KStR 2015-E: Enge Gesetzesauslegung bei Drittstaatenverschmelzungen

StB Dipl.-Kfm. Dr. Christian Hick, Partner bei FGS Flick Gocke Schaumburg, Bonn

StB Dipl.-Kfm. Dr. Christian Hick, Partner bei FGS Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Am 18.05.2015 hat die Finanzverwaltung den Entwurf der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2015 (nachfolgend KStR 2015-E, DB0696581) veröffentlicht. R 12 KStR 2015-E (Beschränkte Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft) soll danach folgenden Wortlaut haben: „Der Verweis in § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG auf einen „Vorgang i.S.d. Satzes 1“ umfasst u.a. auch die dort bezeichnete Art der Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft. Demnach ist für die Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG eine beschränkte Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft notwendig“.

Worum geht es?

Die in R 12 KStR 2015-E enthaltene Gesetzesauslegung regelt folgenden Fall: Im Rahmen einer Drittstaatenverschmelzung erhält ein im Inland ansässiger Anteilseigner für seine (untergehenden) Anteile an dem im Ausland ansässigen übertragenden Rechtsträger (neue) Anteile an der im Ausland ansässigen übernehmenden Körperschaft. Dieser Tausch von Anteilen hat gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG im Grundsatz eine Realisierung der stillen Reserven in den untergehenden Anteilen zur Folge. Voraussetzung eines gewinnrealisierenden Tauschvorgangs ist, dass die Anteile des Anteilseigners Gegenstand des Betriebsvermögens sind oder es sich um Anteile i.S.d. § 17 EStG handelt (zudem kann sich für im steuerlichen Privatvermögen gehaltene Anteile eine Besteuerung aus § 20 Abs. 4a EStG ergeben). § 13 UmwStG – der unter bestimmten Voraussetzungen einen Anteilstausch zu Buchwerten ermöglicht und § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG vorgeht – ist im Fall einer Drittstaatenverschmelzung nicht unmittelbar anwendbar. Allerdings gilt § 13 UmwStG für die Besteuerung der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG entsprechend, wenn das Vermögen einer Körperschaft durch einen „Vorgang i.S.d. Satzes 1“ auf eine andere Körperschaft übertragen wird. Liegen die Voraussetzungen des § 13 UmwStG vor, wird die Buchwertneutralität des Vorgangs (vereinfacht) dadurch hergestellt, dass der Anteilseigner die historischen Anschaffungskosten der Anteile einfach auf die „neuen“ Anteile umbucht.

Bislang lag keine eindeutige Stellungnahme der Finanzverwaltung dazu vor, welche Schlussfolgerungen die Finanzverwaltung aus dem Verweis des Satzes 2 auf einen „Vorgang i.S.d. Satzes 1“ in Bezug auf die Art der Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers zieht. Die Thematik bildete allerdings bereits den Gegenstand einer Bund-Länder-Abstimmung. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob es sich bei dem Satz 2 um einen eigenen Tatbestand mit einem eigenen Anwendungsbereich handelt. Die Ausführungen in Rn. 13.01 des Umwandlungssteuererlasses (BMF vom 11.11.2011, BStBl. I 2011 S. 1314 = DB0464115), wonach § 13 UmwStG entsprechend gilt, wenn das Vermögen einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft als Ganzes durch einen Vorgang i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG nach ausländischem Recht auf eine andere Körperschaft übertragen wird, lassen sich (auch) dahingehend auslegen, dass hier nur einer von mehreren Anwendungsfällen des Satzes 2 behandelt wird. Im Schrifttum ist dies allerdings streitig diskutiert worden. Mit R 12 KStR 2015-E hat sich die Finanzverwaltung nun dahingehend positioniert, dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG und damit auch die Voraussetzungen für eine Abwicklung des Verschmelzungsvorgangs auf Gesellschafterebene zu Buchwerten gem. § 13 UmwStG nur dann erfüllt seien, wenn es sich bei der übertragenden Körperschaft um eine in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Körperschaft handele. Auch wenn es bislang an einer veröffentlichten Verwaltungsauffassung fehlte, hat die Finanzverwaltung eine R 12 KStR 2015-E entsprechende Beurteilung erfahrungsgemäß im Rahmen der Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vertreten. Dabei setzt die beschränkte Steuerpflicht nach der Verwaltungsauffassung das Erzielen inländischer Einkünfte i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG voraus (R 2 Abs. 1 Satz 1 KStR 2015-E); allein das Halten inländischer Wirtschaftsgüter, aus denen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte resultieren könnten, könnte demnach nach der Verwaltungsauffassung nicht ausreichen.

Stellungnahme

Ausgehend von dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG überzeugt der von der Finanzverwaltung vorgelegte Entwurf zu R 12 KStR 2015-E nicht. Denn die Gesetzesformulierung spricht in § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG lediglich von „Körperschaften“ und nicht von „beschränkt steuerpflichtiger Körperschaft“. Zudem wird auch nur das Erfordernis eines „Vorgangs i.S.d. Satzes 1“ normiert und nicht „in den Fällen des Satzes 1“. Damit steht im obigen Beispiel einer Verschmelzung zu Buchwerten auf Gesellschafterebene nicht entgegen, wenn es sich bei der übertragenden Körperschaft im Rahmen einer Drittstaatenverschmelzung nicht um einen im Inland beschränkt Steuerpflichtigen Rechtsträger handelt. Diese Rechtsauffassung wird sich im Hinblick auf die nunmehr angekündigte „Richtlinienlage“ allerdings nur im Rahmen eines Finanzgerichtsverfahrens durchsetzen lassen. Die Praxis hat sich bislang (auch) damit beholfen, dass der übertragende Rechtsträger (z.B. durch den Erwerb eines vermieteten Gebäudes in Deutschland) eine beschränkte Steuerpflicht (§ 2 Nr. 1 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG) in Deutschland begründet hat. In zeitlicher Hinsicht vollzieht sich die in § 13 UmwStG angeordnete Veräußerung der Anteile an dem übertragenden Rechtsträger auf Gesellschafterebene erst mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister, so dass die beschränkte Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers in Deutschland (im Fall einer Verschmelzung nach ausländischem Recht mit steuerlicher Rückwirkung) zum steuerlichen Übertragungsstichtag noch nicht vorliegen muss. Eine entsprechende Strukturierung der Transaktion dürfte mit Blick auf die (mögliche) neue Richtlinienregelung weiter an Bedeutung gewinnen.

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