Einbringungsgewinn II und Aufwärtsverschmelzung: Praktische Vernunft aus Hamburg

RA/StB Dipl.-Kfm. Alexander Pupeter, Partner bei P+P Pöllath + Partners, München

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Zu Ehren des früheren Finanzministers Helmut Schmidt hat das FG Hamburg der praktischen Vernunft in einer komplizierten Steuerangelegenheit zum Durchbruch verholfen: Der Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 UmwStG wird durch eine Aufwärtsverschmelzung nicht ausgelöst (FG Hamburg vom 21.05.2015 – 2 K 12/13, DB1050186, anhängig beim BFH: I R 48/15; vgl. hierzu auch Kreth, StR kompakt, DB1050188).

Worum geht es?

Bringt eine natürliche Person Aktien oder GmbH-Anteile in eine andere Kapitalgesellschaft ein, so kann dies grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 UmwStG (mehrheitsvermittelnde Anteile) oder als Bestandteil eines Teilbetriebs (§ 20 Abs. 2 UmwStG) zu Buchwerten bzw. fortgeführten Anschaffungskosten erfolgen. Wenn die Kapitalgesellschaft, in die die Beteiligung eingebracht worden ist, diese Anteile nunmehr kurzfristig verkaufen würde, wäre der Veräußerungsgewinn grundsätzlich gem. § 8b KStG zu 95 Prozent steuerfrei. Hätte die einbringende natürliche Person die Anteile selbst veräußert, wäre dies jedoch zu 60 Prozent steuerpflichtig gewesen (§ 3 Nr. 40 EStG, Teileinkünfteverfahren). Durch die Einbringung würde also eine „Statusverbesserung“ erreicht. Deshalb führt nach einer Einbringung zu Buch- oder Zwischenwerten durch eine natürliche Person die Veräußerung durch die aufnehmende Gesellschaft innerhalb von sieben Jahren dazu, dass rückwirkend die Einbringung steuerpflichtig wird. Dieser rückwirkende Einbringungsgewinn wird als „Einbringungsgewinn II“ bezeichnet (seine Höhe schmilzt über sieben Jahre ab, aber das ist an dieser Stelle nicht ausschlaggebend). Neben einer schädlichen Veräußerung enthält das Gesetz einen ganzen Katalog von weiteren Tatbeständen, die ebenfalls einen solchen Einbringungsgewinn II auslösen.

Problemfall Aufwärtsverschmelzung

Das System ist insgesamt nicht „rund“. Dies wird besonders deutlich an einer Konstellation, die seit Erlass des aktuellen UmwStG, also seit 2006, heftig diskutiert wird und auch durch den UmwSt-Erlass 2011 nicht überzeugend gelöst wurde. Es geht um die Aufwärtsverschmelzung der eingebrachten Gesellschaft. Die eingebrachte Gesellschaft wird innerhalb von sieben Jahren nach der Einbringung auf die aufnehmende Gesellschaft, also „nach oben“ verschmolzen. Die aufnehmende Gesellschaft übernimmt dadurch die Aktiva und Passiva der eingebrachten Gesellschaft; die Anteile an der eingebrachten Gesellschaft gehen unter.

Nach einer solchen Aufwärtsverschmelzung ist es für die aufnehmende Gesellschaft nicht mehr möglich, die Anteile an der eingebrachten Gesellschaft nahezu steuerfrei zu veräußern. Vielmehr stellt sich die Situation so dar, wie sie vor der Einbringung bestand: Vor der Einbringung war der Anteilseigner an einer Gesellschaft beteiligt, die ihre Aktiva und Passiva zu einem bestimmten Buchwert hielt. Nach Einbringung und Aufwärtsverschmelzung ist der Anteilseigner weiterhin an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, die neben anderen auch diese Wirtschaftsgüter zu diesen Buchwerten hält. Eine Veräußerung durch den Gesellschafter löst jeweils eine Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren aus. Der Gesellschafter hat also keinerlei Statusverbesserung erreicht, es wurden keine stillen Reserven nahezu steuerfrei aufgedeckt oder realisiert und es ist nach der Verschmelzung auch nicht mehr möglich, einen solchen Statusvorteil zu nutzen.

Die Auffassung der Verwaltung

Dennoch hat die Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 2011 die Auffassung vertreten, auch eine solche Aufwärtsverschmelzung sei als Veräußerung der eingebrachten Beteiligung zu sehen. Mangels gesetzlicher Ausnahmeregelung werde der Einbringungsgewinn II ausgelöst. Für bestimmte andere Fälle sieht der UmwSt-Erlass zumindest einen Verzicht auf den Einbringungsgewinn II im Billigkeitswege vor, für die Aufwärtsverschmelzung sei dies jedoch nicht möglich.

Die Sichtweise des FG Hamburg

Das FG Hamburg hat dem mit Urteil vom 21.05.2015 (2 K 12/13, DB1050186, anhängig beim BFH: I R 48/15; vgl. hierzu auch Kreth, StR kompakt, DB1050188) widersprochen. Nach seiner Auffassung ist die Aufwärtsverschmelzung bei einschränkender Auslegung im Sinne des Regelungszwecks keine Veräußerung in diesem Sinne, denn es kann nicht zu einer missbräuchlichen Ausnutzung der Statusverbesserung kommen und die übertragenen stillen Reserven werden durch sie auch nicht der Besteuerung entzogen.

Stellungnahme

Die Entscheidung des FG Hamburg ist zu begrüßen. M.E. könnte auch auf die Anknüpfung an den Veräußerungsbegriff verzichtet und die Sperrfristregelung selbst teleologisch reduziert werden. Ein Blick in das GrESt-Recht kann hier hilfreich sein. Im Rahmen der §§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 4 GrEStG ist – auch von der Verwaltung – anerkannt, dass aus diesen abstrakten Missbrauchsnormen diejenigen Fälle herauszunehmen sind, in denen ein Missbrauch grundsätzlich ausgeschlossen ist. Dieser Gedanke sollte auf die Sperrfristregelungen in § 22 UmwStG übertragen werden. Dem steht nicht entgegen, dass in § 22 UmwStG ein Katalog expliziter Rückausnahmen enthalten ist. Denn hierdurch hat der Gesetzgeber – wenn auch sehr unvollkommen – gerade den Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Sperrfrist nur potenzielle Missbrauchsfälle erfassen soll.

Fazit

Es ist für die Praxis zu wünschen, dass die an praktischer Vernunft orientierte hamburgische Sichtweise auch in München beim BFH Gefolgschaft findet. Denn an Missbrauchsnormen, die Fälle betreffen, die kein Missbrauch sein können, hat niemand ein berechtigtes Interesse.

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