Es gibt Beratungssituationen für den Steuerberater, in denen nur noch das Finanzamt einen verlässlichen „Rechtsrat“ geben kann. Das ist dann der Fall, wenn Rechtsprechung und Verwaltungserlasse Besteuerungsfragen nicht mit hinreichendem Detaillierungsgrad klären und die Steuerrisiken für den Steuerpflichtigen erheblich sind. Für diesen Fall sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, Besteuerungsfragen vorab durch eine verbindliche Auskunft (§ 89 AO) oder eine Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG) zu klären. Diese Instrumente sind in der Praxis aber häufig nicht ausreichend.
Erlöse aus Managementbeteiligungen
So unterliegen Managementbeteiligungen seit einiger Zeit einer intensiven „Beobachtung“ durch die Finanzverwaltung. Beteiligte Manager müssen bei einem erfolgreichen Exit und positiven Erlösen aus der Beteiligung mit einer intensiven Betreuung und Prüfung durch die Finanzverwaltung rechnen. Immer aber geht es um die Frage, ob Erlöse aus Managementbeteiligungen ganz oder teilweise den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit zuzurechnen sind und damit beim Arbeitgeber Lohnsteuer einzubehalten ist (siehe hierzu Beitrag „Managementbeteiligungen sind Kapitalvermögen!„). Insbesondere bei Beteiligungen, die vor 2009 erworben wurden, beträgt das Steuerrisiko ca. 50% der Gewinne, bei Beteiligungen die ab 2009 erworben wurden, liegt der Besteuerungsunterschied immer noch bei ca. 20%, ist also erheblich.
Bei der Implementierung von Managementbeteiligungen besteht jedoch die Besonderheit, dass eine Vielzahl von Personen mit Wohnsitzen in ganz Deutschland denselben Sachverhalt verwirklicht. Dementsprechend müsste für jeden Beteiligten eine verbindliche Auskunft eingeholt werden, ohne dass eine Abstimmung zwischen den verschiedenen Finanzämtern stattfindet. Außerdem dauert das Verfahren häufig bis zu neun Monaten oder noch länger, so dass eine Umsetzung der Managementbeteiligung zu einem vorab festgelegten Verkehrswert bei zwischenzeitlichen Wertsteigerungen der Beteiligung nicht mehr möglich ist, ohne einen geldwerten Vorteil auszulösen.
Bindungswirkung einer Lohnsteueranrufungsauskunft
In der Praxis wird daher häufig der Weg über die Lohnsteueranrufungsauskunft gemäß § 42e EStG gegangen, die nur beim Betriebsstättenfinanzamt beantragt wird. Denn die steuerlichen Sachfragen sind für die Frage des Lohnsteuereinbehalts bei der Arbeitgebergesellschaft und die Frage, ob die Erlöse aus der Beteiligung beim Manager als Gehaltsbestandteil zu besteuern sind, grundsätzlich gleich. Die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung betonen in diesem Zusammenhang aber ausdauernd, dass die Lohnsteueranrufungsauskunft nur für den Arbeitgeber Bindungswirkung hat, da nur er zum Einbehalt der Lohnsteuer verpflichtet ist und es sich bei der Lohnsteuer ja auch nur um eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer handelt. Der Arbeitnehmer könne sich für seine Einkommensteuerveranlagung nicht auf eine dem Arbeitgeber erteilte Lohnsteueranrufungsauskunft berufen.
Der folgende Leitsatz der BFH-Entscheidung vom 17.10.2013 (BFH vom 17.10.2013 – VI R 44/12, DB0646521) verwundert insofern: „Erteilt das Betriebsstättenfinanzamt dem Arbeitgeber eine Lohnsteueranrufungsauskunft, sind die Finanzbehörden im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens an diese auch gegenüber dem Arbeitnehmer gebunden.“ In der Entscheidung führt der BFH aus, dass „die vom Arbeitgeber aufgrund einer unrichtigen Anrufungsauskunft nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nicht nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG [nachgefordert werden kann]“
Änderung der Rechtsprechung?
Bei unbefangener Lektüre der Entscheidung könnte man glauben, dass es sich um eine Änderung der Rechtsprechung handelt und sich damit auch Manager für ihre Besteuerung mit der Einkommensteuer auf eine von der Arbeitgebergesellschaft eingeholte Lohnsteueranrufungsauskunft berufen könnten. Bei genauerer Prüfung des entschiedenen Sachverhalts stellt man jedoch fest, dass der von der Entscheidung betroffene Arbeitnehmer im Streitjahr gar nicht zur Einkommensteuer veranlagt worden war (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG). Damit hatte der Lohnsteuereinbehalt für die Einkommensteuer des Arbeitnehmers abgeltende Wirkung. Dementsprechend ändert die Entscheidung des BFH nichts daran, dass eine Lohnsteueranrufungsauskunft keine Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers hat, denn darauf bezieht sich der BFH im entschiedenen Fall gerade nicht.
Dennoch wäre es wünschenswert, wenn sich die Finanzverwaltung bisweilen an die logische Verknüpfung zwischen Lohnsteuer und Einkommensteuer bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit erinnern würde. Grundsätzlich darf derselbe Sachverhalt (bei vollständiger Kenntnis) steuerlich nicht unterschiedlich gewürdigt werden, je nachdem, ob Steuereinnahmen zu erwarten sind oder nicht. In der Praxis wird von einer Lohnsteueranrufungsauskunft aber zu oft aus rein fiskalischen Gründen zu Lasten des Steuerpflichtigen abgewichen. Dem Steuerpflichtigen ist eine solche Vorgehensweise rechtlich nicht zu vermitteln.