Übergangsregelungen sind darauf ausgelegt, nur einmal angewendet zu werden, so dass sie eigentlich schnell in Vergessenheit geraten müssten. Der Übergang vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren in 2000 ist zwar mittlerweile Geschichte. Die Diskussion um den Sinn und Zweck des Übergangs ist längst verstummt. Der Streit um die Art und Weise des Übergangs geht dagegen 15 Jahre später in seine nächste Runde.
Die Übergangsregelungen haben den Zweck, das Körperschaftsteuerguthaben aus den Zeiten des Anrechnungsverfahrens zu berechnen und zur Auszahlung zu bringen. Damit sollte die hohe Steuerbelastung für thesaurierte Gewinne unter dem Anrechnungsverfahren (zuletzt 40 Prozent) zumindest auf 30 Prozent herabgeschleust werden. Die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer war aus den unterschiedlichen Teilbeträgen des Eigenkapitals ablesbar. Nach dem Übergang waren die Körperschaften daher mit der letztmaligen Feststellung dieser Teilbeträge beschäftigt. Es wurde umgegliedert, multipliziert, summiert, um das zutreffende Guthaben zu ermitteln. Dummerweise gingen bei der Rechnerei Teile dieses Guthabens verloren. Die Fachwelt diskutierte die „EK 02-Falle“. Das BVerfG hatte seinen ersten Auftritt (2009) und wies den Fallensteller an, die Falle zu beseitigen. Dieser reagierte mit geänderten Übergangsregelungen (2010). Es wurde noch einmal neu umgegliedert, multipliziert, summiert. Körperschaftsteuerguthaben wurde so gerettet. Dieser Erfolg beförderte wohl die Suche nach weiteren Fallen, die die Finanzgerichte und – aufgrund einer Richtervorlage – auch wieder das BVerfG beschäftigen. Die Fallen im Überblick:
„EK 02-Falle“ – die Zweite
Das Finanzgericht Münster bemängelt, dass das positive EK 02 nur mit dem EK 45 und nicht mit dem EK 40 verrechnet werden muss. Unbelastetes positives EK 02 müsste an sich mit 30 Prozent Körperschaftsteuer nachbelastet werden. Stattdessen wird es mit EK 45 verrechnet. Dadurch kommt es indirekt zu einer Saldierung von Körperschaftsteuerguthaben (aus dem EK 45) und Körperschaftsteuererhöhungen (aus dem EK 02). Soweit es aber mangels EK 45 nicht zu einer solchen Verrechnung und mittelbaren Nachbelastung kommt, profitiert das übrig gebliebene EK 02 aufgrund einer Gesetzesänderung von einer günstigen Nachversteuerung mit nur 3 Prozent. Da die Verrechnung von positivem EK 02 mit EK 40 im Gesetz nicht vorgesehen ist, steht eine Körperschaft mit EK 40 besser da als eine vergleichbare Körperschaft mit EK 45. Darin sieht das Finanzgericht Münster eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, die es dem BVerfG (Az.: 2 BvL 29/14) vorgelegt hat.
„EK 04-Falle“
Das EK 04 (Einlagen) wurde bei der Berechnung des Körperschaftsteuerguthabens außen vor gelassen. Da der Gesetzgeber eine (zulässige) Obergrenze für das realisierbare Guthaben aus dem Gesamtbestand an ausschüttungsfähigem Eigenkapital ableitet, könnte eine Berücksichtigung des EK 04 Guthaben retten. Es spricht viel dafür, dass die Nichtberücksichtigung des EK 04 bei der Bestimmung des Körperschaftsteuerguthabens ebenfalls eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darstellt, weil ohne sachlichen Grund Körperschaftsteuerguthaben vernichtet werden kann. Der BFH wird darüber entscheiden müssen (Az.: I R 86/12).
Die „Verfahrensfalle“
Körperschaften, bei denen die Feststellung der Endbestände des Eigenkapitals (also die Umgliederung) bereits bestandskräftig ist, profitieren nicht von den nach der ersten Entscheidung des BVerfG geänderten Umgliederungsregelungen. Zwar entspricht dies allgemeinen Grundsätzen, aufgrund von verfassungswidrigen Gesetzen bestandskräftig entschiedene Fälle nicht neu aufzurollen. In dem komplizierten, mehrstufigen Verfahren von der Umgliederung der Endbestände bis hin zur Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens steht am Ende jedoch noch der Auszahlungsbescheid, der in vielen Fällen noch änderbar ist. Der BFH lehnt eine Änderung unter Hinweis auf den bestandskräftigen Endbestände-Feststellungsbescheid aber ab (BFH vom 30.07.2014 – I R 56/13, DB 2014 S. 2746; vom 11.11.2014 – I R 46/13). Der Gesetzgeber hat es indes versäumt, diese Bindungswirkung in den kompliziert geratenen und mehrfach geänderten Übergangsregelungen klar und eindeutig anzuordnen, wie es im Hinblick auf effektiven Rechtsschutz gegen Entscheidungen in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren erforderlich wäre. Zu dieser Frage ist ein weiteres Verfahren beim BFH anhängig (Az.: I R 84/12).
„EK 02-Falle“ – die Dritte
Die als „EK 02-Falle“ bezeichnete Konstellation betraf die Vernichtung von Körperschaftsteuerguthaben durch negatives EK 02, das aus der ursprünglich vorgesehenen vollständigen Umgliederung des EK 45 entstanden ist. Diese Falle hat der Gesetzgeber nach der ersten Entscheidung des BVerfG abgeräumt. Da liegt es eigentlich nahe, diese Forderung auch im Hinblick auf negatives EK 02 zu erheben, das aus noch früheren Umgliederungen (z.B. des EK 50) entstanden ist und zur Vernichtung von Guthaben beim Systemwechsel geführt hat. Hierzu ist ein weiteres Verfahren beim Finanzgericht Münster anhängig (Az.: 10 K 1237/12).
Die Rettung des Körperschaftsteuerguthabens aus dem Anrechnungsverfahren wird also auch über 15 Jahre nach seiner Abschaffung weiterhin die Finanzgerichte und noch einmal das BVerfG beschäftigen.