Reduzierter Steuersatz neben steuerfreier Rücklage möglich

RA Stephan H. Schmidt, Dipl.-Fw. (FH), P+P Pöllath und Partners, München

RA Stephan H. Schmidt, Dipl.-Fw. (FH), P+P Pöllath und Partners, München

Mit Urteil vom 23.09.2015 (10 K 4079/14 F) hat das FG Münster entschieden, dass die Anwendung der sog. Fünftelregelung nach § 34b Abs. 1 EStG auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn im Rahmen einer Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung eine steuerfreie Rücklage für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 6b Abs. 10 EStG gebildet wurde. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung schließt die Bildung der Rücklage gerade nicht die Tarifermäßigung aus.

Sachverhalt

Der Kläger in dem Verfahren war zu 50 Prozent an einer GbR beteiligt, zu deren Betriebsvermögen ein an eine GmbH verpachtetes Grundstück gehörte. Die Gesellschafter der GbR waren auch jeweils zu 50 Prozent an dieser GmbH beteiligt. Aufgrund der vorliegenden Betriebsaufspaltung war die GbR gewerblich tätig und die Anteile der GmbH gehörten zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der GbR. Im Rahmen der Auseinandersetzung der GbR schied der Kläger gegen Abfindung aus der GbR aus und verkaufte seinen Anteil an der GmbH an den verbleibenden Gesellschafter. Der Gewinn aus der Aufgabe des Mitunternehmeranteils nach § 16 EStG wurde im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der GbR entsprechend festgestellt und – soweit der Veräußerungsgewinn auf die Beteiligung an der GmbH entfiel – unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zu 40 Prozent steuerfrei gestellt.

Der Kläger bildete für den Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Beteiligung eine steuerfreie Rücklage nach § 6b Abs. 10 EStG und übertrug diese in den folgenden Jahren vollständig auf andere Wirtschaftsgüter.

Der Kläger beantragte die Anwendung der Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1 EStG – sog. Fünftelregelung – auf den nicht in die Rücklage eingestellten Gewinn aus der Aufgabe des Mitunternehmeranteils. Diese versagte das Feststellungfinanzamt sowohl in der gesonderten und einheitlich Feststellung als auch im Einspruchsverfahren. Die dagegen erhobene Klage hatte jedoch Erfolg.

Entscheidung des FG Münster

Das FG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Kläger kann für den Aufgabegewinn, soweit er nicht in die steuerfreie Rücklage nach § 6b Abs. 10 EStG eingestellt wurde, die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen.

Tarifbegünstigung neben steuerfreier Rücklage

Grundsätzlich ist es für die Anwendung des § 34 EStG erforderlich, dass sämtliche stillen Reserven in einem einheitlichen Vorgang aufgedeckt werden und nicht ein Teil dieser Reserven durch eine Rücklagenbildung nach § 6b EStG der Besteuerung entzogen wird (BFH vom 14.02.2007 – XI R 16/05, RS0760594). Insoweit soll verhindert werden, dass zwei verschiedene Vergünstigungen wie Übertragung von stillen Reserven nach § 6b EStG und die Tarifermäßigung nach § 34 EStG nebeneinander angewendet werden und es damit zu einer Überkompensation kommt.

Nach Ansicht des FG ist jedoch hierbei zu berücksichtigen, dass nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 EStG Einkünfte, die unter das Teileinkünfteverfahren fallen, von der Vergünstigung des § 34 EStG ausgeschlossen sind. Insoweit lässt es das FG dahinstehen, ob es sich bei den Teileinkünften schon gar nicht um außerordentliche Einkünfte handelt oder es sich zwar um außerordentliche Einkünfte handelt, diese nur nicht an der Vergünstigung des § 34 EStG teilhaben sollen. Daher kann die Inanspruchnahme einer Rücklage für genau diese Einkünfte, die von der Vergünstigung des § 34 EStG ausgeschlossen sind, gerade nicht schädlich sein.

Denn es kommt gerade nicht zu einer Doppelbegünstigung der Einkünfte, da gerade die in die steuerfreie Rücklage eingestellten Einkünfte nicht unter § 34 EStG fallen. Selbst wenn die anteiligen Einkünfte aus der Veräußerung des GmbH-Anteils nicht in die steuerfreie Rücklage eingestellt worden wären, hätten diese auf der Regelung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 EStG nicht der Fünftelregelung unterlegen.

Fazit

Das FG führt die Rechtsprechung des BFH zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung in den Fällen der außerordentlichen Einkünfte sowie der Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Rücklage nach § 6b EStG konsequent fort. Das mittlerweile rechtskräftige Urteil ermöglicht dem Steuerpflichtigen, im Rahmen von Betriebsaufgaben oder Veräußerungen sowohl die Vergünstigung des § 34 EStG als auch die Möglichkeit einer steuerfreien Rücklage nach § 6b Abs. 10 EStG in Anspruch zu nehmen.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Rechtsprechung nur für die Rücklage aus Anteilen an Kapitalgesellschaften gem. § 6b Abs. 10 EStG gilt. Bei anderen Rücklagen nach § 6b EStG (z.B. aus der Veräußerung von Grundstücken) ist diese Rechtsprechung nicht anwendbar, da die Gewinne, die in solche Rücklagen eingestellt werden, von § 34 EStG erfasst werden und damit eine potenzielle Doppelbegünstigung möglich wäre.

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