Wie im Blog-Beitrag vom 22.08.2014 berichtet, eröffnet sich in Bezug auf Dividenden, die von Organgesellschaften bezogen werden, für Gewerbesteuerzwecke die Chance, die 5%-ige Hinzurechnung fiktiver nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben zu vermeiden. Im Rahmen des in der Steuercommunity mit Spannung erwarteten Revisionsverfahrens bestätigt der BFH mit Urteil vom 17.12.2014 (I R 39/14, DB0693427) das eine effektiv 100%-ige gewerbesteuerliche Freistellung vorsehende Urteil des FG Münster.
Urteil des BFH
Im Streitjahr 2006 fungierte eine GmbH & Co. KG, dessen 100%-iger Kommanditist die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft aufwies, als Organträger eines ertragsteuerlichen Organkreises; die Organgesellschaft war mehrheitlich an einer italienischen Kapitalgesellschaft beteiligt und bezog von dieser eine Gewinnausschüttung.
Streitgegenständlich war, ob (auch) für Gewerbesteuerzwecke auf Ebene des Organträgers eine 5%-ige Hinzurechnung fiktiver nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben vorzunehmen ist.
Begründung des Gerichts
Einleitend stellt der BFH klar, dass er für Zwecke der gewerbesteuerlichen Organschaft an der sog. gebrochenen oder eingeschränkten Einheitstheorie festhält. Demzufolge seien in einem ersten Schritt der Gewerbeertrag des Organträgers und jener der Organgesellschaft separat zu ermitteln. Anschließend habe eine Zusammenrechnung der Gewerbeerträge zu erfolgen; sich dabei ergebende ungerechtfertigte doppelte steuerliche Be- oder Entlastungen seien zu eliminieren.
Unstreitig suspendiere die Bruttomethode des § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG für Körperschaftsteuerzwecke auf Ebene der Organgesellschaft die effektiv 95%-ige Freistellung von Dividenden und hole diese auf Ebene des Organträgers nach, da in dem zugerechneten Einkommen die Dividende „enthalten“ sei.
Der Gewerbeertrag bemesse sich nach § 7 Satz 1 GewStG auf Basis des körperschaftsteuerlich zu ermittelnden Gewinns aus Gewerbebetrieb, korrigiert um gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen. Die Bruttomethode qualifiziere als Gewinnermittlungsvorschrift und wirke sich demzufolge über den Gewinn aus Gewerbebetrieb auch für Gewerbesteuerzwecke aus. Im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft habe aufgrund des Erfüllens der Beteiligungs- und Aktivitätsvoraussetzungen der Norm des § 9 Nr. 7 GewStG eine vollständige Kürzung der Dividende zu erfolgen. In dem für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags des Organträgers als Saldogröße – ohne Zerlegung in Einzelbestandteile und -beträge – zuzurechnenden Gewerbeertrag der Organgesellschaft sei die Dividende nicht mehr „enthalten“. Die auf Ebene des Organträgers dem Grunde nach anwendbare Norm des § 8b Abs. 1, 5 KStG entfalte folglich gewerbesteuerlich keine Wirkkraft.
Unerheblich sei, dass die effektiv 100%-ige gewerbesteuerliche Freistellung potenziell eine unsystematische Hinzurechnungslücke verkörpere; eine Schließung etwa im Wege der Analogie sei aufgrund der hochkomplexen und wechselseitig aufeinander abgestimmten Vorschriften nicht zulässig. Schließlich scheide eine Korrektur über § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG aus, weil keine durch die getrennte Ermittlung der Gewerbeerträge verursachte doppelte Entlastung derselben Gewerbeerträge vorliege.
Praxiseffekte
Das auf die aktuelle Rechtslage uneingeschränkt übertragbare Urteil des BFH ist zu begrüßen, da es bei mehrstöckigen Gruppenstrukturen die rein fiskalisch motivierte wirtschaftliche Doppelbesteuerung in Form pauschaler nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben in Höhe von 5% des Bruttobetrags von Dividenden in- und ausländischer Tochtergesellschaften für Gewerbesteuerzwecke verhindern kann.
In Organkreisen, in denen als Organträger eine Kapitalgesellschaft bzw. eine Personengesellschaft mit Kapitalgesellschaften als Anteilseignern fungiert, ist somit für den Bezug von Dividenden durch Organgesellschaften die Einlegung von Rechtsmitteln zu prüfen. Zu beachten ist, dass Aufwendungen der Organgesellschaft, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Gewinnanteilen stehen, den gewerbesteuerlichen Kürzungsbetrag reduzieren; die resultierende effektive 5%-ige steuerliche Nicht-Abzugsfähigkeit dieser Aufwendungen kann jedoch durch sorgfältige Analyse bzw. Planung in vielen Fällen vermieden werden.
Das Urteil sollte keinen Anlass bieten, für den Verkauf von Kapitalgesellschaftsanteilen durch eine Organgesellschaft die effektiv 95%-ige (gewerbesteuerliche) Freistellung des Veräußerungsgewinns zu verwehren. Aufgrund der durch die Bruttomethode bewirkten Sperrung des § 8b Abs. 2, 3 KStG sowie in Ermangelung einer gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschrift ist ein Veräußerungsgewinn in voller Höhe in dem Gewerbeertrag der Organgesellschaft „enthalten“. Im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags des Organträgers greift daher die 100%-ige Steuerfreistellung und 5%-ige Pauschalierung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben. Ein etwaiger Veräußerungsverlust ist infolge der Anwendung von § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG auch gewerbesteuerlich in voller Höhe nicht abzugsfähig.
Abzuwarten bleibt, wie die Finanzverwaltung auf die Entscheidung des BFH reagiert. Auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums ist eine Veröffentlichung des Urteils im BStBl. Teil II (bislang) nicht vorgesehen.
Zu hoffen ist, dass der Gesetzgeber die Rechtsstreitigkeit zum Anlass nehmen wird, die 5%-ige Belastung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen sowohl für Körperschaft- als auch für Gewerbesteuerzwecke abzuschaffen, um die Wettbewerbsnachteile Deutschlands als Holdingstandort etwa im Vergleich zu den Niederlanden und UK zumindest abzumildern. Vermutlich wahrscheinlicher sind jedoch gesetzgeberische Gegenmaßnahmen, die auf eine auch gewerbesteuerlich 5%-ige Steuerpflicht von Dividenden abzielen. Unter Umständen bietet sich daher ein Vorziehen ohnehin bereits geplanter Ausschüttungen an; der gesetzgeberische Versuch einer rückwirkenden Anwendungsregelung einer potenziellen Gesetzesänderung ist jedoch nicht auszuschließen.