Vor dem Hintergrund stetig steigender Grunderwerbsteuersätze (vgl. die jüngst beschlossene Erhöhung von 5% auf 6,5% zum 1. Januar 2015 in NRW) kommt der steuerfreien Anteilsübertragung an grundstückshaltenden Personengesellschaften im Wege von Share Deals große Bedeutung zu. Nunmehr hat der BFH mit Urteil vom 9. Juli 2014 (II R 49/12, DB0670007) die Anforderungen verschärft, gibt aber zugleich auch Hinweise, wie zukünftig vorzugehen ist.
Ausgangsfall
Bei Share Deals mit grundstückshaltenden Personengesellschaften liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang im Sinne von § 1 Abs. 2a GrEStG vor, wenn unmittelbar und/oder mittelbar innerhalb von fünf Jahren mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. In der Praxis werden deshalb häufig zunächst 94% der Anteile und nach Ablauf der Fünfjahresfrist die restlichen 6% veräußert. Hierbei kommen in Bezug auf die ausstehenden 6% häufig kombinierte Put-/Call-Optionen zum Einsatz und Stimmrechte sowie Gewinnbeteiligung des 6%-Gesellschafters werden für diese Zeitspanne geregelt.
Urteilsfall
Dem BFH lag nun ein Sachverhalt vor, in dem der verbleibende Anteil durch schuldrechtliche Bindungen wirtschaftlich sehr stark „ausgehöhlt“ wurde. Der Neugesellschafter erwarb 94,4% der KG-Anteile und sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH. Die übrigen 5,6% der KG-Anteile verblieben beim Altgesellschafter. Hinsichtlich dieser Minderheitsbeteiligung wurde dem Neugesellschafter zusätzlich eine nach 5 Jahren ausübbare Call-Option zu einem bereits feststehenden Kaufpreis eingeräumt und dem Altgesellschafter eine gleichlaufende Put-Option. Zudem erhielt der Erwerber das Gewinnstammrecht am Anteil des Altgesellschafters sowie eine unwiderrufliche Vollmacht zur Geltendmachung und Wahrnehmung aller Rechte aus diesem Kommanditanteil. Dem Altgesellschafter wurde im Gegenzug ein Darlehen entsprechend dem Wert seines Restanteils zur Verfügung gestellt, welches unverzüglich zur Auszahlung gelangte. Trotzdem entschied die Vorinstanz (FG Baden-Württemberg vom 27. Juli 2011 – 2 K 364/08), dass kein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand vorliege, vor allem weil der Anteil zivilrechtlich weiter dem Altgesellschafter zustand.
Der BFH bejahte dagegen § 1 Abs. 2a GrEStG mittels Auslegung des Tatbestandsmerkmals der mittelbaren Anteilsübertragung. Anders als bei der unmittelbaren Anteilsübertragung komme es nicht auf die dingliche Zuordnung sondern auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an. Deshalb könne sich eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands auch aus schuldrechtlichen Bindungen des Altgesellschafters ergeben, so dass dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen dem Neugesellschafter zuzurechnen sei. Für die Zurechnungsentscheidung könne dabei auf die bisher zu § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO aufgestellten ertragsteuerlichen Grundsätze zurückgegriffen werden.
Entscheidungserheblich sei demnach eine Gesamtschau der Verhältnisse im Einzelfall. Hierbei nutzt der BFH drei Kriterien, deren kumulatives Vorliegen zu einer mittelbaren Anteilsübertragung führen soll:
- Der Neugesellschafter hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position inne, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann.
- Das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung des Anteils geht bereits auf den Neugesellschafter über.
- Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte gehen auf den Neugesellschafter über.
Durch die Call-Option zu einem feststehenden Preis sowie die Übertragung von Gewinnstammrecht und Stimmrechtsvollmacht seien im Fall diese Voraussetzungen erfüllt gewesen.
Praxisbedeutung
Die Entscheidung des BFH hat große Praxisrelevanz. Sie erweitert den Anwendungsbereich der mittelbaren Übertragung und erteilt der Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Zuordnung im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG eine klare Absage. Durch den Verweis auf die ertragsteuerlichen Kriterien, wann ein Gesellschaftsanteil aufgrund wirtschaftlichen Eigentums zuzurechnen ist, bleibt die Möglichkeit für entsprechende Gestaltungen jedoch grundsätzlich erhalten. Die genannten Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein, was bei markttypischen Gestaltungen regelmäßig nicht der Fall ist. In der Praxis ist bei der Ausgestaltung schuldrechtlicher Vereinbarungen, die den beim Altgesellschafter zurückbleibenden Gesellschaftsanteil betreffen, somit eine genaue Prüfung geboten. Die weitgehende wirtschaftliche „Aushöhlung“ mit Hilfe schuldrechtlicher Bindungen ist nicht möglich.
Ob das Urteil auch für (mittelbare) Anteilsänderungen bei grundstückshaltenden Kapitalgesellschaften Bedeutung erlangen wird, ist unklar. Es ist zudem im Kontext mit der letztjährigen Entscheidung des BFH (Urteil vom 24. April 2013 – II R 17/10, DB0598009; vgl. hierzu auch Reckwardt, Blog-Beitrag vom 4. September 2013) zu § 1 Abs. 2a GrEStG zu verstehen, nach der es für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands auf wirtschaftliche Maßstäbe ankomme. Voraussichtlich wird im aktuellen Gesetzgebungsprozess die frühere Ansicht der Finanzverwaltung, die durch das letztjährige Urteil obsolet schien, nunmehr gesetzlich festgeschrieben.
Das neue Urteil des BFH könnte zudem Praxisbedeutung für Fälle der Vereinbarungstreuhand haben, die bei Immobilienfonds in Form einer Publikums-KG häufig vorliegt. Auch hierzu ist bereits ein Verfahren beim BFH anhängig (II R 18/14).