsverschonung zulässt. § 13b Abs. 8 ErbStG modifiziert die in §§ 13a, 13b ErbStG geregelten Verschonungsvoraussetzungen (Mindestlohnsumme; Behaltensfrist; Verwaltungsvermögenstest). Deren Einhaltung ist jedoch stets mit Blick auf die einzelne wirtschaftliche Einheit zu prüfen, was auch das FG Münster anerkennt. Aber auch § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG spricht nicht pauschal den Erwerb von nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigtem Vermögen an, sondern unterscheidet zwischen verschiedenen Vermögensarten, deren (gesondert zu ermittelnder) Wert außer Ansatz bleiben soll. Insoweit bleibt abzuwarten, ob ein anderes Finanzgericht oder der BFH in der Zukunft insoweit zu einem anderen Ergebnis kommen wird. In der Praxis gilt es die nun durch ein Finanzgericht zunächst einmal „abgesegnete“ Auffassung der Finanzverwaltung zu beachten, sodass vor Stellung eines Optionsantrags (bis zur materiellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung möglich, R E 13a.13 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011) sorgfältig zu prüfen ist, ob die strengeren Anforderungen in jeder wirtschaftlichen Einheit mit erheblichem Wert erfüllt werden können; in kritischen Fällen kann auch ein prophylaktischer Verzicht auf die Optionsausübung in Betracht kommen. Bei lebzeitigen Übertragungen bietet sich außerdem die Vermeidung eines einheitlich zu beurteilenden Erwerbs durch Vornahme mehrerer zeitlich getrennter Übertragungen an.
Anforderungen an einen Poolvertrag
Ohne dass es im Streitfall entscheidungserheblich war, äußerte sich das Gericht in einem obiter dictum außerdem zu den Anforderungen an einen Poolvertrag und vertrat dabei eine Auffassung, die enger sein dürfte als die in den Richtlinien niedergelegte Sichtweise (R E 13b.6 Abs. 4 ErbStR).
Eine hinreichende Stimmbindung aufgrund der vertraglichen Vereinbarung erkannte das Gericht im Streitfall zwar an. Es äußerte jedoch Zweifel, ob die vom Gesetz geforderte Verpflichtung gegeben war, nur einheitlich über die Anteile zu verfügen oder sie nur auf andere derselben Verpflichtung unterliegenden Anteilseigner zu übertragen (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG). Zwar sei eine solche Verpflichtung auch im Gesellschaftsvertrag möglich (vgl. auch R E 13b.6 Abs. 4 Satz 2, Abs. 6 ErbStR 2011). Die in der Satzung enthaltene Vinkulierung enthalte jedoch keine hinreichende Verpflichtung der Anteilsinhaber, nur in bestimmter Weise über den Anteil zu verfügen, da nach der Formulierung weder eine Verpflichtung zur einheitlichen Verfügung noch zur Übertragung nur auf bestimmte Personen bestehe.
Insoweit sieht das Gericht die Anforderungen an eine Poolvereinbarung offensichtlich enger als die Finanzverwaltung, die in den ErbStR 2011 (R E 13b.6 Abs. 4 Satz 2 ff.) zu den Voraussetzungen einer Poolvereinbarung in einer Weise Stellung genommen hat, die mit der im Schrifttum zuvor vertretenen Auffassung weitgehend übereinstimmt. Danach ist es insbesondere nicht erforderlich, dass alle Poolmitglieder zum selben Zeitpunkt über ihre Anteile verfügen oder die Anteile auf dieselbe Person übertragen. Als ausreichend für eine „einheitliche Verfügung“ wird es vielmehr angesehen, wenn für die Poolmitglieder die gleichen Verfügungsregeln hinsichtlich der gepoolten Anteile festgelegt sind. Daraus muss sich ergeben, dass die Anteile nur an einen bestimmten Personenkreis übertragen werden dürfen oder dass eine Übertragung der Zustimmung der Mehrheit der Poolmitglieder bedarf.
Im Streitfall war eine Übertragung an Mitgesellschafter oder deren Abkömmlinge nach der getroffenen Vereinbarung freigestellt, mithin die Übertragung an einen bestimmten Personenkreis. Im Übrigen bedurfte die Verfügung über Geschäftsanteile zu ihrer Wirksamkeit eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung, der sowohl der Erblasser als auch der Kläger angehörten; eine Übertragung an Dritte war ohne Zustimmung der Mehrheit der Poolmitglieder also nicht möglich. Insoweit unterlagen die Poolmitglieder (Erblasser und Kläger) den gleichen Verfügungsregeln.
Vor diesem Hintergrund dürften die in den ErbStR 2011 genannten Anforderungen an eine Poolvereinbarung im Streitfall erfüllt gewesen sein. Die Stimmrechtsbindung bestand zwar nur zwischen dem Erblasser und dem Kläger, sodass der Kreis der an die Verfügungsbeschränkungen gebundenen Gesellschafter weiter war. Mit Blick auf den Erblasser und den Kläger, die zusammen zu mehr als 25 % an der GmbH beteiligt waren, waren jedoch beide Voraussetzungen einer Poolung (Stimmrechtsbindung und gleiche Verfügungsregeln) erfüllt.
Welche strengeren Anforderungen im Einzelnen nach Auffassung des FG Münster an eine Verpflichtung zur einheitlichen Verfügung zu stellen sind, bleibt – auch unter Berücksichtigung der vom Gericht in Bezug genommenen Kommentarstelle (Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG 2013, § 13b Rn. 63 f.) – offen.