Im Rahmen ihrer Steuersatzungshoheit erheben die Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern, worunter vor allem die Vergnügungsteuern fallen. Diese knüpfen traditionell an die entgeltliche Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen zu Vergnügungszwecken an, wie etwa Tanzveranstaltungen, Filmvorführungen oder öffentliche Feste. In den letzten Jahren sind viele Gemeinden dazu übergegangen, eine Vergnügungsteuer auch auf entgeltpflichtige Spielgeräte mit oder ohne Gewinnmöglichkeit zu erheben (sog. Spielgerätesteuer). Neuerdings haben die Gemeinden eine neue Variante der Vergnügungsteuer erfunden, die sog. Wettbürosteuer, mit der die Betreiber von Wettbüros belastet werden, in denen neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen von Sport- und Pferdewetten ermöglicht wird.
Unschlüssiges Besteuerungskonzept
Die Wettbürosteuer wird nach der für die Wettvorgänge genutzten Fläche der Räume bemessen. So beträgt z.B. in der Stadt Hagen die Steuer bei der Vermittlung von Pferdewetten 100 € pro angefangene 20 qm, bei der Vermittlung von Sportwetten 200 €, und zwar je angefangenen Kalendermonat. Die Gemeinde möchte damit finanziell am kommerziellen Wettvergnügen partizipieren. Zusätzlich wir aber auch geltend gemacht, dass sie ein Mittel sei, das Glückspiel und die damit verbundenen Suchtgefahren einzudämmen. Nun wird mancher sagen, dass es durchaus sinnvoll sei, Freizeitaktiviten, die sozial (mindestens) zweifelhaft seien und zur Abhängigkeit führen können, mit Steuern zu belegen. Ökonomen sprechen von einer „double dividend“, wenn eine Steuer neben der Einnahmenverbesserung noch einen weiteren „guten“ Zweck erfüllt – nämlich hier den Zweck, Wettbüros nicht oder seltener aufzusuchen und diese zurückzudrängen. Das ist nachvollziehbar, wenngleich Erfahrungen zeigen, dass man Suchtverhalten mit steuerlichen Mitteln schwer eindämmen kann, und die Steuer regelmäßig nur Ausweichreaktionen hervorruft. Und die gibt es bei Spiel und Wette im Internet, wo die Vermittler weltweit ihre Produkte anbieten. Dazu kommt, dass das Besteuerungskonzept ins sich unschlüssig ist, da reine Wettannahmestellen von der Wettbürosteuer nicht betroffen sind. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Steuer dem Gleichheitssatz entspricht und ob sie zudem geeignet ist, das gesetzgeberische Ziel der Eindämmung des Wettverhaltens zu erreichen.
Schädigung von konzessionierten Wettveranstaltern
Hinzu kommt, dass die Bundesländer im Glückspielstaatsvertrag festgelegt haben, dass – insbesondere zur Bekämpfung des Schwarzmarkts – zahlenmäßig limitierte private Sportwettenkonzessionen ausgegeben werden sollen (vgl. §§ 4a, 10a GlüStV). Nach der Vorstellung der Bundesländer sollen die konzessionierten Wettveranstalter für die Spieler geeignete – den Umfang des bisher festgestellten Schwarzmarktes entsprechende – Alternativen zum nicht erlaubten Glücksspiel schaffen und so die Spiellust in rechtmäßige Bahnen lenken (sog. Kanalisierung des Wettgeschehens, § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV). Dieses Konzept wird durch die kommunale Wettbürosteuer durchkreuzt, da auch die Konzessionsnehmer dem steuerlichen Verdrängungsziel ausgesetzt sind.
Verfassungswidrige Doppelbesteuerung?
Das eigentliche Problem der Wettbürosteuer liegt aber darin, dass Sportwetten seit 2012 auch durch Bundesgesetz, nämlich das Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten (eingefügt in das Rennwett- und Lotteriegesetz, § 17 Abs. 2) besteuert werden. Diese Bundessteuer erfasst seitdem jede Wette aus Anlass von Sportereignissen. Auch die Rennwette fällt unter die Definition der Sportwette, wird jedoch nach §§ 10, 11 RennwLottG gesondert besteuert.
Der nunmehr doppelte steuerliche Zugriff auf das private Wettverhalten widerspricht Art. 105 Abs. 2a GG, wonach örtliche Aufwandsteuern nicht bundesrechtlich geregelten Steuern „gleichartig“ sein dürfen. Zwar knüpft die Wettbürosteuer tatbestandlich an die Fläche des Wettbüros und nicht – wie die Bundessteuer – an den Wetteinsatz an. Der Steuergegenstand ist aber der gleiche: erfasst werden soll der individuelle Wettaufwand. Zugegriffen wird – wenn auch in unterschiedlicher Ausformung – auf die gleiche Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Deshalb gilt hier die Mahnung des BVerfG, dass es der Gesetzgeber nicht in der Hand habe, „durch verschiedene Formulierungen der Steuertatbestände oder durch eine Schaffung geringfügiger Unterschiede bei den einzelnen Merkmalen der Steuer, wie insbesondere beim Kreis der Steuerpflichtigen, beim Steuermaßstab und bei der Erhebungstechnik die Gleichartigkeit zu vermeiden.“ (BVerfG vom 06.12.1983 – 2 BvR 1275/79; BVerfGE 65 S. 325, 351). Angesichts der genannten Bedenken darf man gespannt sein, ob die Wettbürosteuer langfristig Bestand haben wird.