Jetzt hat es also auch die Mindestbesteuerung erwischt! Geduldig arbeitet der BFH daran, das Unternehmenssteuerrecht wieder in einen rechtsstaatwürdigen Zustand zu bringen. Nachdem verschiedene steuerliche Rückwirkungen vom BVerfG weitgehend „kassiert“ worden sind und die Zinsschranke derzeit auf dem Prüfstand steht, hat der BFH nunmehr die Mindestbesteuerung zur Überprüfung beim BVerfG angemeldet – allerdings, dies vorweg, nicht die Mindestbesteuerung insgesamt, sondern nur ihre schärfste Auswirkung.
Worum geht es konkret?
In dem Streitfall hatte die steuerpflichtige Gesellschaft eine Teilwertabschreibung in Höhe von ca. 44 Millionen EURO auf eine Forderung vornehmen müssen. In Folge einer Wertaufholung musste die Teilwertabschreibung zwei Jahre später rückgängig gemacht werden. Aufgrund der Mindestbesteuerung konnte der Zuschreibungsgewinn nur zu einem Teil mit Verlustvorträgen verrechnet werden. Die Gesellschaft befand sich bereits vorher in einem Insolvenzverfahren, welches einige Jahre später durch Schlussverteilung beendet wurde. Sie hatte aufgrund der Mindestbesteuerung keine Gelegenheit, ihre durch die Abschreibung entstandenen Verlustvorträge vollständig aufzubrauchen. Der Fall erreichte nach erfolgloser Klage den BFH.
Mindestbesteuerung grundsätzlich akzeptabel
Dieser hat nunmehr mit Beschluss vom 26.02.2014 (I R 59/12, DB0669781) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG sowie § 10a Satz 2 GewStG) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Zunächst ist festzuhalten, dass der BFH die Mindestbesteuerung nicht insgesamt für verfassungswidrig hält. Denn das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausprägung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) erfordere zwar, dass ein Ausgleich zwischen den erwirtschafteten besteuerbaren Einnahmen und den zur Erzielung dieser Einnahmen aufgewendeten Ausgaben erfolgt (objektives Nettoprinzip). Dies gelte auch, wenn die Einnahmen und Aufwendungen nicht im selben Veranlagungszeitraum anfallen. Allerdings sei es nicht schädlich, wenn ein Verlustausgleich nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolge. Es genüge, wenn Verluste überhaupt steuerlich berücksichtigt werden. Insoweit hat sich der BFH schon mehrfach geäußert, gegen die überwiegende Auffassung der Literatur.
Sachzusammenhang und definitiver Verlust
Hier kam der BFH aufgrund zweier Besonderheiten dennoch zu einer Vorlage zum BVerfG. Es bestand ein innerer Sachzusammenhang zwischen dem Verlust und dem Gewinn. Denn nur die Teilwertabschreibung, die den Verlust verursacht hatte, führte durch die Wertzuschreibung zu dem steuerpflichtigen Gewinn, der nicht vollständig mit den vorhandenen Verlusten saldiert werden konnte. Darüber hinaus wurde der Verlust definitiv, weil die Gesellschaft durch Vollbeendigung nicht mehr in der Lage war, ihn mit weiteren Erträgen zu saldieren. Hierin sah auch der BFH aufgrund der damit verbundenen Substanzbesteuerung einen Verstoß gegen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Bemerkenswert ist, dass der BFH in der Begründung seines Beschlusses diese Besonderheiten aufzeigte, in der Vorlagefrage an das BVerG jedoch pauschal auf die gesetzlichen Normen abstellte, ohne die Anfrage einzugrenzen.
Sonderbehandlung definitiver Verluste?
Die gesonderte Behandlung definitiver Verluste ist derzeit en vogue, siehe die Behandlung definitiver Auslandsverluste. Auf den ersten Blick erscheint das Konzept, definitive Verluste anders zu behandeln als laufende, ein sinnvoller Ausgleich zwischen den Interessen des Fiskus und den Interessen des Steuerpflichtigen. Allerdings ist zu befürchten, dass dieses Konzept am Ende derart streitanfällig ist, dass es in der Praxis nicht befriedigend umzusetzen ist.
Zum einen stellt sich die Frage, wann ein Verlust definitiv ist. Man denke an den Gesellschafter einer Personengesellschaft, die sich mit umfangreichen (echt erwirtschafteten!) Verlustzuweisungen aus dem Geschäftsleben verabschieden musste. Natürlich steht es dem Gesellschafter frei, durch künftige Arbeit steuerpflichtiges Einkommen zu generieren, mit dem er die ihm zugewiesenen Verluste nutzen kann. Sollte der Gesellschafter das 80. Lebensjahr überschritten haben und nicht über erhebliches Privatvermögen verfügen, mag das jedoch nicht mehr sehr wahrscheinlich sein. Wer möchte hier die Altersgrenze definieren? Und falls es eine Altersgrenze gäbe, ändert sich diese im Hinblick auf die Einführung der Rente mit 67?
Zum anderen stellt sich die Frage, ob eine freiwillige Herbeiführung der Beendigung der Tätigkeit wieder schädlich ist. Der BFH selber arbeitet heraus, dass die Gesellschaft ihre Verluste aufgrund einer Insolvenz, also unfreiwillig, nicht nutzen konnte. Wäre eine normale Liquidation „freiwillig“ – auch wenn sie zur Vermeidung einer Insolvenz, also gemessen an den Vorgaben des Insolvenzrechts, rechtzeitig erfolgt?
Eine sinnvolle, verfassungsrechtlich akzeptable und einfache Lösung drängt sich, mit Ausnahme der aus fiskalischem Interesse nicht gewollten Abschaffung der Mindestbesteuerung, gegenwärtig leider nicht auf.