Umstrukturierungshemmnis § 50i EStG – Wie geht es weiter?

RA/FAStR Dr. Markus Hassa, LL.M., Associate bei P+P Pöllath + Partners, Frankfurt/M.

Die Vorschrift des § 50i EStG wurde geschaffen, um die Besteuerung bestimmter Einkünfte im Zusammenhang mit der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen sicherzustellen. Doch insbesondere nach der Erweiterung der Norm um einen neuen Absatz 2 lässt sich feststellen, dass die Vorschrift enorme überschießende Wirkungen entfaltet. Bei Umstrukturierungsvorhaben verursacht dies erhebliche Rechtsunsicherheit.

Grundgedanke der Regelung des § 50i EStG

§ 50i EStG wurde durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz (Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26.06.2013, BGBl. I 2013 S. 1809) eingeführt, weil die Finanzverwaltung bis dato davon ausgegangen war, dass die Einkünfte von gewerblich geprägten beziehungsweise infizierten Personengesellschaften abkommensrechtlich als Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) zu qualifizieren seien. Dies hatte dazu geführt, dass Steuerpflichtige vermehrt Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile i.S.d. § 17 EStG steuerneutral in gewerblich geprägte Personengesellschaften eingebracht bzw. diese Wirtschaftsgüter/Anteile auf solche Gesellschaften übertragen/überführt hatten. Anschließend war eine Entstrickungsbesteuerung bei Wegzug der Steuerpflichtigen unterblieben.

Der BFH ist dieser Rechtsauffassung jedoch wiederholt entgegengetreten (siehe nur BFH vom 28.04.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014 S. 754 = DB0359216; vom 20.05.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014 S. 760 = DB0426871). Nach Auffassung des BFH können nationale Gewerblichkeitsfiktionen nicht dazu führen, dass abkommensrechtlich Unternehmensgewinne erzielt werden. Deutschland verliere daher mit Begründung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit des Steuerpflichtigen im anderen Vertragsstaat regelmäßig das Besteuerungsrecht.

In Fällen, in denen eine Entstrickungsbesteuerung aufgrund der überkommen Rechtsauffassung der Verwaltung unterblieben ist, kann durch die Vorschrift des § 50i EStG die Besteuerung etwaiger Veräußerungsgewinne (wie auch laufender Einkünfte) im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung oder Entnahme „ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ nachgeholt werden (siehe auch Töben, Blog-Beitrag vom 24.10.2013).

Erweiterung der Regelung des § 50i EStG

Nach etwas mehr als einem Jahr wurde § 50i EStG aufgrund festgestellter Unklarheiten und Gesetzeslücken durch das Kroatien-Anpassungsgesetz (Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl. I 2014 S. 1266) umfangreich erweitert. Hierbei wurde auch der neue Absatz 2 eingefügt.

§ 50i Abs. 2 Satz 1 EStG sieht vor, dass im Rahmen von Umwandlungen und Einbringungen i.S.d. § 1 UmwStG Sachgesamtheiten abweichend von den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind. Dieser Ansatz der gemeinen Werte hat zwingend zu erfolgen, sofern in der betreffenden Sachgesamtheit Wirtschaftsgüter oder Anteile i.S.d. § 50i Abs. 1 EStG enthalten sind. In den Sätzen 2 und 3 wird diese Rechtsfolge auf Vorgänge nach § 6 Abs. 3 und 5 EStG sowie auf den sog. Strukturwandel ausgedehnt.

Zu weiter Anwendungsbereich des § 50i EStG

Die Erweiterung des § 50i EStG wurde in der Literatur bereits scharf kritisiert. Der Wortlaut der Norm gehe viel zu weit. Bei einer reinen Betrachtung des Gesetzeswortlauts würde eine Entstrickungsbesteuerung in vielen Fällen ausgelöst, in denen dies nach dem Sinn und Zweck der Norm überhaupt nicht erforderlich wäre.

Ausblick

Es ist dringend geboten, den Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG im Wege der Gesetzesauslegung auf ein sinnvolles Maß zurückzuführen. Maßgeblich sollten dabei teleologische Erwägungen sein.

Insofern wird auch in der Finanzverwaltung an einer Lösung gearbeitet. Es wurde bereits eine länderübergreifende Arbeitsgruppe der Referatsleiter für Außensteuerrecht gebildet. In diesem Rahmen werden wohl 16 Fälle diskutiert, die grundsätzlich unter den Wortlaut des § 50i Abs. 2 EStG fallen. Dem Vernehmen nach sollten diese Fälle in weitreichendem Umfang entschärft werden. Herr Rupp, ORR beim FinMin. Baden-Württemberg, hat auf einer Veranstaltung der IFA – Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar – am 26.03.2015 geäußert, dass es ursprünglich geplant war, in einer Arbeitsgruppensitzung in der 12. Kalenderwoche dieses Jahres zu einer konsensfähigen Lösung zu gelangen. Ein entsprechendes BMF-Schreiben sollte dann im Juli dieses Jahres veröffentlicht werden. Allerdings konnte keine Lösung gefunden werden, weil in der Arbeitsgruppe europarechtliche Bedenken an einer Herausnahme des reinen Inlandsfalls geäußert wurden. Sofern nämlich Fälle im Rahmen des § 50i Abs. 2 EStG nicht aufgegriffen würden, in denen lediglich Inländer an der fiktiv gewerblichen Personengesellschaft beteiligt sind, würden in anderen Fällen EU-ausländische Gesellschafter benachteiligt. Es wurde angezweifelt, ob die Tatsache, dass Deutschland im EU-Auslandsfall das Besteuerungsrecht verliere, als Rechtfertigungsgrund ausreiche. Der Zeitplan ist daher wieder völlig offen.

Für die Steuerpflichtigen und deren Berater bedeutet dies ein zusätzliches Dilemma: Es ist zu befürchten, dass in den Finanzämtern die Zurückhaltung bei der Erteilung verbindlicher Auskünfte fortgesetzt wird (siehe dazu auch AEAO zu § 89, 3.5.4., Satz 2). Die Rechtsunsicherheit bei Umstrukturierungsvorhaben lässt sich daher ohne den Erlass des BMF-Schreibens kaum auflösen. In vielen Fällen werden daher auch wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen bis zur Veröffentlichung des ersehnten BMF-Schreibens zurückgestellt werden müssen.

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