Die einmalige Verwertung entstandener Verluste ist eine der zentralen steuerlichen Herausforderungen für international positionierte deutsche Konzerne, um eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit ihre (steuerliche) Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Dies gilt insbesondere auch für die im Folgenden thematisierten ausländischen Betriebstättenverluste deutscher Kapitalgesellschaften.
Neuere Rechtsprechung
Für ausländische Betriebsstättenergebnisse greift abkommensrechtlich im Regelfall die Freistellungsmethode. Nach der vom BFH in ständiger Rechtsprechung entwickelten Symmetriethese sind bei einem DBA mit Freistellungsmethode sowohl positive als auch negative Einkünfte von der inländischen Bemessungsgrundlage auszunehmen, sodass eine Verrechnung ausländischer Betriebsstättenverluste mit inländischen Gewinnen grundsätzlich ausscheidet. Unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung gestattet der BFH jedoch eine Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste auch im Freistellungsfall, wenn die Verluste im ausländischen Staat aus tatsächlichen Gründen final werden. Eine solche Finalität liege nicht vor, wenn die Verluste nach rechtlichen Gegebenheiten verfallen, bspw. weil im Betriebsstättenstaat nur ein zeitlich begrenzter Vortrag erlaubt ist. Falls jedoch alle tatsächlichen Verlustnutzungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Verluste dennoch nach den tatsächlichen Gegebenheiten nicht nutzbar sind, bspw. infolge einer entgeltlichen Übertragung der Betriebsstätte, sei eine inländische Verrechenbarkeit dieser dann als final zu klassifizierenden Verluste anzunehmen. Abweichend von früheren Stellungnahmen zu Gunsten einer phasengleichen Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten sollten diese Verluste für Körperschaft- als auch für Gewerbesteuerzwecke (erst) im Finalitätsjahr abzugsfähig sein.
Dieses Konzept der Verlustfinalität ist nicht unumstritten. So wird etwa in der Literatur die Ansicht vertreten, dass eine Verlustverrechnung erst bei Aufgabe auch des Stammhauses zulässig sei. In einem jüngst veröffentlichten Judikat (BFH vom 05.02.2014 – I R 48/11, DB0652218) stellt der BFH jedoch klar, dass er an der Symmetriethese als auch an dem Konzept der Verlustfinalität festhält. Im Urteilsfall erlitt eine deutsche GmbH aus ihrer belgischen Zweigniederlassung einen laufenden Verlust sowie aus dem Verkauf des Betriebsstättenvermögens an eine nahe stehende belgische Kapitalgesellschaft einen Veräußerungsverlust. Der BFH entschied, dass die Nutzung der Verluste im Inland zulässig sei, da die Verluste in Belgien aus tatsächlichen Gründen anderenfalls gänzlich unberücksichtigt blieben. Diesem Ergebnis stünden mangels entsprechender Anhaltspunkte insbesondere nicht die allgemeine Missbrauchsverhinderungsnorm des § 42 AO sowie der Umstand entgegen, dass die Verluste im Falle einer zukünftigen erneuten wirtschaftlichen Betätigung im Betriebsstättenstaat potenziell genutzt werden können.
Praxisfolgen
Abzuwarten bleibt, wie die Finanzverwaltung auf das aktuelle BFH-Urteil (I R 48/11 = DB0652218) reagiert. Auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums ist eine Veröffentlichung des Urteils im BStBl. Teil II (bislang) nicht vorgesehen. Nicht zuletzt durch die klarstellenden Äußerungen in diesem Urteil sollte jedoch die Geltung des Konzepts der Verlustfinalität nunmehr unstrittig sein. Zudem präzisiert der BFH begrüßenswerterweise die Finalitätsbegrifflichkeit und entwickelt somit das Konzept der Verlustfinalität fort:
Der Steuerpflichtige hat für die inländische Verlustverrechnung nachzuweisen, dass die ausländischen Betriebsstättenverluste anderenfalls aus tatsächlichen Gründen gänzlich unberücksichtigt blieben, wie etwa im Falle der Veräußerung oder Aufgabe der Betriebsstätte bzw. ihrer Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte für eine zukünftige Verlustnutzung im Betriebsstättenstaat gegeben sind (z.B. kurz bevorstehende Wiedereröffnung einer Betriebsstätte), sollte die inländische Verwertung ausgeschlossen sein; eine lediglich abstrakte Möglichkeit ist hingegen unschädlich. Vergleichbares gilt in Bezug auf die Vorschrift des § 42 AO. Deren Anwendbarkeit sollte demnach unter anderem voraussetzen, dass sich der Steuerpflichtige willkürlich oder freiwillig in die steuerlich vorteilhafte Situation finaler Verluste begeben hat. Eine generelle Annahme des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, bspw. wenn Betriebsstättenverluste aus einer Transaktion mit einer nahe stehenden Person resultieren, scheidet dagegen aus. Die Relevanz dieser Ergebnisse dürfte sich nicht nur auf ausländische Betriebsstättenverluste beschränken, da eine analoge Anwendung auch auf Verluste ausländischer Rechtsgebilde, die aus deutschsteuerlicher Sicht als Personengesellschaft einzustufen sind, greifen sollte.
Aufgrund ihrer Nachweispflicht haben Steuerpflichtige eine adäquate Dokumentation für die Nutzbarkeit ausländischer Betriebsstättenverluste zu erstellen. Vor dem Hintergrund der relativ höheren Hürden zur Nutzung finaler Verluste von ausländischen Kapitalgesellschaften entstehen Anreize für eine legal entity rationalization zwecks Realisierung eines steuerlichen Einheitsunternehmens. Da auch steuerplanerisch das Auslaufen ungenutzter Verlustvorträge nicht in jedem Fall zu verhindern ist, bleibt zu hoffen, dass der deutsche Steuergesetzgeber zeitnah international wettbewerbsfähige Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung entwickeln wird.