Steuerliche Bilanzierung von Ansammlungsrückstellungen

Francis B. El Mourabit, LL.M., Assistant Manager, KPMG AG, Köln

Francis B. El Mourabit, LL.M., Assistant Manager, KPMG AG, Köln

Unsicherheit besteht hinsichtlich der steuerlichen Bilanzierung von Ansammlungsrückstellungen bei nachträglicher Verlängerung des Ansammlungszeitraums. So ist es bereits auf erstinstanzlicher Ebene in zwei voneinander unabhängigen Verfahren zu unterschiedlichen Entscheidungen der Finanzgerichte gekommen (FG Niedersachsen vom 10. Mai 2012 – 6 K 108/10, DB0481540; vgl. Kreft, StR kompakt DB0484494; FG Hessen vom 21. September 2011 – 9 K 1033/06, DB0557169; vgl. Amann, StR kompakt DB0557194). Im Anschluss an die beiden finanzgerichtlichen Verfahren wurde jeweils Revision beim BFH eingelegt (Urteil des I. Senats des BFH vom 2. Juli 2014 – I R 46/12, DB 2014 S. 2381; vgl. hierzu auch Oser, DB 2014 S. 2487; anhängiges Verfahren beim IV. Senat des BFH – IV R 37/12). Sollte es nunmehr auf höchster Instanz ebenfalls zu divergierenden Entscheidungen der Senate kommen, müsste der Große Senat des BFH die für Unternehmen relevante Frage entscheiden.

Teilweise Auflösung von Ansammlungsrückstellungen bei Vertragsverlängerung?

Unter einer Ansammlungsrückstellung ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu verstehen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst d Satz 1 EStG). Daher muss im Falle einer Abbruchverpflichtung die Rückstellung nicht etwa sofort mit Abschluss des Vertrags in voller Höhe der zu erwartenden Abbruchkosten gebildet werden, sondern in – auf die Betriebslaufzeit verteilten – Raten angesammelt werden.

In den zwei zugrundeliegenden Fällen bestand jedoch die Besonderheit, dass jeweils vor Ablauf der ursprünglichen Vertragszeit die Laufzeit des Miet- bzw. Pachtvertrags verlängert wurde. Ohne dies bei der Bilanzierung der Rückstellung zu berücksichtigen, sammelte das jeweilige Unternehmen für die zukünftigen Abbruchkosten in – auf die ursprüngliche Vertragslaufzeit verteilten – Raten die steuermindernde Rückstellung an, bis die vollen zu erwartenden Abbruchkosten zurückgestellt waren.

Das jeweils zuständige Finanzamt war hingegen aufgrund der Vertragsverlängerung der Auffassung, dass die Rückstellung anteilig aufzulösen und entsprechend der verlängerten Vertragslaufzeit zu berechnen sei.

Das FG Hessen folgte der Auffassung der Finanzverwaltung (FG Hessen vom 21. September 2011 – 9 K 1033/06, DB0557169), wobei der IV. Senat des BFH über die daraufhin eingelegte Revision bislang noch nicht entschieden hat (anhängiges Verfahren beim IV. Senat des BFH: IV R 37/12).

Das FG Niedersachsen entschied hingegen, dass eine bereits vollständig gebildete Rücklage beibehalten werden müsse, wobei die Vertragsverlängerung bei der Abzinsung des Rückstellungsbetrags zu berücksichtigen sei (FG Niedersachsen vom 10. Mai 2012 – 6 K 108/10, DB0481540). Der I. Senat des BFH trat der Entscheidung des FG Niedersachsen im Rahmen der Revision jedoch entgegen und folgte der Auffassung der Finanzverwaltung (BFH vom 2. Juli 2014 – I R 46/12, DB 2014 S. 2381; vgl. hierzu auch Oser, DB 2014 S. 2487).

Inhalt der Entscheidung des I. Senats des BFH

Auch im Steuerbilanzrecht gelte mangels abweichender Regelung aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips das handelsrechtliche Stichtagsprinzip (§§ 242 Abs. 1; 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Dieses sei mithin auch bei der steuerlichen Bilanzierung einer Ansammlungsrückstellung sowohl dem Grunde und der Höhe nach zu berücksichtigen. Somit sei die angesammelte Rückstellung jährlich der Höhe nach an die Verhältnisse des Bilanzstichtags anzupassen, ohne dass die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 EStG dem entgegenstünde. Dies habe zur Folge, dass die Ansammlungsrückstellung zum auf die Vertragsverlängerung folgenden Bilanzstichtag aufgrund der verlängerten Vertragslaufzeit neu zu berechnen sei.

Künftige Entscheidung des IV. Senats des BFH

Endgültig geklärt ist die Rechtsfrage durch die Entscheidung des I. Senats des BFH jedoch noch nicht. Abzuwarten bleibt zunächst noch die in naher Zukunft zu erwartende Entscheidung des IV. Senats des BFH. Denn bereits die Entscheidung des I. Senats des BFH hätte mit jedenfalls gut vertretbaren Argumenten durchaus auch anders ausfallen können.

Zwar ist es zutreffend, dass infolge des Maßgeblichkeitsprinzips das handelsrechtliche Stichtagsprinzip auch im Rahmen des Steuerbilanzrechts gilt. Jedoch sieht die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 EStG vor, dass eine Rückstellung nur aufzulösen ist, wenn der Grund für die Rückstellung entfällt. Das Argument des I. Senats, dass diese Regelung infolge der Geltung des Stichtagprinzips eine Anpassung bereits gebildeter Rückstellungen an geänderte Verhältnisse nicht ausschließe, überzeugt jedenfalls nicht in Gänze. Denn es setzt sich nicht mit der letztlich entscheidenden Frage auseinander, ob zum Bilanzstichtag, der auf die Vertragsverlängerung folgt, das bloße Hinausschieben der Fälligkeit der Abrissverpflichtung bereits zu einem anteiligen Wegfall des Grunds für die Rückstellung führt.

Die Voraussetzungen für eine (teilweise) Auflösung einer bereits gebildeten Rückstellung regelt ausschließlich § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB. Daran ändert insoweit auch die Geltung des Stichtagsprinzips nichts. Ob die wirtschaftliche Ursache für die Verbindlichkeit entfallen ist, ist für die Frage, ob die Rückstellung künftig noch bestehen muss, jedoch gemäß dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB und auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung unerheblich, soweit die rechtliche Verpflichtung als unmittelbarer Grund für die Rückstellung noch besteht und solange mit einer Inanspruchnahme aufgrund der bestehenden Verpflichtung in Zukunft zu rechnen ist.

Ausblick

Mit Spannung abzuwarten bleibt daher, ob der IV. Senat sich der Auffassung des I. Senats ohne weiteres anschließen wird. Sollte sich die Auffassung des I. Senats des BFH durchsetzen, müsste es dem Vermieter bzw. Verpächter jedenfalls möglich sein, die vom ihm bilanzierte Abrissforderung teilweise auszubuchen.

Durch die Rechtsprechung noch nicht eindeutig geklärt bleibt jedenfalls die ebenfalls hochrelevante Frage, wie die Ansammlungsrückstellung bei einer Verkürzung des Ansammlungszeitraums bilanziell zu behandeln ist. Insofern dürfte der noch nicht zurückgestellte Betrag der Abrisskosten nicht nur über die verkürzte Laufzeit anzusammeln sein, da die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 EStG einer sofortigen Erhöhung der bereits gebildeten Rückstellung nicht entgegensteht. Die Rückstellung müsste somit sofort steuermindernd um den wirtschaftlich bereits verursachten Betrag zu erhöhen sein.

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