Steuerfreie Übertragung von Kunstgegenständen und Kunstsammlungen – Gestaltungs-möglichkeiten für das Privatvermögen

RA/StB/FAStR Dr. Jens Escher, KPMG AG, Düsseldorf

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Im Mittelpunkt der Diskussion in Bezug auf das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht stehen derzeit die aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2014 (DB0689466) erforderlichen Gesetzesänderungen im Hinblick auf die Verschonung unternehmerischen Vermögens (§§ 13a, 13b ErbStG). Hiervon unabhängig bestehen allerdings auch erhebliche Verschonungsmöglichkeiten in Bezug auf gemeinwohlgebundenes Privatvermögen, die insbesondere eine steuerfreie Übertragung von Kunstgegenständen und -sammlungen erlauben. Eine jüngere Entscheidung des FG Münster bietet insoweit einige für die Steuerpflichtigen erfreuliche Klarstellungen.

Steuerbefreiung für Kulturgüter

Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive bleiben zu 60 % steuerfrei, wenn

  • ein öffentliches Erhaltungsinteresse besteht (Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft),
  • das Halten der Gegenstände im Grundsatz dauernd unrentabel ist (mangelnde Einnahmeerzielung bzw. „Kostenüberhang“) und
  • die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a ErbStG).

Werden darüber hinaus weitere Voraussetzungen erfüllt, so bleibt die Übertragung der genannten Gegenstände sogar zu 100 % steuerfrei. Dies ist der Fall, wenn

  • der Steuerpflichtige bereit ist, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen, und
  • die Gegenstände sich entweder seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden oder in dem Verzeichnis national wertvollen Kulturguts oder national wertvoller Archive eingetragen sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b ErbStG).

Urteil des FG Münster vom 24.09.2014

Das FG Münster hatte im Urteil vom 24.09.2014 (3 K 2906/12 Erb, EFG 2015 S. 61) über einen Sachverhalt zu entscheiden, in welchem der Erwerber aufgrund einer Schenkung auf den Todesfall eine Kunstsammlung erworben hatte. Unter Vorlage eines für 10 Jahre fest abgeschlossenen Kooperationsvertrags mit einer Stiftung, welcher für die Vertragsdauer das jederzeitige Recht zur Anforderung der Kunstgegenstände für Ausstellungen in den Räumen der Stiftung eingeräumt war, begehrte der Erwerber die 100 %-Befreiung (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b ErbStG); eine Bereitschaft zur denkmalrechtlichen Unterschutzstellung der erworbenen Kunstgegenstände wurde der zuständigen Denkmalschutzbehörde allerdings erst rund 4,5 Jahre nach dem Erwerb schriftlich mitgeteilt.

Das FG Münster nahm in der zitierten Entscheidung zu verschiedenen bislang durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärten Voraussetzungen der Steuerbefreiung für Kunstgegenstände und -sammlungen Stellung. Zum einen stellte das Gericht klar, dass eine hinreichende „Nutzbarmachung für Zwecke der Forschung und Volksbildung“ bereits dann gegeben ist, wenn die Gegenstände zumindest interessierten Kreisen in allgemein erkennbarer Weise regelmäßig zugänglich gemacht werden (vgl. auch R E 13.2 Abs. 4 ErbStR). Ausreichend sei insoweit bereits die regelmäßige Ausleihung zu Ausstellungen an verschiedenen Orten, eine dauerhafte Leihgabe sei nicht erforderlich. Ferner stellte das Gericht klar, dass es für das Merkmal des „20jährigen Familienbesitzes“ bei Übertragung von Kunstsammlungen nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs des einzelnen zur Sammlung gehörenden Kunstgegenstands ankomme, sondern auf den Zeitpunkt der Begründung der Sammlung als solcher; der spätere Hinzuerwerb einzelner weiterer Werke setze für diese nicht eine neue 20-Jahres-Frist in Gang. Eine „Sammlung“ sei überdies bereits dann gegeben, wenn mehrere Kunstgegenstände nach bestimmten Ordnungsprinzipien zusammengefasst seien und sich hieraus ein besonderer Mehrwert ergebe; letzterer folge bereits aus dem Eigentum an mehreren Werken eines bedeutenden Künstlers. Das erforderliche öffentliche Erhaltungsinteresse stand für das Gericht im Urteilsfall auf der Grundlage einer Bescheinigung eines vereidigten Sachverständigen und einer Stellungnahme der Stiftung ebenfalls außer Frage, auch ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde; eine solche werde auch von der Finanzverwaltung nur in Zweifelsfällen gefordert (R E 13.2 Abs. 3 ErbStR 2011). Vor diesem Hintergrund gewährte das Gericht dem klagenden Steuerpflichtigen in seiner Entscheidung zumindest die 60 %-Befreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a ErbStG.

Die vom Kläger begehrte 100 %-Befreiung wurde hingegen versagt. Dies allerdings nicht, weil – entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung – bereits zum Besteuerungsstichtag eine tatsächliche Unterschutzstellung aufgrund eines förmlichen Bescheids der Denkmalbehörde zu fordern sei (so etwa FinMin. Bayern vom 07.04.2004, DStZ 2004 S. 422). Vielmehr stellte das FG Münster klar, dass der Gesetzeswortlaut lediglich die Bereitschaft fordere, den Schenkungsgegenstand den Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen. Hierbei handele es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, dass allerdings objektiviert und damit nachweisbar vorliegen müsse. Hierzu reiche es nach Ansicht des Gerichts aus, wenn der Steuerpflichtige jedenfalls zeitnah nach dem Stichtag durch eine schriftliche Mitteilung an die zuständige Denkmalschutzbehörde dokumentiere, dass die erforderliche Bereitschaft zur Unterschutzstellung bestehe. Welche Frist noch als hinreichend zeitnah angesehen werden könne, ließ das Gericht offen. Die im Streitfall erst 4,5 Jahre nach dem Schenkungsstichtag erfolgte Mitteilung an die Denkmalschutzbehörde wertete das FG Münster jedenfalls nicht mehr als „zeitnah“, weshalb die 100 %-Verschonung versagt wurde.

Fazit und Folgerungen für die Praxis

Das Urteil des FG Münster trägt wesentlich zur Klärung bislang umstrittener Fragen rund um die Steuerbefreiung für gemeinwohlgebundene Kunstgegenstände und -sammlungen bei.

Im Sinne der Steuerpflichtigen erfreulich ist, dass eine hinreichende „Nutzbarmachung“ nicht eine Dauerleihgabe der gesamten Kunstsammlung an ein Museum für den vollen 10-Jahres-Zeitraum erfordert, sondern dass die Einräumung des Rechts der jederzeitigen Anforderung der Sammlung oder einzelner Werke davon als ausreichend anzusehen ist. Vor allem bei größeren Sammlungen wird dies in aller Regel erlauben, dass die gerade nicht in eine Ausstellung einbezogenen Teile einer Sammlung in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen verbleiben.

Offen geblieben ist, innerhalb welcher Frist der Steuerpflichtige seine Bereitschaft erklären muss, die Gegenstände den Vorschriften der Denkmalspflege zu unterstellen. Einen Anhaltspunkt könnte die 6-Monats-Frist geben, innerhalb derer die Finanzverwaltung in den Fällen der freien Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften eine hinreichende „Zeitnähe“ und damit eine steuerliche Rückwirkung der Auseinandersetzung auf den Zeitpunkt des Erbfalls grds. anerkennt (vgl. BMF vom 14.03.2006, BStBl. I 2006 S. 253 = DB0138056, Tz. 8). Jedenfalls eine Mitteilung an die Denkmalschutzbehörde innerhalb von 6 Monaten nach dem Stichtag sollte daher als „zeitnah“ anzusehen sein. Zu beachten ist allerdings, dass ein Denkmalschutz beweglicher Gegenstände nach den einschlägigen Denkmalschutzvorschriften überhaupt möglich sein muss; insoweit gilt es, das jeweilige Landesrecht zu beachten.

Gegen das Urteil des FG Münster ist die Revision anhängig (Az. des BFH: II R 56/14). Es steht zu hoffen, dass der BFH die vom FG Münster eingeschlagene Richtung bestätigen und ggf. noch weiter präzisieren wird.

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