Am 4. 8. 2010 hat der BFH den in einem Aussetzungsverfahren ergangenen Beschluss vom 25. 5. 2010 (IX B 179/09) zu Optionsgeschäften im Bereich der privaten Vermögensverwaltung veröffentlicht. Der Antragsteller hatte in den Streitjahren 2002 bis 2004 als Optionsgeber Stillhaltergeschäfte auf Terminkontrakte und Devisentermingeschäfte abgeschlossen und hieraus Stillhalterprämien in Höhe von 91 Mio. € erzielt. Mit dem Eingehen der Stillhalterposition war die Verpflichtung verbunden am Fälligkeitstermin bei Ausübung der Option durch den Optionskäufer den Basiswert zum festgelegten Preis zu liefern bzw. einen entsprechenden Barausgleich zu leisten. Den Stillhalterprämien standen in den Streitjahren Verluste aus Basisgeschäften in Höhe von 93 Mio. € gegenüber. Insgesamt wurde aus den Geschäften ein Verlust erzielt. Betroffen ist die „alte Rechtslage“ vor Einführung der Abgeltungsteuer.
Das Finanzamt stufte die Einnahmen aus den verkauften Optionsrechten als solche aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG und den Verlust aus den Basisgeschäften als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein. Obwohl also insgesamt ein Verlust in Höhe von 2 Mio. € eintrat, verlangte das Finanzamt Steuern auf die Stillhalterprämien in Höhe von 91 Mio. EUR. Eine Ergebnisverrechnung lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung ab.
Das Finanzgericht München hatte in seinem Beschluss vom 12. 8. 2009 (1 V 1193/09, EFG 2009 S. 2035) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Beurteilung und hat dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben. Nach Auffassung des FG München war ernstlich zweifelhaft, ob der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung den wirtschaftlichen Gehalt der getätigten Optionsgeschäfte zutreffend erfasst hat. Das FG München ließ daher eine begrenzte Verrechnung von Verlusten aus Basisgeschäften bis zur Höhe der erzielten Stillhalterprämie zu. Hiergegen richtete sich die von dem Finanzamt beim BFH geführte Beschwerde.
BFH hält an langjähriger Rechtsprechung fest
Der BFH ist in seinem Beschluss vom 25. 5. 2010 der Rechtsauffassung des FG München nicht gefolgt. Vielmehr hat der BFH an der in langjähriger Rechtsprechung vertretenen Trennungstheorie festgehalten, die das Optionsbegebungsgeschäft von dem späteren Abschlussgeschäft trennt (vgl. BFH vom 28. 11. 1990 – IX R 197/87, BStBl. II 1991 S. 300 = DB 1991 S. 420). Muss der Stillhalter den an den Optionskäufer zu liefernden Basiswert innerhalb der Spekulationsfrist erst beschaffen, kommt eine Umqualifikation der Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) in solche nach § 22 Nr. 3 EStG nicht in Betracht. Nicht einmal „ernstliche Zweifel“ erkennt der BFH an. Dies ist enttäuschend zumal auch die verfassungsrechtlichen Hinweise knapp ausfallen. Auf den ersten Blick erscheint jedenfalls nicht sehr eingängig, dass der Maßstab sachgerechter finanzieller Leistungsfähigkeitsbesteuerung das vom BFH vertretene Ergebnis tragen soll.
Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung
Der Beschluss des BFH lässt außer acht, dass die einheitliche Nutzung einer Erwerbsgrundlage nicht künstlich in die Tatbestände des § 22 Nr. 3 EStG und § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aufgeteilt werden kann. Der Steuerpflichtige hat ein einheitlich zu beurteilendes Optionsgeschäft getätigt, das mit dem eingehen einer Stillhalterposition eröffnet und durch die Lieferung des Basiswerts zum Abschluss gebracht wird. Wirtschaftlich gesehen ist Gewinn oder Verlust ausschließlich der Differenzbetrag zwischen den beiden Geschäften. Ein Wertungswiderspruch besteht auch darin, dass nach der BFH-Rechtsprechung vom 17. 4. 2007 (IX R 40/06, BStBl. II 2007 S. 608 = DB 2007 S. 1384) im Fall der Glattstellung durch ein positionsausgleichendes Gegengeschäft die von dem Optionsgeber (Stillhalter) an den Optionsverkäufer des Gegengeschäfts zu zahlende Prämie als Erwerbsaufwand die Einkünfte des Stillhalters aus § 22 Nr. 3 EStG mindert; ein Barausgleich stellt hingegen einen nicht steuerbaren Vorgang in der privaten Vermögenssphäre dar (BFH vom 13. 2. 2008, IX R 68/07, BStBl. II 2008 S. 522 = DB 2008 S. 849). Zum anderen ist aus Sicht des Veranlassungsprinzips auch kein Grund erkennbar, dass Vorgänge, die im Bereich des § 15 EStG einheitlich den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugewiesen werden, im Bereich des Privatvermögens künstlich auf zwei „Schubladen“ innerhalb der Einkunftsart sonstige Einkünfte“ aufgeteilt werden. Der BFH hat insoweit die Chance verpasst, seine bisherige Rechtsprechung zu überdenken.
Die Zweifel an der bisherigen BFH-Rechtsprechung treten noch deutlicher im Fall sog. Kombinationsgeschäfte zutage. Hier wird zeitgleich mit dem Eingehen einer Stillhalterposition als Optionsverkäufer aus Gründen der Risikobegrenzung ein Gegengeschäft abgeschlossen, bei dem Optionen mit derselben Laufzeit aber niedrigerem Basiskurs gekauft werden. Vor Fälligkeit erfolgt die Glattstellung durch positionsausgleichende Gegengeschäfte. D. h. das Kombinationsgeschäft ist ausschließlich auf die Differenz zwischen verkauften und gekauften Optionen ausgerichtet. Die BFH-Rechtsprechung weist allerdings das Ergebnis verkaufter Optionsrechte dem § 22 Nr. 3 EStG und angeschaffter Optionsrechte dem § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu mit der Folge, dass ein Ergebnisausgleich nicht stattfindet (BFH vom 29. 6. 2004, IX R 26/03, BStBl. II 2004 S. 995 = DB 2004 S. 1862). Die Rechtsprechung nimmt die einheitliche Veranlassung des Kombinationsgeschäftes nicht zur Kenntnis.
Der Gesetzgeber hat ab 2009 durch den Übergang zu einem System der Abgeltungsteuer die Trennungstheorie für durch positionsausgleichende Gegengeschäfte glattgestellte Kombinationsgeschäfte aufgehoben (vereinnahmte Stillhalterprämien als auch Ergebnisse aus verkauften Optionsrechten werden mit § 20 Abs. 1 Nr. 11 bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG den Einkünften aus Kapitalvermögen zugewiesen). Für Verluste aus Aktien-Basisgeschäften greift allerdings die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG, da der Gesetzgeber Aktienverluste i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in einem eigenen Verlustverrechnungskreis eingeschlossen hat, sodass die Problematik der Verlustverrechnungsbeschränkung fortbesteht.